60 Jahre und wieder topfit!
An der Aachener Heinrichsallee erstrahlt ein 60 Jahre altes Bestandsgebäude in neuem Glanz. Es wurde umfassend energetisch saniert und hat durch eine Aufstockung in Holzbauweise einen außergewöhnlichen Akzent erhalten.
Für die Generalsanierung eines Hauses, das in den frühen 1950er-Jahren errichtet wurde, hat der verantwortliche Architekt und Mit-Bauherr Professor Klaus Klever ein imponierendes Planung-Konzept entworfen. Durch die eindrucksvolle Aufstockung aus Holz wurde neuer und großzügiger Wohnraum generiert. Zugleich hat man das Gebäude in der Heinrichsallee 41 in Aachen energetisch und optisch auf Vordermann gebracht. Die anspruchsvollen Holzaufbauten stammen von der ZimmerMeisterHaus-Manufaktur Holzbau Kappler GmbH & Co.KG aus Gackenbach-Dies.
Das aufgebaute Dachgeschoss bietet nach der Sanierung auf einer Gesamtfläche von 220 m² neuen Wohnraum über zwei Ebenen. Die Wohnung mit offenem Grundriss wird durch zwei große Lichthöfe und mehrere Terrassen strukturiert – ergänzt durch viele Fenster und interessante Holzbau-Details. Bis das möglich war, mussten einige Hürden genommen werden. Die Dachdeckung war komplett abgängig und der Dachstuhl gab zu hohe Einzellasten auf die oberste Geschossdecke ab. Daher ordnete der Planer einen vollständigen Abbruch des vorhandenen Mansarddaches an. Im Bereich des Treppenhaues wurde bis auf die Höhe des ehemaligen Dachbodens rückgebaut. Hinsichtlich der Statik musste man keine unterstützenden Maßnahmen für den Rückbau anordnen. Energetisch war der Bestandsbau jedoch nicht mehr auf der Höhe der Zeit.
Raumgewinn durch Nachverdichtung
Die Vorteile dieser Sanierungsvariante: Selbst schwierige bauphysikalische Bedingungen können damit kostengünstig erfüllt und schnell und substanzschonend gebaut werden. Brandschutzgründe – vor allem aber auch Gründe der Erdbebensicherheit – führten zu der Entscheidung, lediglich die Aufstockung des Treppenraumes in Stahlbeton auszuführen. Ansonsten wurde der Altbestand nachhaltig und anspruchsvoll mit dem zweigeschossigen Holzaufbau aufgestockt. In den lichtdurchfluteten Räumen der Aufstockung erfährt man heute die vielfältigen Möglichkeiten der modernen Holzbauweise mit großzügigem Raumvolumen, offenen kommunikativen Ebenen und klaren Strukturen.
Die Holzkonstruktion wurde um 6 cm gegenüber der Außenkante des vorhandenen Mauerwerks nach innen versetzt. Als Isolierung dient eine überputzbare Dämmung aus Holzweichfaserplatten, die auf die Brettsperrholzelemente aufgebracht wurde. Hierdurch war die Möglichkeit gegeben, Toleranzen im Mauerwerk durch eine Ausgleichsspachtelung zu beseitigen. Für Bauwerke dieser Höhe besteht die Anforderung einer nicht brennbaren Dämmung. Daher wurde auf die erste Dämmebene eine zweite Dämmung aus 24 cm starken Mineralfaserlamellen mit stehender Faser aufgebracht.
Die Decke über der unteren Ebene der Aufstockung beinhaltet 30 cm Mineralfaserdämmung und im Terrassenbereich gleichfalls zusätzlich im Mittel 6 cm PUR-Dämmung. Im Dachbereich und bei der Terrasse der unteren Ebene setzten die Handwerker in speziellen Einzelfällen auch Vakuumdämmung ein, um die vom Architekten gewünschte Schlankheit der Bauteile zu erreichen bzw. einen schwellenlosen Übergang von innen nach außen zu gewährleisten.
Eine zusätzliche Innendämmung war zwar nicht vorgesehen, jedoch wurde die raumseitige, 5 cm dicke Installationsebene zusätzlich mit 5 cm Mineralwolle aufgefüllt. Bis auf einige wenige Ziegelwände sind ab der Decke über dem zweiten Obergeschoss alle tragenden Bauteile neu und als Holzbau ausgeführt.
Das Bestandsgebäude wurde durchgängig gedämmt – ebenfalls mit 24 cm Mineralfaserdämmung – mit einer Ausnahme im Schaufenster-Bereich der Front. Bei den Fenstern im Bestand hat man die ursprüngliche Sprossenteilung entsprechend ihren alten Proportionen in vollem Umfang beibehalten (Meranti Uw 1,40 W/m²K) und damit die Architektursprache der frühen 1950er-Jahre erhalten. In der Aufstockung setzte man großformatige Glaselemente als Pfosten/Riegelkonstruktion in Eiche Leimholz (Uw 0,62-0,77 W/m²) ein.
Kurze Bauphasen
Besonders flexibel wird der Holzbau durch das niedrige Gewicht des Baustoffs und durch den hohen möglichen Vorfertigungsgrad. „Die moderne EDV-Technik bietet vor allem im Bereich von Bestandsbauten sowie Aufstockungen die Möglichkeit, mittels tachymetrischer Aufmaß-Methoden verformungsgerechte, tatsächlich auf der Baustelle vorhandene Maße zu erhalten“, berichtet Tobias Götz, Dipl. Holzbauingenieur und Geschäftsführer der am Bauvorhaben beteiligten Pirmin Jung Deutschland GmbH. „Dies bietet insbesondere dem Holzbau die Möglichkeit, den maximalen Vorfertigungsgrad auszuspielen – immer mit der Gewissheit, dass keine maßbedingten Überraschungen auf der Baustelle auftreten können. Jedes Bauvorhaben ist an besondere Anforderungen gekoppelt – ‚Basismodule‘ wären wünschenswert, sind jedoch schwierig zu realisieren“, fügt er hinzu.
In Aachen kamen Bauelemente zum Einsatz, die sich einerseits schon in ähnlicher Form vielfach bewährt haben, andererseits aber auf die Anforderungen im Hinblick auf den Schall- und Brandschutz modifiziert werden mussten. Insbesondere das Deckensystem als „einfache“ Balkenlage ist seit Jahrhunderten im Holzbau bekannt. Durch zusätzliche Verkleidungen aus Gipsfaserplatten und etwas Gewicht in Form von Kalksplitt zwischen den Deckenbalken konnte ein einfaches und leichtes, aber leistungsfähiges Deckenbauteil erstellt werden, welches nahezu gänzlich seitens des Holzbaubetriebs vorgefertigt werden konnte.
Die tragende Schicht der Außenwände wurden mittels großformatiger Brettsperrholzelemente sichergestellt. Eine Vorfertigung inkl. Fassadendämmung sowie GF-Platten auf der Innenseite hätte hier wenig Vorteile gebracht. Wichtig war laut der Experten die Vor-Elementierung der Decken- und Dachbauteile, um einen schnellen und trockenen Bauablauf zu gewährleisten.
Größere Baustellenarbeiten im Bestand haben grundsätzlich hohe Anforderungen an Termine. Im Hinblick auf den Bestand geht es immer darum, die „geöffnete“ Gebäudehülle möglichst schnell wieder abzudichten und die Regendichtheit des Gebäudes umgehend wiederherzustellen. Im Normalfall laufen die Bauarbeiten sogar bei weiterer Nutzung und Vermietung des Gebäudes.
Die beengten Innenstadtverhältnisse – so auch in Aachen – erfordern grundsätzlich eine schnellere Baustellenabwicklung, nach Möglichkeit geringe Verkehrs-Behinderungen und geringe Geräusch- und Erschütterungsbelastungen. Der hochvorgefertigte Holzbau bietet diese Vorteile genau dort, wo konventionelle Verfahren an ihre Grenzen stoßen. Beim Bauvorhaben in Aachen waren die Montagearbeiten des Holzbaus binnen einer Woche komplett abgeschlossen. Die Hauptgeräuschbelastung fiel ebenfalls in diese kurze Phase.
On top: Neue Energiewerte
Ein Pelletkessel, der die Grundlast abdeckt, liefert Heizwärme und versorgt Bestand und Aufstockung zentral mit Warmwasser. Der vorhandene Gas-Brennwertkessel schaltet sich bei Spitzenlast dazu. Diese Heizung wird zudem durch eine thermische Solaranlage unterstützt. Zusätzlich wurden bei der Aufstockung und in einigen Bereichen des Bestandes im zweiten Obergeschoss hocheffektive Konvektoren mit geringem Wasserinhalt eingebaut.
Das Bauwerk wurde nun zum KfW-55-Haus mit einem Primärenergiebedarf von 29 kWh/m²a. Das entspricht gegenüber dem Zustand vor der Sanierung mit einem Heizwärmebedarf von 124 kWh/m²a ohne Warmwasserbereitung einer Verringerung um deutlich mehr als 70 %.
Das Haus in Aachen ist jetzt, sechzig Jahre nach seiner Errichtung, ein Musterbeispiel an Energieeffizienz und durch die bemerkenswerte Aufstockung auch optisch ein besonderer Gewinn für die Heinrichsallee.
Besonders flexibel wird der Holzbau durch das niedrige Gewicht des Baustoffs und durch den hohen möglichen Vorfertigungsgrad
Zum Einsatz kamen bewährte Bauelemente, die auf die Anforderungen im Hinblick auf den Schall- und Brandschutz modifiziert werden mussten.