Bauwirtschaft als positive Ausnahme in der Coronakrise

Zweistellige Zuwachsraten: Vor allem vom Wohnungsneubau werden starke Wachstumsimpulse erwartet

Die deutsche Wirtschaft hat nach vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes mit einem BIP-Rückgang von minus 5 % im Jahr 2020 eine tiefe Rezession hinnehmen müssen. Es handelt sich um den stärksten Wirtschaftseinbruch seit der Finanzkrise 2009. Die Folgen der Corona-Pandemie betreffen nahezu alle Branchen. Nur das Baugewerbe konnte noch einen Zuwachs an Bruttowertschöpfung erwirtschaften. Im Gegensatz zu anderen Ländern konnte die Bauproduktion weitgehend ungehindert fortgesetzt werden. Neben der unverändert starken Baunachfrage hat hierzu auch die geringere Betroffenheit während der Lockdown-Perioden beitragen: Die Produktion an den Baustellen konnte weitgehend ungehindert fortgesetzt werden. Die Bauwirtschaft kommt damit bislang am besten durch die Krise und bildet eine wesentliche Stütze der deutschen Konjunktur.

Im abgelaufenen Jahr konnte der Bausektor der krisenhaften Entwicklung in der Gesamtwirtschaft trotzen. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW Berlin im Auftrag des BBSR hat das Bauvolumen im Jahr 2020 preisbereinigt immerhin noch um 2,2 % zugelegt[1]. Dies entspricht einer Abkühlung der Baukonjunktur im Vergleich zum Boomjahr 2019 (+3,8 %); die Wachstumsrate liegt aber noch einem ähnlichen Niveau wie 2017/2018. Für 2021 werden nur noch leichte Zuwächse (real +1,1 %) angenommen, um dann 2022 wieder in eine Erholung zu münden.

Die Preisentwicklung am Bau war in den letzten Jahren stark aufwärts gerichtet. Starke Baunachfrage verursacht eine angespannte Kapazitätsauslastung mit dem bestehenden Fachkräftemangel im Baugewerbe. Dieser Trend scheint nunmehr gebrochen, es wird ein nur noch moderater Preisanstieg erwartet. Für 2020 und 2021 wird eine Preisentwicklung des Bauvolumens von deutlich unter 2 % prognostiziert. 2018/19 war der Baupreisanstieg mehr als doppelt so hoch. Die in den letzten Jahren stark angespannte Kapazitätsauslastung der Baubetriebe hat sich normalisiert; sie bleibt aber noch immer über dem langjährigen Mittel. Im gesamten Baugewerbe hat ein deutlicher Beschäftigungsaufbau stattgefunden, die  Kapazitäten wurden ausgeweitet[2]. Hierbei konnte das produktivere Hauptgewerbe schneller zusätzliches Personal gewinnen als der Ausbaubereich, auch durch Arbeitskräfte aus anderen europäischen Ländern.

In laufenden Preisen gerechnet wurden nach Berechnungen des DIW Berlin im Jahre 2020 über 440 Mrd. € am Bau investiert[3]. Dominiert wird das deutsche Bauvolumen dabei mit 57 % vom Wohnungsbau. Der Neubau von Mehrfamilienhäusern verzeichnete in den Jahren 2014 bis 2018 zweistellige Zuwachsraten. Diese Dynamik hat sich etwas abgeschwächt. Der Anteil des Neubaus am gesamten Wohnungsbau liegt bei 31 %, Mitte der 1990er Jahre war es noch fast die Hälfte[4]. Auch für die Zukunft werden starke Wachstums-impulse vor allem vom Wohnungsneubau erwartet. Die grundsätzlich vorhandene hohe Nachfrage nach Wohnraum in den Groß- und Universitätsstädten sowie die günstigen Finanzierungsbedingungen sollten die Wohnungsbautätigkeit weiter zulegen lassen.

Die Zuwächse für die Maßnahmen an bestehenden Wohngebäuden sind moderater ausgefallen. Das Ausbaugewerbe war offenbar durch die Corona-Pandemie stärker beeinträchtigt. Dennoch ist die Nachfrage von Modernisierungs- und Instandsetzungsleistungen intakt: Für 2022 wird sogar eine weitere Beschleunigung des Wachstums prognostiziert. Stützende Faktoren werden in der gestärkten Kaufkraft sowie der steuerlichen Förderung energetischer Sanierungsmaßnahmen gesehen. Die Bauleistungen an bestehenden Gebäuden stellen damit die wichtigste Größe des deutschen Bauvolumens dar, über 175 Mrd. € wurden 2020 in Modernisierungs- und Erhaltungsmaßnahmen des Gebäudebestandes investiert.

Die Investitionen im Wirtschaftsbau weisen den schwächsten Verlauf auf. Für 2020 und 2021 werden Schrumpfungen erwartet. Außenwirtschaftliche Konflikte wirken sich negativ auf die Nachfrage nach Produktions- und Lagerflächen der exportorientierten deutschen Industrie aus. Neue Bürogebäude werden angesichts der zunehmenden Home-Office-Möglichkeiten nur zurückhaltend in Auftrag gegeben. Etwas besser entwickeln sich die Maßnahmen am Gebäudebestand, wobei eine Konzentration auf Ersatzinvestitionen erwartet wird. Die Bauleistung an bestehenden Nichtwohngebäuden macht nahezu 60 % der Gewerbebauinvestitionen aus. Vollmodernisierungen sind dabei weitaus gewichtiger als bei Wohnungsimmobilien.

Weiterhin die stärksten Zuwächse werden durch den öffentlichen Bau erwartet. Impulse kommen hierbei durch die Maßnahmen des Konjunkturpaktes, verstärkte Mittelabflüsse im Kommunalinvestitionsförderungsfonds sowie die Investitionsinitiative der Bundesregierung. Eine Kompensation von wegbrechenden Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen wirkt zudem stützend. Die antizyklisch stark gestiegenen Bauausgaben der öffentlichen Hand wirken damit in der jetzigen Krise konjunkturstabilisierend.

Die Prognosen gehen insgesamt von einer weiteren Zunahme der Bauinvestitionen aus. Hierbei wird unterstellt, dass bis zum Frühjahr 2021 das Infektionsgeschehen spürbar einzudämmen ist. Zur Dauer und weiteren Ausbreitung von COVID-19 bestehen aber erhebliche Unsicherheiten. Diese betreffen auch die künftigen wirtschaftlichen Folgen. Diese Risiken werden auch die künftige Entwicklung im Bausektor noch eine ganze Weile begleiten. Es wird für Baubranche darauf ankommen, diese Krise als strukturelle Umbruchssituation mit entsprechenden Chancen zu begreifen.

[1] Gornig, Martin/Michelsen, Claus/Pagenhardt, Laura: Bauwirtschaft trotzt der Corona-Krise – dennoch etwas ruhigeres Geschäft im Jahr 2021. DIW-Wochenbericht 1+2/2021. Berlin, Januar 2021.

[2] vgl. Fachbeitrag des BBSR „Kapazitätsauslastung im Baugewerbe verbleibt trotz leichtem Rückgang auf hohem Niveau “ auf www.bbsr.bund.de

[3] Der Endbericht „Strukturdaten zur Produktion und Beschäftigung im Baugewerbe – Berechnungen für das Jahr 2019“ ist als BBSR-Online-Publikation 15/2020 erschienen; vgl. www.bbsr.bund.de

[4] Für eine ausführliche Darstellung siehe „Langfristige Strukturentwicklungen im Baugewerbe“, BBSR-Analysen KOMPAKT 09/2020.

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