Für eine
europäische Politik mit Maß
„Moment mal!“: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) bezieht Stellung.
Ein neues Europäisches Parlament ist gewählt. Die Immobilienwirtschaft blickt aufmerksam auf die Wahlergebnisse. Denn die Zusammensetzung des neunten direkt gewählten Europäischen Parlaments und dessen zukünftige Gesetzgebung werden auch Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der deutschen Immobilienbranche haben.
Zwar bewegen wir uns im Alltag in einem nationalstaatlichen Rahmen und arbeiten mit nationalen Gesetzen, Verordnungen und Vorschriften. Dahinter stehen jedoch in vielen Fällen supranationale Regeln und europaweite Standards – die Gesetze der Europäischen Union. Dank der zentralisierenden und regulierenden Funktion der EU besteht zwischen den 28 Mitgliedsstaaten mit ihren heterogenen Bedingungen und Normen ein gemeinsamer europäischer Binnenmarkt. Manchmal jedoch schießt das europäische Parlament über das Ziel hinaus.
So wurde vor einem Jahr, am 25. Mai 2018, die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die 2016 vom Europäischen Parlament beschlossen worden war, verpflichtend. Seitdem gelten für alle Unternehmen, die personenbezogene Daten erheben und verarbeiten, verschärfte Pflichten. Auch viele Unternehmen der Immobilienbranche waren vom Inkrafttreten der DSGVO betroffen. Die Folge war und ist nach wie vor leider ein großes Maß an Verunsicherung über deren korrekte Umsetzung, gerade bei vielen kleinen und mittelgroßen Immobilienunternehmen.
Man denke beispielweise auch an die Wohnimmobilienkreditrichtlinie. Sie wurde 2014 vom Europäischen Parlament in Reaktion auf die von einer Immobilienkreditkrise ausgelösten Finanzmarktkrise beschlossen und 2016 in nationales Recht umgesetzt. Unter anderem wurden die Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung von Darlehensnehmern angehoben. Gewiss ist das im Interesse des Verbraucherschutzes und der Finanzmarktstabilität. Jedoch werden viele Haushalte davon abgehalten, die aktuelle Niedrigzinsphase zu ihrem Vorteil zu nutzen.
Weitere Beispiele für widerstreitende Interessen sind leicht gefunden. Für Projektentwickler und Bestandshalter gelten Energieeffizienzvorschriften, die den Umweltschutz auf Kosten der Wirtschaftlichkeit befördern. Die Folge in Deutschland sind steigende Baupreise. Vom Verbraucherwiderrufsrecht, das die Rechte von Verbrauchern gestärkt hat, sind Makler, aber auch Verwalter und Vermieter betroffen. In anderen Bereichen, wo eine maßvolle Regulierung im Sinne des Verbraucherschutzes wäre, macht die EU keine Vorgaben. So unterliegen Immobilienmakler in Frankreich sehr hohen Anforderungen hinsichtlich ihrer Berufszulassung, in Deutschland so gut wie gar keinen.
Ich will mit diesen Beispielen nicht in den Kanon der Beschwerden über die Regulierungswut der EU einstimmen. Im Gegenteil. Die Europäische Union und der Binnenmarkt mit seinen Regulierungen bilden die Grundlage für unseren Wohlstand. Aber wir sehen Nachbesserungsbedarf. Allgemein muss die Immobilienwirtschaft von der EU als ein bedeutender Urheber der nationalen und europäischen Wertschöpfung anerkannt werden. Um diese Rolle weiter zu erfüllen, braucht es allgemeine, klare und einfache Regeln, die Spielraum für die spezifischen Bedürfnisse der Immobilienwirtschaft lassen. Regulatorische Eingriffe sind notwendig, sollten sich aber auf ein maßvolles und behutsames Minimum beschränken. Das wünscht sich die Immobilienwirtschaft vom neuen EU-Parlament.