Mieterstrom von nebenan
Mieterstromprojekte sind in der Regel umso interessanter, je mehr Wohneinheiten beliefert werden. Jedoch sind in Wohnkomplexen und Quartieren häufig nicht alle Gebäude für Photovoltaik geeignet. Wie Mieterstrom trotzdem für alle Haushalte fließen kann, zeigt ein Projekt der NATURSTROM AG.
Im beliebten Münchener Stadtteil Schwabing wächst seit 2013 auf dem 24,3 Hektar großen Gelände der ehemaligen Funkkaserne ein neues Stadtquartier: der Domagkpark. Das Quartier wird von verschiedenen Akteuren bebaut – etwa 1.600 Wohnungen, ein Park sowie soziale Einrichtungen sind auf dem Gelände entstanden und bilden zusammen ein hochwertiges urbanes Wohnumfeld. Für vier Gebäude im Domaqkpark hat NATURSTROM gemeinsam mit der örtlichen Bürgerenergiegenossenschaft BENG eG eine Versorgung mit Mieterstrom realisiert.
Genossenschaft betreibt Anlagen
Die BENG betreibt auf zwei Hausdächern Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 23 und 28 Kilowatt peak, zusammen produzieren sie voraussichtlich rund 52.000 Kilowattstunden Sonnenstrom im Jahr. Rund 73 % davon können den Berechnungen zufolge direkt in den vier Häusern mit ihren insgesamt 64 Wohneinheiten verbraucht werden.
Die in den Häusern zu verbrauchenden Strommengen verkauft die BENG an NATURSTROM. Der Öko-Energieversorger und Mieterstromspezialist veredelt den Solarstrom zusammen mit Ökostrom aus dem Netz zu einem sauberen, sicheren und günstigen Mieterstromprodukt – und ist somit auch Vertrags- und Ansprechpartner derjenigen Haushalte, die sich für Mieterstrom entscheiden. Sonnenstrom, der nicht direkt vor Ort genutzt werden kann, speisen die Anlagen ins öffentliche Stromnetz ein. Die BENG erhält für diese Mengen ganz klassisch die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegte Vergütung.
Ein besonderes Plus für die Bewohner der vier Gebäude: Die BENG bietet ihnen an, sich über ein Nachrangdarlehen und eine Mitgliedschaft in der Genossenschaft an den Anlagen zu beteiligen – und somit gleich doppelt von der Solarstromerzeugung zu profitieren.
Sonnenstrom vom Nachbarn
Ein Aspekt macht das Projekt besonders: Die Wohneinheiten aller vier Gebäude können mit Solarstrom beliefert werden – obwohl nur auf zwei Dächern Solaranlagen installiert sind. Das heißt im Umkehrschluss: Auch jene Haushalte können Mieterstrom beziehen, auf deren Dächern sich keine Photovoltaikanlage befindet.
Ob solche „Quartierslösungen“ in das Mieterstromgesetz einbezogen werden, war im Zuge des Gesetzgebungsprozesses zwischen den Parteien und Verbänden lange heftig umstritten – mit positivem Ausgang für die Befürworter. In der Praxis sind solche Projekte bisher allerdings aufgrund der sehr spezifischen Anforderungen eine absolute Seltenheit.
Gemäß Paragraf 21 Abs. 3 EEG 2017 kann der Mieterstromzuschlag nämlich nur für solche Strommengen ausgezahlt werden, die „ohne Durchleitung durch ein [öffentliches] Netz“ von einem Haushalts- oder Gewerbekunden innerhalb des Gebäudes oder in Wohngebäuden oder Nebenanlagen „im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang“ mit diesem Gebäude verbraucht werden.
Auf den „Zusammenhang“ kommt es an
Den Begriff des „unmittelbaren räumlichen Zusammenhangs“ kennt das EEG bereits seit 2013, als er im Zusammenhang mit dem Eigenverbrauch von Solarstrom erstmals im Gesetzestext auftauchte. Seitdem ist nicht sauber definiert, wo genau der „unmittelbare räumliche Zusammenhang“ endet. Gleichwohl hat sich ein Konsens darüber etabliert, wann er gesichert vorliegt: dann nämlich, wenn sich Baukörper auf dem gleichen Flurstück befinden. Dies ist bei den vier Gebäuden im Domagkpark gegeben.
Um zudem die Versorgung aller Haushalte mit Mieterstrom „ohne Durchleitung durch ein [öffentliches] Netz“ zu ermöglichen, wurden die Gebäude durch Stromleitungen miteinander verbunden und somit ein alle vier Baukörper umfassendes Hausnetz geschaffen. An der Außengrenze dieses Hausnetzes bildet der sogenannte Summenzähler die Schnittstelle zum öffentlichen Stromnetz. Der Summenzähler ist ein Zweirichtungszähler, der die Stromflüsse in beide Richtungen – also die Entnahme aus dem öffentlichen Netz ebenso wie die Einspeisung überschüssigen Solarstroms ins Netz – erfasst. Durch das gemeinsame Hausnetz und die Bündelung der vier Häuser unter einen Summenzähler kann NATURSTROM die physikalische Belieferung mit Mieterstrom ohne Durchleitung durchs öffentliche Netz sowie die korrekte Abrechnung der Mieterstromkunden sicherstellen. Da das Unternehmen zudem auch die Zähler der jeweiligen Wohneinheiten betreibt, wird das gesamte Mess- und Zählerwesen in einer Hand gebündelt.
Für NATURSTROM ist es das dritte Projekt im Domagkpark, nachdem das Unternehmen bereits 2016 die Mieterstrombelieferung für zwei Bauherrengemeinschaften mit insgesamt 50 Wohneinheiten verwirklicht hatte. Insgesamt hat der Ökoversorger deutschlandweit mehr als 40 Mieterstromprojekte umgesetzt. Und dabei auf Vielfalt gesetzt: Ob kleines Mehrfamilienhaus oder Quartier für 1.000 Menschen, ob moderner Neubau oder Bestandsimmobilie, ob privat oder gewerblich genutzt.
Die Wohnungen aller vier Gebäude können mit Solarstrom beliefert
werden – obwohl nur auf zwei Dächern Solaranlagen installiert sind.