Die Wohnungspolitik in Deutschland steht vor einer gewaltigen Aufgabe

Chancen und Perspektiven von Dachaufstockung und -ausbau

Die Wohnungspolitik in Deutschland steht vor einer gewaltigen Aufgabe: 350.000 bis 400.000 neue Wohnungen werden dringend benötigt – pro Jahr. Dachaufstockung und Dachausbau bieten eine Möglichkeit Wohnraum zu schaffen, ohne dafür neue Flächen in Anspruch zu nehmen.

Um die als Kostentreiber wirkenden rechtlichen Hemmnisse von Dachaufstockung und Dachausbau zu verringern, ist politische Unterstützung gefragt. Die gute Nachricht: Vielfach wird sie bereits gewährt. So ist beispielsweise Ende März 2017 eine Novelle des Bauplanungsrechts in Kraft getreten. Diese gibt Städten und Gemeinden mehr Flexibilität bei der Planung von Innenstadtquartieren mit gemischter Nutzung. Herzstück der Reform ist die neue Gebietskategorie „Urbanes Gebiet“, die verdichtetes Bauen und Dachaufstockungen erleichtert und eine hohe Durchmischung von Wohnen, Arbeit und Freizeit ermöglicht.

Potenziale und Rahmenbedingungen

Mit seiner Wohnungsbau-Offensive unterstützt der Bund den Neubau in Deutschland. Der Fokus liegt hierbei auf dem bezahlbaren Wohnungsbau, doch besteht auch eine hohe Nachfrage im mittleren Preissegment. In diesem Bereich bieten Dachausbauten und -aufstockungen sehr gute Möglichkeiten. Das ist das Ergebnis der Studie „Potenziale und Rahmenbedingungen von Dachaufstockungen und Dachausbauten“, die im Auftrag des Bundesbauministeriums vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) herausgegeben wurde. Geeignet für Ausbau und Aufstockung sind demnach insbesondere die Wohnungsbestände der 1950er- bis 1970er-Jahre. Da sie ohnehin einen großen Sanierungsbedarf aufweisen, macht es Sinn, im Zuge anstehender Modernisierungen entsprechende Möglichkeiten von Ausbau und Aufstockung zu prüfen. Knapp 40 % des Wohngebäudebestands in der Bundesrepublik entfallen auf diese Gebäudegeneration.

„Wir heben bisher nur einen Bruchteil der Potenziale, die Dachaufstockungen und Dachausbauten bieten“, erläutert BBSR-Direktor Harald Herrmann. „Auf Baumaßnahmen im Bestand entfallen derzeit maximal 10 % an allen fertiggestellten Wohnungen in Deutschland.“ Er gibt jedoch zu bedenken: „Eigentümer wägen sehr genau ab, ob sich ihre Investitionen rechnen. Zudem wirken rechtliche Anforderungen der Länder und Kommunen, wie etwa die Stellplatzpflicht oder die Pflicht, einen Aufzug einzubauen, als Kostentreiber.“

Um die Baukosten zu reduzieren, empfehlen die Autoren der Studie, dass die Kommunen ihre planerischen Ermessensspielräume nutzen und kostentreibende Auflagen in angemessener Weise vermindern sollten. Dies entspricht auch den Forderungen des Bündnisses für bezahlbares Wohnen und Bauen. Da bei Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden mit Belastungen für Bewohner und Nachbarn zu rechnen sei, gelte es zudem, stärker für die Akzeptanz der Baumaßnahmen zu werben.

Wie der exemplarische Blick auf die Situation in deutschen Großstädten zeigt, werden diese Forderungen bzw. Empfehlungen bereits vielfach in einem hohen Maß umgesetzt. Das bedeutet: In Zukunft sind günstige Bedingungen für die Kooperation von Kommunen, Wohnungswirtschaft und Dachhandwerk in Sachen Dachaufstockung und Dachausbau zu erwarten.

Hamburg

Der Hamburger Senat unterstützt im Rahmen seiner Strategie „Mehr Stadt in der Stadt“ zur Nachverdichtung in den inneren Stadtteilen Aufstockungen und Dachausbauten, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Die Rahmenbedingungen für Aufstockungen und damit die Anreize für Bauherren werden aktiv verbessert. Zum Beispiel gibt es im Rahmen der Wohnraumförderung zum Neubau von Mietwohnungen die Möglichkeit, Dachaufstockungen oder -ausbauten fördern zu lassen.

Im Juni 2017 stimmte der Hamburger Senat einer Änderung der Hamburgischen Bauordnung (HBauO) zu, die ein innovatives und vielfältiges Bauen mit Holz ermöglicht. In Hamburg darf Holz zukünftig auch für Bauvorhaben mit einer Höhe von bis zu 22 m – das entspricht etwa sechs bis sieben Stockwerken – genutzt werden. Zuvor war dies nur bei Gebäuden mit bis zu drei Stockwerken möglich. Durch den Einsatz von Holz können Bauteile vorgefertigt werden. Dies beschleunigt den Bauprozess und senkt in vielen Fällen die Baukosten, insbesondere im Geschosswohnungsbau. Auch Bauvorhaben im Bestand, wie zum Beispiel nachträgliche Dachaufstockungen, können von der Zulassung der Holzbauweise profitieren: Im Hinblick auf die statischen Nachweise der vorhandenen Bauteile bietet die Holzbauweise gegenüber schwereren Konstruktionssystemen Vorteile. Bei Maßnahmen der Nachverdichtung erwies sich bisher insbesondere die Pflicht zum Einbau von Aufzügen in Gebäuden oberhalb einer Höhe von 13 m als Kostentreiber. Die geschätzten Baukosten für den Aufzug selbst und notwendige Umbaumaßnahmen im Treppenraum liegen bei etwa 70.000 bis 100.000 Euro pro Gebäude. Um dem entgegenzuwirken, erlaubt es eine weitere geänderte Regelung der Hamburgischen Bauordnung, auf neue Aufzüge oder das Erweitern einer bestehenden Aufzugsanlage zu verzichten, wenn durch Dachausbauten oder Aufstockungen neuer Wohnraum entsteht.

Bereits in der letzten Legislaturperiode wurde mit der Abschaffung der Stellplatzpflicht die HBauO zugunsten einer Erleichterung auch von Dachgeschossaus- und Aufbauten geändert.

Berlin

„In Berlin gibt es ein langfristiges Potenzial im Dachausbau und in der Dachaufstockung von 67.000 Wohnungen“, so die Auskunft der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen. „Zurzeit werden von diesen Potenzialen ca. 700 Wohneinheiten pro Jahr realisiert. Gemeinsam mit den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften werden die Anstrengungen verstärkt, um zusätzlichen preiswerten Wohnraum zu realisieren und die jährlichen Fertigstellungsraten auf 1000 Wohneinheiten pro Jahr zu steigern.“

München

Etwas verhaltener klingt die Einschätzung der Situation in München. Die Landeshauptstadt sieht Ausbau und Aufstockung von Dachgeschossen bereits seit vielen Jahren als einen wichtigen Baustein, um neuen Wohnraum zu schaffen und unterstützt dies zum Beispiel durch Erleichterungen beim Stellplatznachweis bei Bauvorhaben mit gefördertem Wohnungsbau oder bei Wohnbauvorhaben mit Mobilitätskonzepten. Die Potenziale vor allem für den Dachgeschossausbau im innerstädtischen Bereich seien jedoch bereits weitgehend ausgeschöpft, so die Auskunft des Referats für Stadtplanung und Bauordnung. Bereits seit den 1980er-Jahren wurden verstärkt Potenziale in diesem Bereich erschlossen, sodass sich aktuell nur noch wenige ausbaufähige Dachgeschosse finden. „Dachausbau und Dachaufstockungen sind nach wie vor ein wichtiger Baustein der Wohnraumschaffung“, erläutert Cornelius Mager, Leiter der Münchner Bauaufsichtsbehörde. „Gerade ausfinanzierte Grundstücke würden die Möglichkeit bieten, relativ preiswert Wohnraum zu generieren, was wir leider, wenn dann die Endprodukte auf den Markt kommen, nicht immer feststellen können. In einer Stadt wie München sind die Potenziale beim Dachgeschossausbau schon sehr weitgehend ausgeschöpft. Aufstockungen sind aus rechtlichen Gründen nicht überall möglich; häufig scheitern gute Ideen auch am Wohnungseigentumsrecht, das für bauliche Veränderungen Einstimmigkeit voraussetzt. Um den absehbaren Bedarf an bezahlbarem Wohnraum zu decken, sind daher noch ganz andere Strategien nötig.“

Frankfurt

Die Stadt Frankfurt sieht erhebliches Potenzial sowohl im Dachausbau als auch in Dachaufstockungen. Konkrete Zahlen hierfür liegen nicht vor, aber man geht von mehreren Tausend Wohnungen aus, die dadurch entstehen könnten. „Allerdings warnen wir zugleich vor überzogenen Hoffnungen, denn im Einzelfall können die Hürden sehr hoch sein“, erklärt Mark Gellert, Pressesprecher des Dezernats für Planen und Wohnen. „Häufig sprechen planungsrechtliche, bauordnungsrechtliche, statische, feuerpolizeiliche oder andere Hindernisse gegen einen Ausbau oder eine Aufstockung. Je nachdem können auch Nachbarschaftsrechte verletzt werden – Stichwort Abstandsflächen, aber auch Verschattung – oder es kann problematisch sein, bei Aufstockungen einen Stellplatznachweis zu erbringen. In Frankfurt gibt es eine stattliche Anzahl an Zeilenbausiedlungen, bei denen Aufstockungen möglich sind. Da für den Eigentümer die Grunderwerbskosten wegfallen, kann hier grundsätzlich preiswerter Wohnungsbau errichtet werden. Außerdem ist keine zusätzliche Versiegelung bislang unbebauter Flächen notwendig – ein wichtiger ökologischer Aspekt. Aufgrund des anhaltenden Drucks auf den Wohnungsmarkt führt daher der Weg in Frankfurt ganz automatisch auch zu Ausbau und Aufstockung.“

Kooperation für Dachaufstockung und Dachausbau

Fakt ist, dass in ganz Deutschland aufgrund des hohen Planungsaufwands und der unabsehbaren Genehmigungsdauer aktuell nur ein Bruchteil der Potenziale von Dachaufstockungen und Dachausbauten genutzt wird. Positiv ist jedoch, dass die als Kostentreiber wirkenden rechtlichen Hemmnisse von der Politik schrittweise verringert werden. Nun gilt es, die vorhandenen Potenziale auszuschöpfen und die Themen Dachaufstockung und -aufbau durch den intensiven Austausch zwischen Dachhandwerk und Wohnungswirtschaft sowie durch die verstärkte Zusammenarbeit mit den Kommunen voranzutreiben.

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Im mittleren Preissegment bieten Dachausbauten und Dachaufstockungen sehr gute Möglichkeiten.

Der Hamburger Senat unterstützt im Rahmen seiner Strategie „Mehr Stadt in der Stadt“ Aufstockungen und Dachausbauten.

In Berlin gibt es ein langfristiges Potenzial im Dachausbau und in der Dachaufstockung von 67.000 Wohnungen.

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