BBB-Exklusiv: Bezahlbar heißt nicht „Hauptsache billig“
Nach dem Nationalen Kongress am 3. und 4. März in Berlin: Wie geht es weiter mit dem Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen?
Das Interesse am Nationalen Kongress zum Bündnis für bezahlbares Wohnen und Bauen war groß: Unter dem Motto „Mehr bezahlbarer Wohnraum – wir packen es gemeinsam an!“ diskutierten am 3. und 4. März 2016 in Berlin mehr als 600 Gäste, wie sich die Bündnis-Empfehlungen in die Realität umsetzen lassen. Bund, Länder und Kommunen waren ebenso vertreten wie wohnungs- und bauwirtschaftliche Verbände, Architekten und Ingenieure, Gewerkschaften, Sozialverbände, Bauträger, Projektentwickler und die Nachfrageseite.
In ihrer Eröffnungsrede bekräftigte Bundesbauministerin Barbara Hendricks, den hier lebenden Menschen und denen mit Bleibeperspektive gleichermaßen bezahlbaren Wohnraum und notwendige Infrastrukturen bieten zu wollen. Dem sozialen Wohnungsbau komme dabei eine wichtige Rolle zu. Denn ohne angemessene Wohnungen zu bezahlbaren Preisen für breite Bevölkerungsschichten werde die Integration nicht gelingen. Dabei gehe es nicht um „Hauptsache billig“ – die städtebauliche Qualität dürfe nicht leiden. „Wir wollen keine sozial homogenen, abgeschotteten und monofunktionalen Quartiere. Wir haben verstanden, wie wichtig eine ansprechende Gestaltung des Stadtraums ist. Und wir haben verstanden, dass im Gebäudebereich der Klimaschutz kein Merkmal für gehobene Ausstattung, sondern eine bindende Verpflichtung aus der Verantwortung für diese Welt und für kommende Generationen ist“, so die Ministerin.
Der Kongress zeigte: Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist durch das Bündnis besser und noch kooperativer geworden. Etliche Punkte sind bereits umgesetzt, zum Beispiel im Bauplanungsrecht und insbesondere mit Blick auf die dringend benötigten Erstaufnahmeeinrichtungen. Die Mittel für die soziale Wohnraumförderung wurden verdoppelt. Eine weitere Aufstockung der Mittel für Wohnungsbau und Stadtentwicklung ist im Eckwertepapier für den Bundeshaushalt 2017 vereinbart. Die Ministerin sprach sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dem Bund in Zukunft im Gegenzug für die steigenden Kompensationsmittel wieder eigene Zuständigkeiten im Wohnungsbau zu geben.
Vor einigen Monaten gab es noch Widerstände gegen eine steuerliche Förderung des Mietwohnungsneubaus – jetzt ist sie beschlossene Sache. Von der zielgenauen steuerlichen Förderung wird ein erheblicher Anreiz für den Mietwohnungsneubau im bezahlbaren Segment ausgehen. Das geht über den sozialen Wohnungsbau hinaus, schließt aber durch Kostenobergrenzen bei der Förderung das Luxussegment aus.
Runter mit den Baukosten
Finanzielle Anreize – darauf wurde in der Bündnisarbeit immer wieder hingewiesen – reichen nicht aus: Die Baukosten müssen sinken. Fallbeispiele wurden auf dem Kongress intensiv diskutiert. Das Bündnis hat viele Fälle aufgezeigt, bei denen sich das gleiche Ziel auf einfachere Weise erreichen ließe, zum Beispiel durch die einheitliche Übernahme der Musterbauordnung in allen Ländern, durch mehr serielle Produkte und durch das Förderprogramm für Modellvorhaben zum nachhaltigen und bezahlbaren Bau von Variowohnungen.
Dafür braucht es Überzeugungsarbeit, denn es bedeutet in vielen Fällen eine Abkehr vom Prinzip „Das haben wir schon immer so gemacht.“ Beispiele aus Schweden und den Niederlanden zeigten, wie es gehen könnte.
Mit der Einführung einer neuen Baugebietskategorie, dem „Urbanen Gebiet“, als Teil der nächsten BauGB-Novelle erhalten die Kommunen bald die Möglichkeit, mit einer stärkeren Nutzungsmischung zu planen, ihre Innenentwicklung voranzubringen und maßvoll zu verdichten.
Es fehlt – das war die Erfahrung vieler Fachleute – noch immer an Bauland für den Wohnungsbau. Wenn es keine Baugrundstücke gibt, laufen alle finanziellen und steuerlichen Anreize ins Leere. Der Bund hat seine Hausaufgaben mit der verbilligten Abgabe von Liegenschaften gemacht. Andere Flächenbesitzer – und hier sind vor allem die Kommunen gefragt – müssen jetzt nachziehen.
Gremium überprüft regelmäßig Ergebnisse
Damit die guten Vorsätze aus dem Bündnis-Prozess und dem Kongress nicht im Sande verlaufen, hat die Bundesbauministerin ein Expertengremium für das Controlling eingesetzt. Unter dem Vorsitz von Staatsrat a.D. Michael Sachs soll es regelmäßig aufzeigen, welche Ergebnisse bislang erreicht wurden und ob und welche Hemmnisse oder Engpässe bei der Umsetzung der Wohnungsbau-Offensive und der flankierenden Maßnahmen bestehen, um ggf. gegensteuern zu können. Dabei soll es auch und gerade um nachahmenswerte Beispiele aus der Praxis vor Ort gehen. Der erste Bericht wird im Spätherbst 2016 erwartet.
Ein Punkt der Wohnungsbau-Offensive muss in den nächsten Monaten noch intensiv bearbeitet werden: „Gemeinsam für mehr Akzeptanz des Wohnungsneubaus werben“. Wie wirbt man um Verständnis, wenn für Wohnungsbauprojekte Kleingärten weichen müssen, Ausblicke verbaut werden oder – wie gerade im Herzen Berlins – Baudenkmale in Mitleidenschaft gezogen werden?
Für das Bundesbauministerium ist schon jetzt klar: Es geht nur gemeinsam mit allen Bündnis-Partnern – und es geht nur als Mix unterschiedlicher Maßnahmen wie mehr Information und Bürgerbeteiligung, zielgruppengerechte Ansprache über soziale Netzwerke und aufrichtige Dialogangebote. An vielen Orten – so war in den Arbeitsgruppen zu hören – klappt das schon recht gut. Das BMUB wird im zweiten Halbjahr 2016 eine Veranstaltung initiieren, um aus solchen guten Beispielen zu lernen und daraus konkrete Schritte für eine Neubauakzeptanz-Kampagne abzuleiten.
Die Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ist durch das Bündnis besser und noch kooperativer geworden