Bauen für mehr E-Mobilität
Wer mietet oder Teil einer Eigentümergemeinschaft ist, hat Anspruch darauf, sich eine Lademöglichkeit für E-Fahrzeuge zu schaffen. Geschäftsführende und EntscheiderInnen in der Wohnungswirtschaft müssen das einkalkulieren. TÜV SÜD erläutert die Möglichkeiten und Voraussetzungen.
Zu den Zielen des Klimaschutzplans 2050 soll der Verkehrsbereich bis 2030 mit 40 bis 42 % CO2-Reduktion gegenüber 1990 beitragen. Alternative Antriebe spielen dabei eine wichtige Rolle. Mit dem „Masterplan Ladein-frastruktur“ konkretisiert die Bundesregierung diese Ziele und nennt Maßnahmen, um den Aufbau öffentlicher und privater Ladeinfrastruktur zu beschleunigen. Für den nicht-öffentlichen Bereich sind zwei Gesetzesvorhaben auf dem Weg bzw. bereits in Kraft. Das WEMoG richtet sich direkt an WohnungseigentümerInnen und MieterInnen.
Rechtsanspruch auf Ladesäulen
Das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz (WEMoG) ist die bisher größte Reform des Wohneigentumsgesetzes (WEG) seit dessen Einführung 1951. Das WEMoG trat am 1. Dezember 2020 in Kraft und soll Barrierefreiheit, effektiven Einbruchschutz, schnelleres Internet sowie das Einhalten energetischer Standards fördern. Ausdrücklich soll es dabei auch den Ausbau der Elektromobilität vorantreiben. Dazu stärkt es den Anspruch von EigentümerInnen gegenüber Eigentümergemeinschaften, private Stellplätze mit Ladeeinrichtungen auszustatten.
Bauliche Veränderungen am gemeinschaftlichen Eigentum setzen bisher einen einstimmigen Beschluss der Eigentümergemeinschaft voraus. Nun genügt eine einfache Mehrheit. Zudem dürfen EigentümerInnen das Gemeinschaftseigentum baulich so verändern, wie es die Installation der Ladeeinrichtung erfordert – bspw., um Stromleitungen und Nebeneinrichtungen zu verlegen. Wenn nötig, besteht auch der Anspruch auf eine Ertüchtigung des Hausanschlusses.
Der gleiche Anspruch besteht, nach Paragraf 554 BGB, auch für MieterInnen von Stellplätzen, Wohn- und Geschäftsräumen. Das Gesetz berechtigt sie zwar nicht zu eigenmächtigen baulichen Veränderungen, verpflichtet aber VermieterInnen entsprechenden Maßnahmen zuzustimmen. Hier kann es sinnvoll sein, eine Modernisierungsvereinbarung zu treffen, wonach die vermietende Partei eine Lademöglichkeit schafft. Dadurch behält sie die Maßnahme in der Hand und kann über einen möglichen Rück- oder Umbau nach Ende des Mietverhältnisses entscheiden. Das WEMoG hat den § 554 grundlegend reformiert. Nun gilt er für die Barrierereduzierung, die E-Mobilität und den Einbruchschutz.
Technische Herausforderungen
Ladeeinrichtungen sind Teil einer Niederspannungsanlage. Ladevorgänge belasten die Anlage üblicherweise über mehrere Stunden. Daher gilt dem Gleichzeitigkeitsfaktor besonderes Augenmerk: Es muss gewährleistet sein, dass die elektrische Infrastruktur auch dann nicht überlastet ist, wenn alle Ladestationen gleichzeitig genutzt werden. Üblicherweise ist das in den frühen Abendstunden zwischen 17 und 19 Uhr der Fall, wenn zusätzlich weitere leistungsstarke Haushaltsgeräte in Betrieb sind, wie Herd und Waschmaschine. Ein intelligentes Lastmanagementsystem hilft, Leistungsspitzen zu glätten. Vorhandene erneuerbare Energiequellen, wie zum Beispiel eine Photovoltaikanlage, kann es dabei optimal einbinden.
Bei der Installation von Ladeeinrichtungen gibt es vier Möglichkeiten:
1. Der Anschluss erfolgt über eine herkömmliche Schutzkontakt- oder CEE-Steckdose. Der Ladestrom wird meist auf 13 Ampere (A) bei max. 3,7 Kilowatt (kW) reduziert, um die Installation nicht zu überlasten. Diese Variante ist deshalb nicht für das dauerhafte Laden von Elektroautos geeignet und sollte aus Sicherheitsgründen nur für eine Notladung verwendet werden. Zweirädrige Fahrzeuge wie E-Bikes oder E-Roller können so regulär geladen werden.
2. Eine Steuer- und Schutzeinrichtung (IC-CPD) am Ladekabel ermöglicht eine Ladeleistung von 22 kW bei maximal 13 A über die Haushaltssteckdose oder 16 A über einen CEE-Stecker.
3. Die Stromversorgung über spezielle Steckvorrichtungen (z. B. Typ 2 nach DIN EN 61196-2) ermöglicht eine Ladeleistung bis 43,5 kW. Die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Infrastruktur erfolgt über das Ladekabel. So genannte Wallboxes stellen eine komfortable und technisch sichere Lösung dar und sind daher aktuell eine gängige Methode. Sie sind fest an die elektrische Anlage des Gebäudes angebunden und mit 11 oder 22 kW Anschlussleistung verfügbar.
4. Laden mit Gleichstrom (DC Laden) mit 400 V oder 800 V. Am Markt sind Systeme mit bis zu 350 kW Ladeleistung verfügbar, in der Praxis wird meist mit weniger als 150 kW geladen.
In der Praxis werden bislang 5 bis 20 % der Stellplätze mit Ladeeinrichtungen ausgestattet oder dafür vorbereitet. Das kann bedeuten, dass lediglich die Verkabelung und Montage technisch und baulich ermöglicht wird. Als Vorhaltung wird hierbei die Planung der Leitungswege vorgesehen sowie eine Reserve beim Ausbau der Elektroverteiler. Zu berücksichtigen ist insbesondere die maximale Leistungsaufnahme der gesamten elektrischen Anlage einschließlich der geplanten Ladeeinrichtungen. Je nach Zugänglichkeit der Tiefgarage (öffentlich, halböffentlich oder privat) existieren verschiedene Systeme zur Abrechnung sowie zur Freischaltung der Ladepunkte.
Anforderungen und normative Vorgaben
Artikel 8 der EU-Richtlinie zur Gebäudeeffizienz schreibt vor, „dass für jeden Stellplatz die Leitungsinfrastruktur, nämlich die Schutzrohre für Elektrokabel, errichtet wird, um die spätere Errichtung von Ladepunkten […] zu ermöglichen.“ Die Garagen- und Stellplatzverordnungen der Länder schaffen die bauordnungsrechtlichen Grundlagen für die Einrichtung von Parkplätzen. Sie sollen die EU-Forderung umsetzen. Besondere Anforderungen bezüglich Ladestationen enthalten sie bislang noch nicht. Entsprechende Änderungen werden aber bereits diskutiert. Ausnahme: In Hessen brauchen nach Paragraf 2 GaV bereits jetzt mindestens 5 Prozent der Stellplätze einen Anschluss an eine Lademöglichkeit.
Die Umsetzung dieser Anforderung könnte insofern eine Herausforderung für manche Gebäudeverwaltungen darstellen, als dass Tiefgaragenstellplätze in der Regel bestimmten Mieteinheiten zugeordnet sind. Welche Einheit allerdings eine Ladestation benötigt, ist bei der Installation beziehungsweise Vorbereitung möglicherweise noch nicht bekannt. Die technischen Anforderungen an die Errichtung von Ladeeinrichtungen regelt die DIN VDE 0100-722, abhängig von der Betriebsart. Neben den allgemeinen Anforderungen an den Schutz gegen elektrischen Schlag, thermische Auswirkungen sowie Überlast und Kurzschluss stellt die DIN VDE 0100-722 besondere Anforderungen an die Errichtung von Ladeinfrastrukturen.
Die elektrischen Anschlüsse dürfen nicht nach dem TN-C-System mit PEN-Leiter, also ohne zusätzlichen Schutzleiter, ausgeführt werden. Jeder Ladepunkt muss einen eigenen Endstromkreis besitzen, denn die Versorgung mehrerer Ladepunkten durch einen Endstromkreis ist unzulässig. Anschlusspunkte erfordern Schutzmaßnahmen gegen transiente Überspannungen (Überspannungsschutzgeräte), die in der DIN VDE 0100-443 beschrieben sind. In jedem Fall müssen Ladeeinrichtungen vor mechanischen Beschädigungen geschützt werden. Ein Rammschutz schirmt die Verteiler beispielsweise vor Fahrzeugkollisionen ab.
Die Ladesäulenverordnung (LSV) formuliert die Mindestanforderungen für Aufbau und Betrieb. Sie fordert die Erstprüfung nach DIN VDE 0100-600 und die wiederkehrende Prüfung der technischen Sicherheit nach DIN VDE 0105-100/A1. Die Unfallverhütungsvorschrift für elektrische Anlagen und Betriebsmittel der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV Vorschrift 3) regelt die Prüfintervalle.
Für die Einrichtung und den Betrieb gelten zudem die Vorgaben aus der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Im Übrigen sind die Leitungsanlagenrichtlinien der Länder zu beachten. Insbesondere, wenn geschlossene Garagen an Wohngebäude angrenzen und daher Leitungen durch Wände führen, müssen entsprechende Anforderungen an den Brandschutz eingehalten werden.
Unter Umständen stellen Versicherungen weitere Anforderungen an die technische Ausstattung. Zum Beispiel, dass die elektrische Anlage nach der VdS-Richtlinie 3471 errichtet wird oder nach VdS-Prüfrichtlinie 2871 wiederkehrend geprüft werden muss. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens kann die Feuerwehr weitere Vorgaben zum Brandschutz machen. Häufig umfasst das die Installation eines zentralen Feuerwehrschlüsselschalters zur Unterbrechung der Spannungsversorgung aller Ladeeinrichtungen.
Pflichten im Blick
Laut einer Studie der „Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur“ sollen bis zum Jahr 2030 rund 61 Prozent der privaten Stellplätze eine elektrische Ladeeinrichtung besitzen. Im Neubau sollte zumindest eine entsprechende Vorhaltung bei den Leitungswegen sowie eine Reserve beim Ausbau der Elektroverteiler eingeplant werden.
Um die elektrische Integrität und die Betriebssicherheit zu gewährleisten, sollten Betreiber die geltenden Vorschriften beachten und unabhängige Sachverständige für Prüfungen der Ladesäulen und der zugehörigen Infrastruktur hinzuziehen. Elektrische Anlagen dürfen nur geprüft werden von Elektrofachkräften mit Erfahrung im Prüfen vergleichbarer Anlagen.
Die Erstprüfung der elektrischen Anlage obliegt dem errichtenden Unternehmen. Beim Genehmigungsverfahren und bezüglich der technischen Grundlagen unterstützt TÜV SÜD. Die unabhängigen Sachverständigen prüfen baubegleitend unter anderem das Netz, das Lastmanagement oder die maximale Ladeleistung inklusive aller relevanten Unterlagen – von den Entwurfsplänen über die Werkpläne bis hin zur technischen Dokumentation.
Es muss gewährleistet sein, dass die elektrische Infrastruktur auch dann nicht überlastet ist, wenn alle Ladestationen gleichzeitig genutzt werden.
Um die elektrische Integrität und die Betriebssicherheit zu gewährleisten, sollten Betreiber unabhängige Sachverständige für Prüfungen der Ladesäulen und der zugehörigen Infrastruktur hinzuziehen.
Kontakt
TÜV SÜD Industrie Service GmbH
Abteilung Elektro- und Gebäudetechnik
Alexander Kleinmagd
Tel. +49 621 395-358
E-Mail:
Stefan Veit
Tel. +49 89 5791-2801
E-Mail: