Mit dem Kunden zur besten Lösung
Viele Abläufe in den Wohnungsunternehmen werden durch SEPA komplizierter. Um sein sepafähiges ERP-System WoWi c/s für die gesteigerten Anforderungen zu optimieren, hat der Hersteller Haufe Anwender ins Boot geholt. Einer davon war die BGFG aus Hamburg.
Marco Doll und Sascha Gohlke sind gute Kollegen. Sie teilen sich nicht nur ein Büro, sondern haben kürzlich auch ein Projekt gemeinsam zum Erfolg gebracht: die Umstellung auf den internationalen Zahlungsstandard SEPA. Ein Spaziergang war das nicht. Denn die Genossenschaft, für die sie arbeiten, gehört zu den größeren in Hamburg. Mit knapp 100 Mitarbeitern verwaltet die Baugenossenschaft freier Gewerkschafter eG rund 7500 Wohnungen in der Stadt und im Hamburger Umland. Von ihren Mitgliedern zieht sie Monat für Monat 9000 Lastschriften ein. Wenn da der erste Einzug der SEPA-Lastschriften nicht klappt, ist der finanzielle Schaden enorm.
Einer Blitzumfrage der Commerzbank zufolge hatten im Oktober 2013 noch knapp drei Viertel der mittelständischen Unternehmen nicht auf SEPA umgestellt. Doll und Gohlke waren da schon fertig. Stolz können sie auch sein, weil sie das aufwändige Projekt in Eigenregie durchgeführt haben. Im Februar 2013 begannen sie zu planen. Sie schaufelten die nötigen Kapazitäten frei, informierten sich beim Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen, dem GdW und Haufe, dem Hersteller ihres ERP-Systems WoWi c/s – und verließen sich ansonsten auf ihren kaufmännischen Sachverstand. Die frühe Umstellung funktionierte auch so gut, weil die Software mit den notwendigen Modulen schon im Juli 2013 sepafähig war.
Die Umstellung – anstrengend für alle Seiten
Die Vorschriften zu SEPA haben Auswirkungen auf alle Unternehmensbereiche. Das beginnt im Rechnungswesen und reicht bei einem wohnungswirtschaftlichen Unternehmen bis ins Bestandsmanagement. Eine enge Zusammenarbeit zwischen IT und dem kaufmännischen Fachbereich liegt daher nahe. Sascha Gohlke, Assistent des Abteilungsleiters Rechnungswesen und seit 2004 bei der BGFG, kümmerte sich um die organisatorischen Fragen. Interne Abläufe mussten angepasst, neue Aufgaben definiert werden. Marco Doll, DV-Fachkoordinator und seit 2003 bei der BGFG beschäftigt, betreute die Umstellung softwareseitig. Vorbereitung, Migration, Prüfungen, Testläufe und zahlreiche technische Detailfragen beschäftigten ihn über Monate hinweg. Schließlich schulten Doll und Gohlke intern die Mitarbeiter. Da war es entlastend, dass das Coaching zum Thema „SEPA im Tagesgeschäft“ ein Mitarbeiter von Haufe abhielt.
Viel früher als die Anwender-Unternehmen mussten die Software-Hersteller auf SEPA reagieren, um ihre Systeme rechtzeitig anzupassen und neue Funktionen zu entwickeln. Haufe integrierte die Anforderungen stufenweise in WoWi c/s. Mit dem Import-Export-Modul beispielsweise konnte Doll schon im Mai die Kontodaten der Mieter sowie die BK01-Kontonummern, die die BGFG als Kunde der Aareal Bank führt, in das neue Format umwandeln. Am 22. Oktober startete er dann die Sollstellung für den ersten SEPA-Lastschrifteneinzug zum 1.11. Bei der Überprüfung der schwebenden Mandate stellte er erleichtert fest, dass nur sechs Mieter es versäumt hatten, die SEPA-Lastschriftenmandate zu unterschreiben und zurückzusenden. Sechs offene Mandate bei 9000 Einheiten – ein hervorragendes Ergebnis.
Das Tagesgeschäft ist komplizierter
Ist SEPA damit noch ein Thema für die BGFG? „Inzwischen haben sich die Abläufe eingespielt“, erklärt Sascha Gohlke. Doch das Tagesgeschäft sei komplizierter und aufwändiger geworden. Betroffen sind nicht nur die Mietenbuchhaltung und Inkasso, die Mitarbeiter des Bestandsmanagements müssten jetzt auch an mehr denken. Wird etwa eine Nutzungseinheit neu vermietet oder ändern sich Daten, wie die Bankverbindung oder der Name des Zahlers, muss ein neues SEPA-Mandat erstellt werden. Gleiches gilt für einmalige Zahlungen. Daneben erhöht die Avisierung (Pre-Notification) den Aufwand. Marco Doll ergänzt: „Durch den verlängerten Vorlauf der Lastschrifteneinreichung müssen wir die Testsollstellung jetzt schon viel früher fahren.“
Mit der Verschiebung des Stichtags auf den 1. August 2014 hat sich die Situation für Wohnungsunternehmen, die noch in der Umstellung stecken, etwas entspannt. Ihnen empfiehlt Marco Doll, die Abläufe unbedingt mit den Mitarbeitern zusammen zu entwickeln und ihnen „die Sache keinesfalls überzustülpen.“ Sein zweiter Rat lautet, in Kontakt mit dem Softwarehersteller zu bleiben.
Gesucht: Anwendererfahrung
Denn damit die Prozesse in den Wohnungsunternehmen nach der SEPA-Umstellung reibungslos laufen, muss die Software optimal funktionieren und alle Anforderungen vollständig unterstützen. „Am besten im Hauptprozess“, wie Doll betont. Doch damit trifft er auch ins Herz der Schwierigkeiten, die bei einer so umfassenden Änderung auf einen Hersteller warten: Der zeitliche Druck auf das Entwicklungsteam ist enorm, in Kürze müssen eine Vielzahl von Anpassungen vorgenommen oder neue Module programmiert werden. Bei SEPA kamen nachträgliche Änderungen und Präzisierungen seitens des Gesetzgebers hinzu. Zudem lagen keine Erfahrungen vor, wie der optimale Ablauf aussehen könnte. Kein Hersteller kann in so einer Situation alle Funktionen bis ins Detail vorab planen. Manch gute Lösung offenbart sich erst durch die Erfahrungen, die die Kundenunternehmen in der Praxis sammeln. Sie können dem Hersteller nicht nur unentdeckte Bugs melden, sondern auch Feedback zum Handling oder zu fehlenden „Schnittstellen“ im System geben.
Kundenwünsche in Umsetzung
Schon bei der SEPA-Migration hatte Haufe auf Pilotkunden gesetzt, die die neuen Funktionalitäten von WoWi c/s testeten und ihre Erfahrungen weitergaben (BBB Ausgabe 11/2013). Marco Doll übernahm den Stab und gab Feedback zum Tagesgeschäft nach der Umstellung. In ständigem Austausch mit dem Produktmanagement und der Entwicklung, unterbreitete er Haufe Vorschläge zur Optimierung. Ein neuralgischer Punkt war die Verwaltung der Avise: Jede zahlungsrelevante Änderung wird im System für die Pre-Notification vorgehalten und gespeichert. Doch um Avise ausdrucken zu können, musste Doll erst eine Testsollstellung über den ganzen Bestand laufen lassen, was zwei bis drei Stunden in Anspruch nahm. Mit diesem Ablauf konnte er nicht zufrieden sein. Doll regte an, in dem Modul, in dem die Mietänderung erzeugt wird, auch einen Zugriff auf das entsprechende Avis zu ermöglichen. Außerdem vermisste er eine Information über den Verursacher des Avis, also den zuständigen Sachbearbeiter. Ein zweiter Wunsch bezog sich auf mehr Details in der Liste der Sollstellung. Weitere Anforderungen deckten sich mit den Planungen von Haufe, wie die Integration der Betriebskostenabrechnung, des Mahn- und Inkassobereichs sowie des COR1-Verfahrens, der SEPA-Lastschrift mit verkürzter Vorlauffrist. Einige dieser Funktionen befanden sich laut Angaben des Herstellers im Dezember 2013 bereits in der Qualitätssicherung, die Entkoppelung der Avise von der Sollstellung im Bereich der Mietererhöhungen, der Betriebskosten- und der Hausgeldabrechnung soll spätestens Ende Januar in WoWi c/s zur Verfügung stehen. Das COR1-Verfahren ist bereits umgesetzt.
Vorsicht, SEPA-Fallen!
Auch die Banken verfügen inzwischen über erste Erfahrungen mit SEPA. Die Aareal Bank, die ihre Systeme frühzeitig umgestellt und ihre Kunden ausführlich zur Migrationsproblematik informiert und beraten hat, verweist aktuell auf einige Fallen bei der SEPA-Basislastschrift. So sei es gelegentlich vorgekommen, dass bei Erstlastschriften Kunden das verpflichtend zu erfassende Datum der Mandatsunterschrift mit dem Beginn der Mandatsgültigkeit verwechselten. Damit wird jedoch das Mandat ungültig, weil die Vorlagefrist nicht eingehalten wird. „Wir weisen solche Lastschriftaufträge von Vornherein ab“, erklärt Jörg Matheis von der Aareal Bank. „Andere Banken jedoch verarbeiten sie unseres Wissens, geben sie dann zurück und verlangen die Rücklastschriftgebühr.“ Ein zweiter Punkt betrifft den Request for Cancellation: Wenn der Zahlungsempfänger eine Lastschrift zurückruft, die bereits bei der Bank in Bearbeitung, aber noch nicht gebucht ist, wird seine Bank sie wieder ins Soll stellen. Doch kann es passieren, dass der Zahlungspflichtige oder dessen Bank die Lastschrift ebenfalls zurückruft, was zu einer doppelten Rückbuchung führt. „Deshalb sollte man einen Request for Cancellation nur aufgeben, wenn sichergestellt ist, dass der Zahlungspflichtige nicht das gleiche unternimmt“, rät der Bankexperte.
Bei der BGFG liefen die ersten SEPA-Lastschrifteneinzüge mit der Aareal Bank übrigens reibungslos. Dass der Bankpartner nicht einmal bei der eigentlichen Umstellung ins Spiel kam, ist ein weiteres Indiz dafür, wie gründlich die Hamburger Genossenschaft ihre Hausaufgaben gemacht hat. Die März-Sollstellung plant sie nun schon im COR1-Verfahren abzuwickeln.
Einer Blitzumfrage der Commerzbank zufolge hatten im Oktober 2013 noch knapp drei Viertel der mittelständischen Unternehmen nicht auf SEPA umgestellt.
Manch gute Lösung offenbart sich erst durch die Erfahrungen, die die Kundenunternehmen in der Praxis sammeln.