Der Stadtentwicklungsplan Klima Berlin

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt hat mit dem am 31.05.2011 vom Senat beschlossenen Stadtentwicklungsplan Klima (StEP Klima) erstmals einen räumlichen Orientierungsrahmen mit Zielen, Maßnahmen und Aktionsplanprojekten für das neue Aufgabenfeld Anpassung an den Klimawandel formuliert.

Der fortschreitende Klimawandel stellt das Land Berlin vor gänzlich neue Herausforderungen. Die Projektionen zur Entwicklung des Klimas in der Stadt gehen dabei von folgenden Veränderungen aus:

– im Jahresdurchschnitt steigen die Temperaturen bis zum Jahr 2050 um bis zu 2,5° C

– die Zahl der heißen Tage und Tropennächte wird zunehmen

– die Zahl der Frosttage wird abnehmen

– Hitzeperioden werden häufiger, intensiver und länger auftreten als bisher

– Die Niederschlagsmengen verschieben sich vom Sommer- in das Winterhalbjahr: die Wintermonate werden feuchter, die Sommermonate trockener. Die Häufigkeit von extremen Wetterereignissen, z.B. Starkregenereignisse, wird zunehmen.

Diese Veränderungen werden sich in Berlin insbesondere auf das Bioklima und damit auf die gesundheitliche Situation der Stadtbewohner, auf die städtischen Grün- und Freiflächen, auf die Oberflächengewässer sowie das Leistungsvermögen der Kanalisation auswirken. Da der globale Klimawandel selbst mit ambitioniertesten Klimaschutzzielen nicht mehr umkehrbar ist, muss daher neben dem Klimaschutz – dem das Land Berlin bereits seit längerem mit einer Vielzahl an Aktivitäten Rechnung trägt – die Anpassung an die Folgen des Klimawandels kommunale Daueraufgabe werden. Wesentliches Ziel des StEP Klima (*) ist die Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität der Berlinerinnen und Berliner, damit einhergehend auch der attraktiven Wohn- und Lebensbedingungen in der Innenstadt. Dies schließt beispielsweise die Vermeidung gesundheitlicher Beeinträchtigungen der Bürgerinnen und Bürger durch Hitzebelastungen, die Minimierung von Schäden durch klimawandelbedingte Extremereignisse, die Erhaltung und Optimierung der großen Grün- und Freiflächen Berlins und die Sicherung einer guten Erreichbarkeit neuer Siedlungsflächen durch den schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ein.

Als räumlichen Orientierungsrahmen für eine klimawandelgerechte Stadtentwicklung auf gesamtstädtischer Ebene hat das Land Berlin im Jahr 2011 den Stadtentwicklungsplan Klima beschlossen. Die Anpassung an den Klimawandel wird damit als neue stadtpolitische Aufgabe gesehen. Der StEP Klima konzentriert sich als informelles Instrument der Stadtentwicklung auf die räumlich relevanten und durch die räumliche Planung steuerbaren Folgen des Klimawandels. Er stellt das Wissen über die wahrscheinlichen Folgen des Klimawandels bereit, ermittelt räumlich differenziert, wie sich diese auf Berlin auswirken können und leitet daraus Ziele und Maßnahmen für die Stadtentwicklung und die räumliche Planung ab. Der Schwerpunkt der Maßnahmen liegt auf dem Umbau bzw. der Qualifizierung der Bestandsstrukturen. Dabei verfolgt der StEP einen querschnittsorientierten und integrierten Ansatz. Beispielhaft hierfür ist u.a. die Berücksichtigung der demografischen Entwicklung oder der Leistungsfähigkeit von Infrastrukturen der Stadt. Mit dem Aktionsplan Klima und den dort aufgeführten konkreten Projekten hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt gleichzeitig eine Plattform für einen breiten stadtgesellschaftlichen Diskussionsprozess geschaffen.

Vier Handlungsfelder

Der StEP Klima konzentriert sich auf insgesamt vier raumbezogene Handlungsfelder:

– Bioklima im Siedlungsraum

– Grün- und Freiflächen

– Starkregen und Gewässerqualität

– Klimaschutz

In allen Handlungsfeldern geht es einerseits um die Qualifizierung der Bestandssituation, andererseits um die klimawandelgerechte Entwicklung von Neubauvorhaben und größeren Projekten der Stadtentwicklung.↓

Betroffenheit Berlins

Grundsätzlich ist das gesamte Stadtgebiet von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, dies allerdings in unterschiedlicher Ausprägung und Intensität. Besonders betroffen ist das Gebiet innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings. Hier befinden sich Siedlungsräume, die bereits heute eine bioklimatisch ungünstige Situation am Tag und/oder in der Nacht aufweisen. Hierzu gehören hoch versiegelte Stadtstrukturtypen wie z.B. Blockbebauungen der Gründerzeit oder Gewerbegebiete. Diese Kulisse wird sich bei unterlassenen Anpassungsmaßnahmen zukünftig räumlich weiter ausdehnen. Neben besonders dichten baulichen Situationen sind die innerstädtischen Wohn- und Mischgebiete häufig auch von einer hohen Einwohnerdichte, einem überdurchschnittlich hohen Anteil an über 65-Jährigen, re­­lativ wenigen Grünflächen sowie fehlenden Straßenbäumen geprägt. Auch dies sind Faktoren, die eine hohe Empfindlichkeit ge­­genüber bioklimatischen Belastungen bedingen.

Vom Klimawandel besonders betroffen sind auch die innerstädtischen Grün- und Freiflächen, da sie bei Wasserknappheit und gleichzeitig höherer Verdunstung im Sommer ihre Funktionen für den klimatischen Ausgleich bioklimatisch belasteter Siedlungsräume und die Erholung nur noch eingeschränkt erfüllen können. Prioritärer Handlungsbedarf wird fer­­ner in der Bewältigung kräftiger Niederschläge und im Erhalt der Gewässerqualität gesehen. Hier wirkt sich einerseits der hohe Versiegelungsgrad der Flächen, andererseits die vorhandene Mischkanalisation aus. Wird deren Kapazität bei Starkregen überschritten, werden nicht mehr über die Kanalisation abführbare Abwässer ungeklärt in die Flüsse Berlins eingeleitet.

Maßnahmen nach Handlungsfeldern

Um die Ziele des StEP Klima zu erreichen, sollen im Wesentlichen No-Regret-Maßnahmen, d.h. Maßnahmen, die unabhängig von der sich tatsächlich einstellenden klimatischen Entwicklung bereits heute dazu beitragen, die Funktionsfähigkeit städtischer Strukturen zu erhalten, umgesetzt werden. Als Handlungskulisse wurden hierzu Stadträume mit prioritärem Handlungsbedarf definiert. Wesentliche Handlungsfelder sind:

Bioklima im Siedlungsraum

– Erhöhung der Rückstrahlung (Albedo) von Gebäuden und befestigten Oberflächen durch Einsatz gering wärmeleitender Materialien und heller Farben

– Begrünung von Fassaden, Dächern und (Blockinnen-)Höfen

– Erhaltung und Neupflanzung schattenspendender Straßen- und Stadtbäume

– Entsiegelung von Hofflächen und geeigneten Flächen im Straßenraum (z.B. Stellplätze)

– Bodenentsiegelung zur Verringerung des Oberflächenabflusses

– Schaffung, Qualifizierung und Vernetzung von Grün- und Freiflächen

– Erhaltung stadtklimatisch bedeutsamer Grünflächen und Kaltluftentstehungsgebiete.

Die modellhafte Überprüfung der Wirksamkeit un­­ter­­schiedlicher Maßnahmen hat gezeigt, dass insbesondere der hitzeangepasste Umbau des Gebäudebestandes, die Bodenentsiegelung, der Erhalt und die Aufwertung wohnungsnaher Grünflächen sowie die Pflanzung von Straßen- und Hofbäumen eine stark temperaturminimierende Wirkung haben. Eine besonders hohe Wirkung kann mit Maßnahmenkombinationen, z.B. im Rahmen von Hofbegrünungen, erreicht werden.

Grün- und Freiflächen

– Ausbau des Grünflächenmanagements

– Schaffung und Vernetzung von Grün- und Freiflächen (Kaltluftleitbahnen / Kaltluftentstehungsgebiete)

– Erhaltung und Erweiterung des Bestands an Straßen- und Stadtbäumen sowie Optimierung von deren Pflege

– Verwendung von trockenheitsresistenten bzw. winterharten Gehölzen in Verbindung mit einem dezentralen Regenwassermanagement (Bewässerungsanlagen)

– Fortsetzung der naturgemäßen Waldbewirtschaftung und des Waldumbaus hin zu naturnahen Mischwäldern

– Wassermanagement für Moore und Feuchtgebiete.

Berlin muss im Zusammenwirken einer Fülle von Einzelmaßnahmen seine Grün- und Freiflächen klimawandelgerecht optimieren.

Starkregen und Gewässerqualität

– Ausweitung der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung

– Stauraumerweiterungen in der Mischkanalisation

– Aus- und Neubau von Regenwasserbewirtschaftungsanlagen in der Trennkanalisation

– Schutz und Renaturierung der Uferbereiche der Berliner Flüsse und Seen

– Umsetzung der im Rahmen der Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie erforderlichen Maßnahmen

– Entsiegelung von Flächen (unter Berücksichtigung des Grundwasserschutzes).

Die wichtigste Aufgabe in diesem Bereich ist, die Qualität der Ge­­wässer zu erhalten und langfristig ihre ökologischen Funktionen zu verbessern.

Klimaschutz

Das übergeordnete Ziel des Landes Berlin zur Reduzierung der CO2-Emissionen wird durch einen Drei-Säulen-Ansatz verfolgt: Energieeffizienz steigern, Energieverbrauch senken und Nutzung erneuerbarer Energien statt fossiler Energieträger fördern. Der StEP Kli­­ma baut hierauf auf und beschränkt sich ergänzend auf die Darstellung raumbezogener Möglichkeiten des Klimaschutzes. Diese sind:

– Erhaltung und Stärkung der natürlichen Treibhausgasspeicher (Moo­­re und Feuchtgebiete)

– Vermeidung von zunehmendem Verkehrsaufkommen (motorisierter Individualverkehr) durch vorrangige Neuausweisung von Baugebieten mit gutem öffentlichen Personen-Nahverkehr-Anschluss.

Umsetzung

Der StEP Klima ist kein abschließend erstelltes Planungsinstrument, sondern der Ausgangspunkt eines diskursiven Anpassungsprozesses, in dessen Kontext weitere Planungen und Vertiefungen erforderlich sind.

Der StEP Klima benennt konkrete Projekte, die einen prioritären Handlungsbedarf mit ho­­hem Vorbild- und Illustrationscharakter aufweisen.

Berlin arbeitet mit dem StEP Klima, der in der Zusammenschau wichtige Steuerungsaufgaben formuliert, daran, die Stadt im Abgleich mit den klimatischen Herausforderungen zu­­kunftsfähig zu machen.

Da der globale Klimawandel nicht mehr umkehrbar ist, muss daher neben dem Klimaschutz die Anpassung an die Folgen des Klimawandels kommunale Daueraufgabe werden.

In allen Handlungsfeldern geht es einerseits um die Qualifizierung der Bestandssituation, andererseits um die klimawandelgerechte Entwicklung von Neubauvorhaben und größeren ­Projekten der Stadtentwicklung.

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