Deutschland baut klimaneutral
5 Jahre Effizienzhaus Plus mit Elektromobilität
Gesucht wird: ausreichende, umwelt- und klimaverträgliche Energie für eine wachsende Bevölkerung und deren steigende Bedürfnisse. Gefordert wird: Politik und Gesellschaft sind zum verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen verpflichtet.
Ein wichtiger Ansatzpunkt ist die „Energieeffizienz“. In besonderer Verantwortung stehen in Deutschland bei diesem Thema der Bau- und Verkehrsbereich mit zusammen rd. 80 % aller direkten und indirekten CO2-Emissionen und rd. 70 % des Endenergieverbrauchs. Gefordert sind wirtschaftlich praxisnahe Lösungen ohne Komfortverzicht zum nachhaltigen Ressourceneinsatz für diese zentralen Lebensbereiche.
Im Rahmen der Bauforschungsinitiative Zukunft Bau entwickelte das Bundesbauministerium eine neue nachhaltige Gebäudegeneration von Effizienzhäusern Plus mit Elektromobilität als einen Lösungsansatz zu diesen Fragen. Am 7. November 2011 wurde in Berlin ein erster bundeseigener Prototyp dieser neuen Gebäudegeneration durch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel als erstes klimaneutrales Modellvorhaben im Gebäudebereich eröffnet.
Das Projekt zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
Das Vorhaben dient als Forschungs-, Anschauungs- und Wohngebäude sowie als Auftaktprojekt für das zeitgleich vom Bundesbauministerium bekanntgegebene Förderprogramm für Effizienzhaus Plus Wohngebäude. Diese Vorhaben bilden das Netzwerk Effizienzhaus Plus, das den zeitnahen fachübergreifenden Erfahrungsaustausch mit allen an diesem Programm Beteiligten fördert.
Wissenschaftlich begleitet liefern alle Netzwerkgebäude im Praxistest Informationen über ihre Marktfähigkeit, integrale Planung, moderne Technologien und über die Schnittstelle „Mensch und Technik“. Heute gewähren die insgesamt 36 Effizienzhäuser Plus, davon 30 Einfamilien- und 6 Mehrfamilienhäuser, mit ihrer Vielfalt in Planung, Material und Technik wertvolle Einblicke in Anforderungen und in Lösungsansätze zur Umsetzung dieser hocheffizienten Gebäudegeneration der Zukunft.
Nach fünf Jahren stimmen erste zentrale Ergebnisse aus der sozial- und technisch-wissenschaftlichen Begleitforschung optimistisch:
Sozialwissenschaftliche Erkenntnisse
Hoher Wohnkomfort und einfache Bedienbarkeit der eingesetzten innovativen Technik wie z. B. „smart metering“ oder Rückmeldetechniken zu aktuellen Verbrauchswerten zeichnen die meisten Netzwerkhäuser aus. Hohes Ansehen, Weiterentwicklung in der gestalterischen Einbindung Energie erzeugender Systeme in die Architektur führen zu steigender Nachfrage nach diesem Gebäudestandard. Bis zu 5 % beträgt der Anteil der Effizienzhäuser Plus im Fertighausbau.
Technisch-wissenschaftliche Erkenntnisse
Über 90 % der Modellvorhaben erzielen bei uneingeschränkter Planungs-, Material und Technikfreiheit ein wirtschaftlich vertretbar energetisches Plus mit einer Amortisationszeit der Mehrkosten von 20 bis 25 Jahren.
Das Plus der Effizienzhäuser ist mit einem eigens für diese Gebäudegeneration erarbeiteten Berechnungstool unter www.effizienzhaus-plus-rechner.de/index.html gemäß § 17 der Energieeinsparverordnung (EnEV) anschaulich darstellbar.
Die mittlere energetische Qualität der Modellvorhaben liegt schwerpunktmäßig beim KfW-Effizienzhaus 55 Standard. Passivhausstandard ist nicht zwingend notwendig.
Die regenerative Energiegewinnung basiert überwiegend auf solarer Energiegewinnung vorwiegend auf Photovoltaik in Verbindung mit Wärmepumpentechnologien; Windkraftanlagen, saisonale Speicherung von Solarwärme oder die Nutzung von Abwasserwärme oder der Einsatz von Blockheizkraftwerken und Brennstoffzellen runden die vielfältigen Konzepte ab.
Der Strombedarf für die Anlagentechnik (Hilfsenergie für Antriebe und Automation) und der Endenergieverbrauch für Beleuchtung und Haushaltsstrom fiel höher aus als vorherberechnet. Der rechnerische Pauschalwert für den Effizienzhaus Plus Haushaltstromverbrauch im Einfamilienhausbereich wird um ca. 20 % auf 3.200 kWh/a angehoben.
Insgesamt unterschreitet der Effizienzhaus Plus Ansatz mit seiner aktiven Einbindung der erneuerbaren Energien im Gebäude den Niedrigstenergiegebäudestandard der Europäischen Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie 2010/31/EU.
In fünf Jahren hat das Gebäude durch seinen Effizienzhaus Plus Ansatz im Vergleich zu einem Standardgebäude nach gültigem EnEV Ansatz rd. 40 Tonnen CO2 eingespart.
Folgende Empfehlungen zur Realisierung von Effizienzhäusern Plus im Wohngebäude können ausgesprochen werden: Überdimensionierung der Photovoltaikanlage um 10 bis 20 %, um sicher ein „Stromertrag-Plus“ zu erhalten. Dabei benötigt ein KfW-Effizienzhaus 55 etwa 0,5 m² Photovoltaikflächen je m² Wohnfläche, um zu einem Effizienzhaus Plus Haus aufgerüstet zu werden.
Hochenergieeffiziente Gebäude benötigen neben hochenergieeffizienten Haushaltsgeräten (A+++) auch ein Monitoring, das kontinuierlich die Effizienz der eingesetzten Anlagentechniken sowie der allgemeinen Verbräuche im Haus analysiert und Verbesserungen (Technik, Planung, Haushaltsgeräte, Verbraucherverhalten) einleiten kann.
Die investiven Mehrkosten für ein Effizienzhaus Plus im Vergleich zu den erzielbaren Betriebskosten stehen in einem wirtschaftlich verträglichen Verhältnis. Auf Grund schwankender Einspeisevergütungen sind wirtschaftliche Betrachtungen immer individuell unter den jeweils aktuellen Randbedingungen zu führen.
In fünf Jahren liefen zudem am Bundesmodellvorhaben mehrere Begleitforschungen, die weiterführende Informationen zu diesem Prototypen liefern sollten wie zum Beispiel Stromnetzstabilisierung, Dimensionierung von Hausbatterien oder Wärme und Feuchtetransporte in hochgedämmten Außenbauteilen.
Hauptforschungsergebnis ist der aktuell vorliegende wissenschaftlich geführte Nachweis, dass Effizienzhäuser Plus das Energiekonzeptes der Bundesregierung von 2010 stärken und aktiv zum Klimaschutz im Gebäudebereich beitragen können. Die wissenschaftliche Begleitforschung rechnet bei einer zukünftigen Marktdurchdringung der Effizienzhäuser Plus von 15 % im Neubau sowie in der Sanierung potentiell mit CO2-Einsparungen in Höhe von über 10 Mio. t CO2,äq, ausgehend von 55 kg CO2,äq/m²a zusätzliche Einsparungen gegenüber EnEV-Anforderungen durch energieeffiziente hochwertige Gebäudeflächen.
Eine zukünftig breite Markteinführung dieser hocheffizienten Gebäudegeneration im Wohn- und Nichtwohnbereich ermöglicht auch weitere notwendige Informationen für zukunftsgerechtes Bauen. So weisen bei der Mehrheit der Modellvorhaben vielfältige Nachjustierungen im ersten Monitoringjahr auf bestehende Entwicklungspotentiale in den Bereichen Planung und Technik innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette Bau hin.
Besonders gefordert sind hierbei innovative Kommunikationslösungen. Alle Forschungsvorhaben zeigen, dass sich nachhaltiges Nutzerverhalten allein über eine direkte Stromverbrauchrückmeldung an die Nutzer entwickelt. In diesem Zusammenhang ist auch die intelligente Kommunikation zwischen Gebäude und Haushaltsgeräten sowie zwischen Gebäude und Elektromobilen auszubauen. Auch derzeit noch offene Fragen zur Stromspeicherung und -vernetzung, dem sinnfälligen Austausch der Energiegewinne mit anderen Gebäuden bzw. im Quartier, warten auf wirtschaftlich vertretbare Lösungen. Zu Letzterem werden aufschlussreiche Erkenntnisse aus zwei Kooperationsprojekten des Netzwerkes Effizienzhaus Plus in der Altbausanierung innerhalb der nächsten zwei Jahre erwartet.
Wie geht es weiter?
Das Effizienzhaus Plus des Bundes in Berlin wird auch weiterhin als Informations- und Kompetenzzentrum für zukunftsgerechtes Bauen Interessierten zur Verfügung stehen.
Die Förderung von Effizienzhäusern Plus im Wohnungsbau wird für Geschosswohnungsbauten fortgeschrieben und zusätzlich auf Nichtwohngebäude erweitert. Seit 2015 läuft das Förderprogramm des Bundesbauministeriums für Effizienzhaus Plus Bildungsbauten. Wo wenn nicht bei zukünftigen Generationen kann effektiver und besser für Gebäude der Zukunft geworben werden.