Marktentwicklung bei Energieausweisen
Schrittweise ist es zur Pflicht geworden, Energieausweise bei Verkauf oder Vermietung von Wohnimmobilien vorzulegen. Anbieter, Leistungen und Nachfrage bei der Ausstellung von Energieausweisen für Wohngebäude sind heterogen. Ein Forschungsprojekt hat die Marktentwicklung auf Anbieter- und Nachfrageseite empirisch untersucht.
Seit 2009 müssen alle Verkäufer und Vermieter von Wohngebäuden auf Nachfrage des potenziellen Käufers oder Mieters den Energieausweis vorlegen. Mit einer repräsentativen Befragung von Anbietern und Nachfragern von Energieausweisen wurden ein systematischer Überblick über das Marktgeschehen bei der Ausstellung der Ausweise für den Wohnungsbestand und wertvolle Strukturdaten zur Funktionsweise und Akzeptanz der Energieausweise gewonnen.
Wer stellt die Ausweise für Wohngebäude aus?
Ein großer Teil der Energieausweise wird von sehr gut qualifizierten Fachkräften ausgestellt. Der Anteil der Aussteller, die einen Hochschulabschluss haben, ist mit 71 % hoch, fast alle befragten Aussteller haben Fortbildungen oder Zusatzqualifikationen zur Ausstellung von Energieausweisen erworben. 62 % der befragten Aussteller sind Architekten und Ingenieure, 20 % Bau- und Handwerksunternehmen und 18 % sonstige Aussteller (zum Beispiel Mitarbeiter von Messdienstleistern, Energieversorgern, im Baustoffhandel). Der Anteil der von Architekten und Ingenieuren ausgestellten Ausweise ist erheblich, sie haben 67 % aller Ausweise der befragten Aussteller ausgestellt.
Es sind sehr viele Aussteller am Markt, das Massengeschäft machen aber nur wenige. Der Marktanteil der durch die wenigen Großaussteller ausgestellten Ausweise ist sehr hoch, der Großteil der Aussteller erstellt nur hin und wieder einen Energieausweis:
– Es gibt 29 % Kleinstaussteller, die bisher jeweils nicht mehr als zehn Energieausweise ausgestellt haben. Diese Kleinstaussteller haben einen Marktanteil von nur 1 %.
– Es sind 1 % Großaussteller, die bisher jeweils mehr als 1000 Energieausweise ausgestellt haben. Diese Großaussteller haben einen Marktanteil von 51 %.
Was für Energieausweise werden beauftragt?
Der Marktanteil des Verbrauchsausweises ist hoch. Für die privaten Eigentümer wie für die professionellen Vermieter ist der deutlich günstigere Preis der Hauptgrund, sich für einen Verbrauchsausweis zu entscheiden. Sie haben im Durchschnitt zu 3/4 Verbrauchsausweise und zu 1/4 Bedarfsausweise in Auftrag gegeben.
Die Energieausweise sind eher billig und die Aussteller brauchen relativ wenig Zeit für die Ausstellung. Der Preis spielt bei der Beauftragung eines Energieausweises eine wichtige Rolle. Für ein Produkt, dessen Notwendigkeit und Nutzen manche private Auftraggeber noch nicht so richtig einschätzen können, möchten sie nicht zu viel ausgeben. Sie nutzen die etwas günstigeren Angebote. Während die befragten Aussteller einen Verbrauchsausweis im Durchschnitt ab 83 € anbieten, haben die privaten Auftraggeber für ihren Verbrauchsausweis durchschnittlich 71 € bezahlt, die Wohnungsunternehmen im Durchschnitt Einstiegspreise von 40 €.
Billige Online-Angebote dominieren den Markt jedoch nicht. Es gibt eine Vielzahl von Angeboten im Internet, bei denen man einen Energieausweis direkt online – ohne persönlichen Kontakt mit dem Aussteller – bestellen kann. Aber nur ein geringer Teil der Eigentümer nutzt solche Angebote. Auch bei der Suche nach einem geeigneten Aussteller nutzen die Eigentümer kaum das Internet, sie wenden sich vor allem an Aussteller, mit denen sie durch frühere Aufträge bereits persönlich bekannt sind.
Wie werden Verbrauchs- und Bedarfsausweis eingeschätzt?
Die Aussagekraft der beiden Ausweisarten hinsichtlich der energetischen Qualität eines Gebäudes wird unterschiedlich eingeschätzt. Aussteller, private Auftraggeber und Wohnungsunternehmen bewerten den Bedarfsausweis im Durchschnitt gut. Der Verbrauchsausweis wird anders beurteilt: Die Fachleute finden, dass er schlecht über die energetische Qualität der Gebäude informiert, private Auftraggeber und Wohnungsunternehmen sind geteilter Meinung.
Auch wenn die zwei Ausweisarten den Markt unübersichtlicher machen, haben beide ihre Berechtigung. Für den einfachen, günstigen Verbrauchsausweis als erste Orientierung können sich Eigentümer entscheiden, wenn sie keinen akuten Bedarf an Informationen über die energetische Beschaffenheit ihres Gebäudes haben, weil bauliche Maßnahmen für sie aktuell nicht in Frage kommen – zum Beispiel auf Grund des Alters oder fehlender finanzieller Mittel. Der qualifiziertere Bedarfsausweis ist für Eigentümer von Interesse, die sich genauer für den energetischen Zustand ihres Gebäudes interessieren und über Modernisierungsmaßnahmen nachdenken.
Was bisher fehlt, ist ein deutliches Herausstellen des qualitativen Unterschieds zwischen den beiden Ausweisarten. Die Akzeptanz des Energieausweises würde erheblich sinken, wenn alle Eigentümer unabhängig von ihrer jeweiligen Bedarfssituation einen Bedarfsausweis ausstellen lassen müssten.
Welche Rolle spielen die Modernisierungsempfehlungen im Energieausweis?
Zum Energieausweis dazugehörende Modernisierungsempfehlungen können einen Anstoß für nächste Schritte geben. Für die Marktteilnehmer sind sie unterschiedlich wichtig:
– Viele Aussteller finden Modernisierungsempfehlungen als Bestandteil des Energieausweises sehr wichtig. Etwa die Hälfte von ihnen erwartet auch, dass sich daraus Folgeaufträge ergeben.
– Die privaten Auftraggeber sind interessiert, wie die energetische Qualität ihres Gebäudes verbessert werden kann. Aber weniger als die Hälfte will die Modernisierungsvorschläge, die sie erhalten hat, ganz oder teilweise umsetzen – was sie daran hindert, sind die Kosten. Inhaber von Bedarfsausweisen wollen häufiger modernisieren.
– Den Wohnungsunternehmen bringen die Modernisierungsempfehlungen im Energieausweis in der Regel keine neuen Informationen, sie kennen ihren Bestand bereits sehr genau.
Wie sinnvoll die Modernisierungsempfehlungen sind, ist davon abhängig, auf welcher Basis sie gegeben werden. Pauschale Modernisierungsvorschläge – ohne dass der Aussteller das Gebäude besichtigt oder ohne dass ihm detaillierte Informationen zu den Bauteilen vorliegen – sind nicht objektbezogen und damit unzulässig, davon abgesehen bringen sie einem Eigentümer wenig. Als Grundlage für die Durchführung von Maßnahmen ist neben dem Energieausweis eine ausführliche (Energie-)Beratung notwendig, Modernisierungsempfehlungen sollen eine Energieberatung nicht ersetzen.
Wo gibt es noch Marktpotenzial?
Insgesamt haben die befragten 788 Aussteller bisher über 99 000 Energieausweise für Wohngebäude ausgestellt. Die Hochrechnung bezogen auf alle in umfassenden, öffentlich zugänglichen Aussteller-Datenbanken eingetragenen Aussteller ergibt – bis Mai 2009 – eine Gesamtzahl von rund 1,87 Mio. bisher ausgestellter Energieausweise. Damit gibt es bereits für ca. 10 % der Wohngebäude in Deutschland einen Energieausweis. Hinzu kommen die von Wohnungsunternehmen für ihren Bestand selbst ausgestellten Ausweise.
87 % der Wohnungsunternehmen haben bereits für 90 bis 100 % ihrer Gebäude Energieausweise und sind damit für die nächsten zehn Jahre weitgehend versorgt. Anders sieht es bei privaten Vermietern und Selbstnutzern aus. Von den Befragten, die in der ersten Jahreshälfte 2009 eine Wohnung oder ein Haus zur Miete oder zum Verkauf angeboten haben und damit mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Energieausweis haben sollten, hat ein Drittel einen Ausweis.
Wenn das Instrument Energieausweis bekannter wird, sich mehr etabliert und wenn Interessenten häufiger danach fragen, wird der Anteil privater Eigentümer, die einen Energieausweis für ihr Gebäude ausstellen lassen, steigen. Während der Markt für Energieausweise bei Wohnungsunternehmen weitgehend gesättigt ist, gibt es bei den privaten Eigentümern noch ein großes Marktpotenzial.