Innovativer und nachhaltiger Wohnraum
„Hoffnungshäuser“ heißt ein modularer Baukasten. Es handelt sich dabei um ein System zur schnellen und qualitativ hochwertigen Planung von bezahlbarem Wohnraum. Seine Besonderheit besteht darin, dass zur Realisierung wenige Elementmodule nach einem klaren Grundprinzip kombiniert werden.
Ausgangspunkt für die Entwicklung der „Hoffnungshäuser“ war zwar die Flüchtlingskrise, doch die Gebäude entsprechen dem Standard des Sozialen Wohnungsbaus. Sie sind kostengünstig mit Baukosten ab 1800 Euro/m² Wohnfläche realisierbar und durch multifunktionale Grundrisse für unterschiedliche Nutzergruppen konzipiert. Sechs Gebäude sind bereits fertiggestellt, fünf weitere befinden sich im Bau und acht in konkreter Planung, eine Vielzahl von Standorten ist in der Voruntersuchung. Die weiche, geschwungene und positive Formensprache kontrastiert zur funktionalen und rationalen Containerarchitektur vieler temporärer Flüchtlingsunterbringungen. Sie stärkt sowohl die Identifikation der Bewohner mit ihrem neuen Zuhause als auch die Akzeptanz innerhalb der Nachbarschaft.
Das Gebäude ist als Zwei- oder Dreispänner mit innenliegendem Treppenhaus organisiert. Ein Schlafraum hinter dem Treppenhaus fungiert als Schaltraum, wodurch geschossweise unterschiedliche Wohnungsgrößen entstehen. Zentrales Element jeder Wohnung ist eine großzügige Wohnküche. Sie trägt dazu bei, die Verkehrsflächen zugunsten nutzbarer Wohnfläche zu minimieren. Eine Reduzierung tragender Innenwände ermöglicht eine einfache Modifikation des Grundrisses im Lebenszyklus für wechselnde Nutzergruppen. Den effektiv geplanten Flächen des Innenraums stehen großzügige Balkone über die komplette Längsseite des Gebäudes gegenüber. Diese sind Fortführung der Wohnküchen in den privaten Außenraum und schaffen eine vielfältig nutzbare Übergangszone zwischen privatem und öffentlichem Raum.
Eine vertikale Holzleistenfassade mit unterschiedlichen Leistenabständen strukturiert die Fassade in horizontale Bänder, welche Gebäude und Balkone kontinuierlich umspielen. Flächenbündige Blendrahmen um unregelmäßig positionierte Fenster bilden Brandriegel aus zementgebundener Spanplatte. Dieselbe Oberfläche bekleidet ebenso die Balkonfassade und das Treppenhaus. Innen erzeugen konstruktive Oberflächen ohne zusätzliche Ausbauschritte ein angenehm warmes Raumgefühl bei gleichzeitiger Kosteneinsparung: die Untersichten der Massivdecken und OSB-Oberflächen der Holzständerwände bleiben sichtbar, der Estrich ist lediglich klar versiegelt.
Massivholzdecken aus Brettschichtholz
Bei Planung und Entwicklung der Holzelemente wurde jedes Bauteil bezüglich seiner statischen, brandschutztechnischen, schallschutztechnischen und nicht zuletzt optischen Anforderung optimiert und eine perfekte Balance zwischen Kosten und Nutzen ermittelt. Der Einsatz von Massivdecken aus Brettschichtholz ermöglicht eine kostengünstige Konstruktion der großzügigen Balkone als statische Kragarme. Durch die computergestützte Fertigung lässt sich die geschwungene Kontur wirtschaftlich umsetzen. Sie fällt somit kostenseitig nicht ins Gewicht. Hinzu kommt, dass eine bauseitige Lösung niemals dieselbe Präzision erreichen könnte.
Trotz einer niedrigen Baukosten-Obergrenze konnten des Weiteren Holzfenster, eine Luftwärmepumpe, Fußbodenheizung und hochwertig geflieste Bäder realisiert werden. Statisch fungieren die Deckenelemente als Zweifeldträger mit Kragarm und spannen im Inneren 6 m weit. Damit ermöglichen sie eine große Flexibilität im Grundriss. Darüber hinaus ist die Masse der Deckenelemente für Schall und Speicherkapazität von Vorteil. Was den Brandschutz betrifft, sind die Decken auf Abbrand bemessen und müssen nicht gekapselt werden.
Die BIM-basierte Planung und Ausführung ermöglicht bei geringem Planungsaufwand, mit Baukörpern von 12 bis 24 m Länge auf unterschiedliche städtebauliche Rahmenbedingungen zu reagieren. Durch die Vereinfachung im Baukastensystem kann die Vorfertigung standortunabhängig erfolgen. Somit können viele Module auf Halde produziert werden.
Eine Reduzierung des Zeitaufwands findet in der kompletten Prozesskette Architekturplanung, Arbeitsvorbereitung, Fertigung und Montage statt. Zusätzlich führen die Wiederholungen zu einer deutlichen Kostenersparnis bei den Baunebenkosten.
Raumaufteilung und Nachnutzung
Von Anfang an war klar, dass die Grundrissorganisation multifunktional für verschiedene Nutzergruppen im Lebenszyklus der Gebäude funktionieren muss. Es war nicht absehbar, ob viele Familien oder eher Wohngemeinschaften von Geflüchteten benötigt werden. Die weitere Dynamik der Flüchtlingskrise war nicht vorhersehbar. Durch das integrative Wohnen sind jedoch an unterschiedlichen Standorten verschiedene Nutzer involviert: Studenten-WGs, Familien und Betreutes Wohnen sind bereits realisiert.
Eine sinnvolle Mischung von Geflüchteten und Einheimischen hängt immer von der örtlichen Infrastruktur und vom Bedarf ab. Von daher müssen sich die Grundrisse für den Erstbezug immer einfach und flexibel anpassen lassen, was vor allem durch eine Minimierung von tragenden Innenwänden auf eine Wandachse gelingt. Aber auch im Lebenszyklus können so Anpassungen mit einfachen Mitteln durchgeführt werden, sollte sich die Nachfrage in Zukunft verändern. Für eine herkömmliche Nutzung auf dem freien Wohnungsmarkt lassen sich einzelne Trennwände leicht rückbauen und so großzügigere offene Grundrisse erzeugen.
Keine Unterkellerung bei nahezu ebenen Grundstücken
Planungs- und Bauzeit betragen pro Gebäude je nach Standort ca. sechs bis acht Monate. In Hanglage gründen die Holzbauten auf einem massiven Sockelgeschoss, in nahezu ebenen Grundstücken wird auf eine Unterkellerung verzichtet.
Bei Standorten mit mehreren Gebäuden werden die einzelnen Baukörper mit einem zeitlichen Versatz von ca. einem Monat errichtet, wodurch alle Gewerke zeitlich versetzt im Bauablauf weiterwandern können.
Die Gebäude sind kostengünstig mit Baukosten ab 1800 Euro/m² Wohnfläche realisierbar.
Planungs- und Bauzeit betragen pro Gebäude je nach Standort
sechs bis acht Monate.
Auszeichnungen
Das innovative Konzept des modularen Baukastens „Hoffnungshäuser“ wurde von andOffice Blatter Ertel Probst, Freie Architekten PartGmbB, Stuttgart, entwickelt und bereits mehrfach ausgezeichnet:
– Baden-Württembergischer Holzbaupreis 2018: Hoffnungshaus Rohrackerweg in Esslingen a.N.
– Beispielhaftes Bauen Architektenkammer Esslingen 2018: Hoffnungshaus – integratives Wohnen von Geflüchteten und Einheimischen, Flandernstraße, Esslingen
– Holzbauplus 2018 – Bundeswettbewerb Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen: Lobende Erwähnung
– German Design Award Special 2019: Hoffnungshaus Rohrackerweg in Esslingen a.N.