Königsweg zur Klimaneutralität
Interview mit der Geschäftsführerin der Unternehmensgruppe Nassauischen Heimstätte | Wohnstadt (NHW), Monika Fontaine-Kretschmer, über den Pilotversuch in Rüdesheim am Rhein und über die Hürden, die die Branche auf dem Weg zur Energiewende nehmen muss.
Welche Bedeutung hat das Mustervorhaben in Rüdesheim im Klima- und Sanierungskontext?
Monika Fontaine-Kretschmer: Die größte Herausforderung auf dem Weg zur Klimaneutralität stellen derzeit Bestandsgebäude dar. In diesem Bereich muss die gesamte Branche die Schlagzahl bei fachgerechten Modernisierungen deutlich erhöhen. Neben der Frage nach dem ‚Wie?‘ stehen zwei weitere Faktoren im Vordergrund: Kosten und Zeit.
Das Pilotprojekt in Rüdesheim zeigt, wie wir mit der Kombination aus industriell vorgefertigten, nachhaltigen Fassadenmodulen und erneuerbaren Energien ein typisches Wohngebäude in kürzester Zeit klimaneutral gestalten können. Und das zukünftig möglicherweise sogar zu deutlich niedrigeren Kosten als bisher. Auf diese Art könnten wir effektiv mehr Modernisierungen in einer bestimmten Zeit realisieren – das wäre von großem Vorteil.
Der Pilotversuch wirkt sehr ausgeklügelt. Welche Bausteine sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten?
Monika Fontaine-Kretschmer: An der ecoworks-Konzeption hat uns besonders überzeugt, dass sie konsequent ökologisch ausgerichtet ist. Die vorgefertigten Module beispielsweise werden größtenteils aus nachwachsenden oder recycelten Rohstoffen hergestellt. Der Verzicht auf mineralölbasierte Dämmstoffe stellt für uns ebenfalls einen wichtigen Faktor dar, da Nachhaltigkeit bereits seit 2012 fester Bestandteil unserer Unternehmensstrategie ist.
Gilt dies auch für die Energieversorgung?
Monika Fontaine-Kretschmer: Dämmung mit vorgefertigten Modulen in Kombination mit der Eigenproduktion der benötigten Energie aus regenerativen, dezentralen Kraftwerken ist möglicherweise der Königsweg zur Klimaneutralität im Bestand. Besonders bemerkenswert bei diesem Pilotprojekt ist, dass möglichst viel des produzierten Ökostroms direkt vor Ort verbraucht wird und so Transportverluste vermieden werden. Die Photovoltaik-Anlage stellt Strom für die Wärmepumpe und für die Hausinstallationen bereit. Und die Mieter können die auf dem Dach produzierte Energie auch direkt als Haushaltsstrom beziehen.
Ist die Finanzierung über Contracting nicht ungewöhnlich?
Monika Fontaine-Kretschmer: Nein, unsere Tochtergesellschaft MET realisiert derartige Finanzierungsmodelle schon seit Jahren, bevorzugt bei Nahwärme-Anlagen. Der besondere Charme des Contracting besteht darin, dass wir als Wohnungsgesellschaft kein Kapital binden – ein guter Weg, die Investitionen niedrig zu halten. Anders formuliert: Was wir nicht für Photovoltaik-Anlagen und Heizungen ausgeben müssen, können wir für zusätzliche Projekte verwenden – und dadurch unsere Modernisierungsquote weiter steigern.
Was erhoffen Sie sich am meisten von diesem Projekt?
Monika Fontaine-Kretschmer: So essentiell der Klimaschutz ist, dürfen wir nicht vergessen, dass in unseren Wohnungen Menschen ihr Zuhause gefunden haben. Und diese verfügen zumeist nur über ein begrenztes Budget für Mietausgaben. Das schönste Ergebnis dieses Projektes wäre daher für mich, wenn unsere Rechnung wirklich aufgeht: Wenn die Warmmiete tatsächlich am Ende annähernd gleichbleibt, der Mieter also durch den Mehraufwand in puncto Klimaschutz nicht mehr belastet wird als vorher. Das wäre ein echter Meilenstein.
Herzlichen Dank für das Gespräch.