Effizienzhaus Plus in Schulen: Halbzeit bei den Messungen
Effizienz ist die unabdingbare Voraussetzung zur Dekarbonisierung und die Umstellung auf saubere, sichere Energie im Gebäudebereich. Forschungs-Modellvorhaben in Effizienzhaus Plus-Bildungsbauten des Bundesbauministeriums zeigen, wie Effizienz praxistauglich und mit hoher Lebensqualität geht.
Der Klimawandel und damit verbunden die Klimaschutzziele Deutschlands sowie aktuell die hohen Energiepreise als Folge des Kriegs in der Ukraine machen es deutlicher denn je: Wir müssen den Energieverbrauch und die daraus resultierenden Treibhausgasemissionen unserer Gebäude deutlich senken. Sieben Bildungsbauten im Effizienzhaus Plus-Standard demonstrieren, was hier möglich ist. Sie haben als Ziel in der Jahresbilanz einen energetischen Überschuss zu erreichen, also mehr Energie (aus lokalen erneuerbaren Quellen) zu erzeugen, als sie verbrauchen. Ihre praktische Umsetzung wird derzeit messtechnisch validiert.
Die Forschungsinitiative Effizienzhaus Plus
Das energiesparende Bauen hat in Deutschland eine lange Tradition. Seit mehr als 40 Jahren wird am Gebäude der Zukunft geforscht, das klimaneutral und technologieoffen betrieben werden kann. Dabei wurden die Gebäude so weit fortentwickelt, dass sie nicht mehr Energieverbraucher, sondern Energieerzeuger sind. Das Effizienzhaus Plus nach der Definition des Bundesbauministeriums ermöglicht, dass mit ihm im Laufe eines Jahres mehr Energie aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird, als das Gebäude und seine Nutzer verbrauchen. Die Forschungsinitiative Effizienzhaus Plus wurde vom Bundesbauministerium im Jahr 2011 initiiert. Unter der Projektträgerschaft des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) entstanden zunächst insgesamt 36 Wohngebäude im Effizienzhaus Plus-Standard als Einfamilienhäuser, Mehrfamilienhäuser und Quartiere und das sowohl als Neubauten wie auch als Sanierungen. Nach deren wissenschaftlich validierter Praxistauglichkeit wurde im Jahr 2015 die Initiative auf Nichtwohngebäude (Bildungsbauten) erweitert. Die sieben Bildungsbau-Modellvorhaben umfassen Grundschulen, Gymnasien, Schulzentren und Hochschulgebäude (siehe Fotocollage). Sie werden genauer beschrieben auf den Internetseiten zum Forschungsprogramm Zukunft Bau [1] und in der Broschüre 5 Jahre Bildungsgebäude im Effizienzhaus Plus-Standard des BBSR [2].
Projektteams und wissenschaftliche Begleitforschung
Die visionären öffentlichen Bauherren haben sich für die Bauweise Effizienzhaus Plus-Standard entschieden, um die Betriebskosten zu reduzieren und durch die Einsparung von Energie die natürlichen Ressourcen zu schonen. Mit den Pilotvorhaben wird die Generation von morgen vorbildlich an diesen innovativen hocheffizienten Gebäudeenergiestandard des Bundesbauministeriums herangeführt. Die öffentliche Hand wird dabei auch ihrer Vorbildfunktion gerecht. Die Bauherren werden in den Projekten durch integrale Planungsteams unterstützt. Nach der Realisierung der Bauvorhaben erfolgt ein zweijähriges Monitoring zur Evaluierung durch unabhängige Messteams. Die technische Begleitforschung der Forschungsinitiative, ein Team des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik, führt eine vergleichende Querauswertung der Planungskennwerte, aber auch der Monitoringdaten durch. Ergänzend erfolgt eine sozialwissenschaftliche Begleitung durch com.X.
Erreichen die Gebäude den Effizienzhaus Plus-Standard in der Praxis?
Mit Hilfe des technischen Monitorings wird überprüft, ob die vorherberechneten Energiebedarfswerte und erzeugten Energiemengen aus der Planungsphase sich im realen Betrieb einstellen. Die Sensorik dafür wird parallel zur Bauausführung installiert. In der Querauswertung der Begleitforschung liegt der Fokus auf den Energieverbräuchen der Gebäude und auf der erzeugten Energie auf dem Grundstück. Bei der Gegenüberstellung der beiden Energiemengen erkennt man, ob der geplante Überschuss in der Energiebilanz erreicht wird und das Gebäude auch den Praxistest für ein Effizienzhaus Plus bestanden hat.
Derzeit arbeitet die Begleitforschung an einer vergleichenden Auswertung des Raumkomforts in den Gebäuden, bei der repräsentative Klassenzimmer bezüglich der Raumlufttemperatur und der CO2-Belastung analysiert werden.
Ausblick
Die angestrebten Energie- und Klimaziele in Deutschland benötigen ambitionierte Ansätze wie den technologie-offenen Gebäudestandard Effizienzhaus Plus des Bundesbauministeriums. Neben dem end- und primärenergetischen Überschuss erreichen diese Gebäude in der Jahresbilanz im Betrieb auch negative Treibhausgasemissionen. Damit wirken sie als Treibhausgassenken und können Teile der Emissionen von Bestandsgebäuden ausgleichen. Jedoch konnte der Effizienzhaus Plus-Standard auch bereits bei der Sanierung von Gebäuden eingesetzt und messtechnisch validiert werden. Damit ist er ein wichtiger Beitrag für die Klimastrategie des Gebäudesektors und unterstützt die Anstrengungen für saubere, sichere und bezahlbare Energie im Gebäudebereich.
Auch der Entwurf der Verschärfung der europäischen Gebäuderichtlinie (EPBD) [4] sieht Nullemissionsgebäude in der Betriebsphase als Anforderung für Neubauten ab 2027 (öffentliche Gebäude) bzw. 2030 (alle Neubauten) vor. Das Effizienzhaus Plus-Modellvorhaben des Bundesbauministeriums zeigt schon heute erste Lösungsansätze, wie diese Forderung national umgesetzt werden kann.
Zusätzlich zu den Wohngebäuden und den ersten Bildungsbauten sollten mit weiteren Modellvorhaben im Effizienzhaus Plus-Standard, wie z. B. öffentliche Verwaltungsgebäude und Quartiersansätze, neue wissenschaftliche Erfahrungen zur Weiterentwicklung des Gebäudebereiches hin zur Klimaneutralität 2045 gewonnen werden. Schlagworte sind hier neben der Steigerung der Effizienz, dem Einsatz erneuerbarer Energien und der CO2-Minderung insbesondere die Themen Bezahlbarkeit und Nachhaltigkeit. Im Bereich der kleinen und mittleren Wohngebäude und der Schulen könnte der Standard - wie im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung [5] verankert -, auch unterstützt durch Fördermaßnahmen, als Roll-out vermehrt in der Praxis umgesetzt werden.
Literatur
[1] Zukunft Bau: Webseite der Forschungsinitiative Effizienzhaus Plus. Verfügbar unter www.zukunftbau.de
[2] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (Hrsg.): 5 Jahre Bildungsgebäude im Effizienzhaus Plus-Standard – Erfahrungen aus der Begleitforschung. Broschüre, November 2020. ISBN 978-3-87994-272-5.
[3] Bundestag: Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz – GEG). Bundesgesetzblatt Jahrgang 2020, Teil I, Nr. 37, Bonn, 13. August 2020.
[4] Europäische Kommission: Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on the energy performance of buildings (recast). Brüssel, 15.12.2021. Verfügbar unter www.eur-lex.europa.eu. Zuletzt abgerufen am 04.07.2022.
[5] SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP: Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. Koalitionsvertrag, 2021. Verfügbar unter www.bundesregierung.de. Zuletzt abgerufen am 04.07.2022.
Definition Effizienzhaus Plus
Das Effizienzhaus Plus-Niveau ist erreicht, wenn sowohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf als auch ein negativer Jahres-Endenergiebedarf vorliegen. Alle sonstigen Bestimmungen des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sind darüber hinaus einzuhalten.
Die Nachweise sind nach der DIN V 18599:2018 zu führen. Der netz-eingespeiste Strom ist analog dem Verdrängungsstrommix zu bewerten. In Ergänzung zur Nachweisprozedur des GEG müssen die End- und Primärenergiebedarfswerte für den Nutzerstrom in der Berechnung berücksichtigt werden. Hierfür wird ein Strombedarf von 20 kWh/(m²beh. NGF*a) für Wohngebäude und je nach Energieeffizienz der verwendeten Geräte von 10 bzw. 15 kWh/(m²beh. NGF*a) für Bildungsbauten angesetzt. Die Bilanzgrenze für die Einbeziehung der Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien ist das Grundstück.