Energieeffizient wohnen im Mehrfamilienhaus

Ein Mehrfamilienhaus in Rottweil zeigt eindrucksvoll, wie der deutsche Gebäudebestand fit gemacht werden kann für die Zukunft. Mit geringerem Energieverbrauch und gesteigertem Komfort.

Das Haus aus dem Jahr 1957 wurde im Rahmen des Modellvorhabens Effizienzhäuser, das die Deutsche Energie-Agentur (dena) 2006 in Zusammenarbeit mit dem Bundesbauministerium (damals Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) und der KfW Bankengruppe durchgeführt hat und mittlerweile seit über zehn Jahren fortführt, umfassend energetisch modernisiert. Im ­Rahmen dieses Modellvorhabens wurden etwa 400 Neubau- und Sanierungsvorhaben umgesetzt, die für ihre Zeit einen besonders anspruchsvollen Energieeffizienz-Standard erfüllen. Die neuesten Häuser der 5. Pro­jektphase („Auf dem Weg zum EffizienzhausPlus“) erreichen sogar die Standards Effizienzhaus 40 und 55.

Das Mehrfamilienhaus in Rottweil ist ein typisches Beispiel für den Gebäudebestand in Deutschland: Erbaut in den späten 50er Jahren und ohne nennenswerten Wärmeschutz, hatte es vor der Sanierung einen recht hohen Energieverbrauch von ca. 8.000 Liter Heizöl pro Jahr auf den insgesamt 357 m² Wohnfläche (bzw. 223 kWh pro m² und Jahr). Um das Haus zukunftsfähig zu machen, entschloss sich die Stadtbau Rottweil, ein Tochterunternehmen der Stadt und Eigentümerin des Gebäudes, zur energetischen Komplettsanierung.

Das Besondere: ein Blockheizkraftwerk

Damit aus dem Haus mit hohem Energieverbrauch ein Effizienzhaus 85 werden konnte, mussten viele Maßnahmen umgesetzt werden: Außenwände und Keller wurden gedämmt, neue Fenster eingefügt und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung installiert. Das Haus wurde um eine Etage aufgestockt, so dass jetzt als angenehmer Nebeneffekt deutlich mehr Wohnfläche zur Verfügung steht. Die alte Heizungsanlage wurde durch ein Erdgas-Blockheizkraftwerk (BHKW) ersetzt, das sowohl Wärme als auch Strom liefert. Bei der Stromproduktion fällt durch das Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung Abwärme an, die im Gebäude zum Heizen und für die Warmwasserbereitung genutzt wird. So kann die benötigte Energiemenge für Wärme und Strom sehr effizient selbst er­­zeugt werden.

Der erzeugte Strom wird in Rottweil vorrangig direkt im Gebäude genutzt und an die Bewohner verkauft – zu geringeren Preisen als auf dem Markt üblich. Dies ist finanziell attraktiver als die reine Einspeisung ins öffentliche Netz. Nur der Überschuss wird ins öffentliche Stromnetz eingespeist. Die Nutzung von Kraft-Wärme-Kopplung bietet sich gerade für Gebäude mit einem relativ konstant hohem Wärmebedarf an. Die Anschaffung lohnt sich ab einer gewissen Größe, wie etwa bei dem Rottweiler Mehrfamilienhaus. Durch die parallele Strom- und Wärmeerzeugung profitieren Mieter doppelt von dem BHKW.

Wer investiert, der spart – Energie und Kosten

Um zu entscheiden, ob sich eine energieeffiziente Sanierung lohnt, müssen die Kosten genau differenziert werden. Kosten für die energetisch relevanten Bauteile müssen getrennt von denjenigen betrachtet werden, die zum Beispiel für Innenwände und die Ausstattung des Hauses anfallen. Denn diese Kosten bewirken keine Energieeinsparung. Dementsprechend können sie auch nicht in die Wirtschaftlichkeitsberechnung einbezogen werden. Die Sanierung zum Effizienzhaus 85 ist zwar in der Erstinvestition teurer als die sogenannte „Minimalvariante“ mit den Maßnahmen, die ohnehin hätten durchgeführt werden müssen, um das Haus auf einen zeitgemäßen Stand zu bringen.  Dazu gehört im Beispiel des Mehrfamilienhauses in Rottweil der Dachumbau, der aus Komfort- und wirtschaftlichen Gründen durchgeführt wurde. Bei den Fenstern ist in der Minimalvariante ein Aufarbeiten und Dichten angesetzt, um die Kosten gegenüber den neu eingebauten Zweischeiben-Fenstern abzubilden. Der Kostenunterschied der beiden Varianten liegt insgesamt bei etwa 77.000 Euro nach Abzug der Förderung (gemäß heutiger Förderung der KfW im Zuschuss-Programm 430).

Den höheren Anfangsinvestitionen steht beim Effizienzhaus 85 ein deutlich geringerer Energieverbrauch gegenüber, so dass die Mieter konstant weniger für ihre Energie zahlen müssen. Die Besonderheit in Rottweil: Bei der Betrachtung der Wirtschaftlichkeit spielt nicht nur die Einsparung durch den geringeren Wärmeverbrauch eine Rolle, sondern auch der erzeugte Strom durch das BHKW. Dieser selbst erzeugte Strom ist derzeit um rund 7 Cent günstiger als der Strom, der im öffentlichen Netz gekauft werden muss. Die Bewohner sparen damit bei jeder verbrauchten Kilowattstunde. Nach etwa 23 Jahren hat sich der anfängliche Mehraufwand amortisiert, weil die Ausgaben für Energie bei der Minimalvariante um ein Vielfaches höher liegen würden. Nach weiteren sieben Jahren, also 30 Jahre nach Sanierung, hat sich das Plus bereits auf rund 33.000 Euro erhöht.

Das Beispiel zeigt: Das Haus wird zu einem Gesamtsystem – Heizung, Gebäudehülle und Strom werden so aufeinander eingestellt, dass sich höhere Investitionskosten lohnen. Und mit der Modernisierung haben sich nicht nur die Energiekosten reduziert. Das Gebäude ist jetzt deutlich attraktiver für die Mieter geworden. Die Summe aus Komfort und Behaglichkeit, modernen Räumen und geringen Energiekosten werden für das Haus auch in Zukunft ein Pluspunkt auf dem Wohnungsmarkt sein.

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