Meilenstein auf dem Weg zu barrierefreien öffentlichen Gebäuden und Arbeitsstätten

Leitfäden zu Barrierefreiheit bei Wohngebäude und für altengerechtes Wohnen sind bereits in größerer Anzahl zu finden: Ein neuer Leitfaden bietet jetzt Hilfe bei der Umsetzung von Barrierefreiheit in öffentlichen Gebäuden und Arbeitsstätten.

Der demographische Wandel und der Weg hinein in eine inklusive Gesellschaft bedingen, dass Gebäude für Alle „zugänglich“ und „nutzbar“ sind. Der gesellschaftliche Wandel führt dazu, dass Barrierefreiheit kein Randgruppenthema mehr ist, sondern vielmehr eine wichtige existentielle Aufgabe. Mit der UN-Behindertenrechtskonvention hat sich zudem ein rechtlicher Wandel vollzogen. Die Konvention konkretisiert die universellen Menschenrechte mit Blick auf die Lebenslagen von Menschen mit Behinderungen. Deren gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist ein grundlegendes Menschenrecht. So stellt das zentrale Leitbild dieser Konvention auch die Inklusion dar. Der Zugang zur physischen Umwelt ist also eine wesentliche Voraussetzung, um die menschlichen Grundbedürfnisse zu erfüllen.

Bund will beispielhaft vorangehen und barrierefrei für Alle bauen

Die Bundesregierung verpflichtet sich in ihrer Vorbildfunktion mit dem „Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention“ sowie mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) da­­zu, zivile Neubauten sowie große zivile Um- und Erweiterungsbauten des Bundes entsprechend den „Allgemein anerkannten Regeln der Technik“ barrierefrei zu gestalten.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) wurde der Leitfaden Barrierefreies Bauen für die Bauverwaltung des Bundes konzipiert. Er wird durch das BMUB per Erlass zum 1. Juni 2014 für die Bundesbauverwaltung eingeführt. Der Leitfaden richtet sich an Bauherrn, Architekten und Planer sowie Nutzer anderer öffentlicher Gebäude und Arbeitsstätten. Er fungiert sowohl als Handlungsanleitung wie auch als Ideengeber; zugleich stellt er ein Nachschlagewerk zum grundsätzlichen Thema dar.

Neben einer Übersicht über die rechtlichen Grundlagen (Teil A) bezieht der Leitfaden das barrierefreie Bauen in den Verfahrensablauf von der Bedarfsplanung bis zur Realisierung ein. Dabei werden auch die jeweiligen Zu­­stän­­digkeiten und Beteiligungen berücksichtigt. Zudem sind Mindestinhalte definiert, die für jeden der jeweiligen Planungsschritte zu leisten sind (Teil B). Im Teil C sind die Anforderungen an das barrierefreie Planen und Bauen nach 22 Handlungsfeldern gegliedert. Ein idealisiertes, fiktives Projekt (Teil D) veranschaulicht Konzept und Nachweis zur Barrierefreiheit.

Leitfaden berücksichtigt Bedürfnisse der Menschen mit Einschränkungen

Mit der DIN 18040 „Barrierefreies Bauen und Planen – Planungsgrundlagen – Teil 1: Öffentlich zugängliche Gebäude“ wurden erstmals bei den Anforderungen an öffentliche Gebäude, die Belange von Menschen mit sensorischen Einschränkungen berücksichtigt. Neubauten müssen demnach nicht nur schwellen- und stufenlos für Menschen mit motorischen Einschränkungen oder in der Kondition zugänglich sein, sondern auch barrierefrei für Menschen mit Einschränkungen deren visuelle, auditive oder kognitive Wahrnehmung eingeschränkt ist. Neben Rollstuhl- und Rollator-Nutzern sollten auch Blinde und Sehbehinderte, Taube und Hörbehinderte sowie Menschen mit Demenz oder mit einer geistigen Behinderung Neubauten grundsätzlich ohne fremde Hilfe nutzen können.

Barrierefreiheit wird durch entsprechende Anforderungen an bauliche Maßnahmen erreicht. Orientierungs- und Leitsysteme für Blinde und Sehbehinderte, kontrastreiche Markierungen bei Tritt- und Setzstufen und Aufmerksamkeitsfelder vor Treppen zählen dazu. Tauben und Hörbehinderten kommt zum Beispiel zugute  wenn das „Zwei-Sinne-Prinzips“ bei der Planung berücksichtigt wird: Informationen und Kommunikation können dadurch über zwei Sinneskanäle aufgenommen werden. Türöffner sollten das Öffnen der Tür demnach durch ein akustisches Signal (Ton) und ein visuelles Signal (Licht) anzeigen. Für Menschen mit visuellen aber auch auditiven Einschränkungen ist auch eine blend- und schattenfreie Ausleuchtung im Innenbereich von Gebäuden in Form einer ausreichenden Beleuchtungsstärke wichtig.

Im Leitfaden wurden – angelehnt an die DIN 18040 – die Bedürfnisse der Menschen mit verschiedenen Einschränkungen untersucht. Entsprechend den Erfordernissen an die ge­­­baute Umwelt wurden die Nutzer mit un­­terschied­lichen Einschränkungen in vier Nutzergruppen zusammengefasst: Einschränkung der Mo­torik, Kondition und Anthropometrie /  Einschränkung der visuellen Wahrnehmung / Einschränkung der auditiven Wahrnehmung / Einschränkung der Kognition.

Bei der Darstellung der Handlungsfelder ist der Zusammenhang mit spezifischen Einschränkungen durch Piktogramme gekennzeichnet. Auf diese Weise entsteht eine Systematik, die die Ausarbeitung von barrierefreien Konzepten und Nachweisen nach dem Bedarf einzelner Einschränkungen ermöglicht.

Darstellung individuelle Alternativlösungen anhand von Planungssituationen

Im Leitfaden ist farblich gekennzeichnet welcher Text sich auf die DIN 18040-1 bezieht. Es werden auch Bezüge zu wichtigen anerkannten Regeln der Technik hergestellt und Empfehlungen gegeben. Für Bestandsbauten gilt die DIN 18040-1 sinngemäß, hier gilt es individuelle Entscheidungen zu treffen mit dem Ziel, Barrieren im Gebäudebestand zu reduzieren. Alternativlösungen werden im Leitfaden anhand von Planungssituationen dargestellt. Jedem Handlungsfeld wurde das in der DIN 18040-1 formulierte Schutzziel vorangestellt, das Alternativlösungen zulässt. Die dargestellten Beispiele barrierefreier Baumaßnahmen wurden u.a. durch eine deutschlandweite Befragung im Bereich des Bundesbaus als auch des Zuwendungsbaus ermittelt.

Umsetzung von Barrierefreiheit erfordert eine ganzheitliche Planung

Das bedeutet Barrierefreiheit ist im gesamten Planungs- und Verfahrensablauf, von der Be­­­darfsplanung bis zur Realisierung einer Baumaßnahme, zu berücksichtigen. Dabei ist es wichtig Entscheidungen, die Umsetzung von Barrierefreiheit bei einzelnen Maßnahmen betreffend, zu dokumentieren. Bei größeren Bauprojekten ist dabei die Erstellung eines barrierefreien Konzeptes für das gesamte Gebäude sinnvoll. Hierzu bietet der Leitfaden Unterstützung. Dabei er­­leichtern Legenden die Planung und Dokumentation. Diese Legenden werden auch in digitaler Form zur Verfügung gestellt.

Im Rahmen eines barrierefreien Gesamtkonzeptes sind sowohl Aspekte einer städtebaulichen Integration als auch Entscheidungen zu einem Orientierungs- und Leitsystems zu treffen. Weiter Gruppen von Handlungsfeldern sind Er­­schließung, Ausstattung und Räume. Anhand von Plänen, in den verschiedenen Verfahrensschritten für ein fiktives Projekt, werden die im Leitfaden dar gelegten Muster für die textliche Gliederung und für die Legenden der zeichnerischen Darstellung maßstäblich verwendet.

Digitaler Leitfaden Barrierefreies Bauen erleichtert seine Anwendung

Im Rahmen des laufenden Zukunft Bau-Forschungsprojekts „Digitaler Leitfaden Barrierefreies Bauen“ wird eine Internetpräsentation für die Inhalte des Leitfaden Barrierefreies Bauen konzipiert. Es wird unter anderem ein anwenderfreundliches EDV-Werkzeug entwickelt, das es ermöglicht, online projektspezifische Konzepte und Nachweise zur Barrierefreiheit zu generieren, die der Struktur des Leitfadens folgen. Anwender des Leitfadens können für barrierefreie Baumaßnahmen gezielte Filterungen vornehmen und erhalten Formblätter als Nachweis für die Bauakte. Der Leitfaden trägt dazu bei, dass alle am Bau Beteiligten für das Thema Barrierefreiheit sensibilisiert werden und hilft den Anwendern, stärker die Belange von Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen, von Anfang an bei der Planung von öffentlichen Gebäuden und Arbeitsstätten, zu berücksichtigen. Wir Alle profitieren letztendlich davon, wenn Gebäude zugänglicher und besser nutzbar sind.

Der Leitfaden kann über den Publikationsversand der Bundesregierung () bezogen und als barrierefreie PDF unter www.bmub.bund.de/service/publikationen heruntergeladen werden.

Dipl.-Ing. Rachel Barthel (BBSR, Referat II 6 Bauen und Umwelt)
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