Nach der Wahl: große Herausforderungen für die Branche
„Moment mal!“: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Immobilienwirtschaft Deutschland (BID) bezieht Stellung.
Vor wenigen Tagen haben wir eine neue Bundesregierung gewählt. Noch nie war es im Vorfeld so spannend, oder auch ungewiss, welche Konstellation sich am Wahltag durchsetzen wird. Der Begriff „Schicksalswahl“ tauchte da häufig auf. Jetzt haben wir ein Ergebnis, aber noch längst keine Koalition. Und die Regierungsbildung dürfte sich hinziehen. Auch für unsere Branche ist es nicht unerheblich, wer mit wem koaliert, welche neuen Regularien und vor allem wieviel davon, auf diejenigen zukommen, die einen nicht unwichtigen Anteil an der Antwort auf die „neue soziale Frage“ (Horst Seehofer) haben. In den Parteiprogrammen findet sich mehr oder weniger klar formuliert, die Forderung nach einer Erhöhung der energetischen Neubaustandards und der Sanierung des Bestands. Damit deutet sich je nach Couleur der künftigen Regierung an, dass es gelten wird, mal stärker, mal weniger stark die Notwendigkeit der Wirtschaftlichkeit für die Akzeptanz zu betonen.
Vor knapp einem Jahr, im November 2020, ist das Gebäudeenergiegesetz in Kraft getreten. Laut Sofortprogramm 2022 sollen dieses Gesetz und seine Auswirkungen anstatt 2023 bereits im Jahr 2022 überprüft werden. Doch mehren sich die Stimmen, das Gesetz – entgegen der angedachten fundierten Evaluierung – sogleich zu verschärfen. Was soll das? Wer Gesetze verabschiedet, muss ihnen auch Zeit geben, sich zu entfalten, zu wirken, Effekte zu haben. Es ist Aktionismus, sich diese Zeit nicht zu nehmen, aber kein durchdachtes politisches Handeln.
Wir haben mit dem Fisch-Gutachten Klarheit bekommen: Eine weitere Verschärfung der Energieeffizienz-Standards wäre nicht zielführend. Die Anforderungen an die thermische Qualität der Gebäudehülle wären unverhältnismäßig hoch, ohne dass die notwendige Emissionsreduktion allein über diesen Weg zu erzielen wäre. Stattdessen muss es darum gehen, durch Betriebsoptimierungen der Gebäude und den verstärkten Einsatz erneuerbarer Energien erheblich größere Treibhausgasreduktionen auf wirtschaftlichem Wege zu erreichen. Ein Begleitgutachten des Bundeswirtschaftsministeriums hat bei der Erarbeitung des GEG gezeigt, dass lediglich bei Einfamilienhäusern eine Verschärfung des energetischen Standards wirtschaftlich möglich ist aber auch nur bei dieser Gebäudekategorie.
Vor allem muss aber berücksichtigt werden, dass vor lauter Klimaschutz unsere Gesellschaft nicht gespalten wird. In diejenigen, die sich Klimaschutz leisten können, und diejenigen, die abgehängt werden, weil diese Maßnahmen zu einen höheren Anstieg der Mieten, als für eine wirtschaftliche Erreichung des Klimaschutzziels notwendig sind, führen. Hier kommt es besonders zu einer unverhältnismäßigen Belastung von einkommensschwachen Haushalten. Die gezielte Förderung von sozialem Wohnungsbau kann vor allem in Ballungsräumen zu einer Entspannung des Wohnmarktes und zusätzlich zur Schaffung bezahlbaren aber gleichzeitig klimagerechten Wohnraums genutzt werden. Insbesondere sollte der Fokus auf dem wirtschaftlichen Einsatz der verfügbaren Mittel liegen und nicht auf überhöhte Neubaustandards abzielen, um so für möglichst viele Menschen bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Letztlich werden in der Praxis alle gut gemeinten Maßnahmen durch den Faktor Mensch limitiert, im wahrsten Sinne des Wortes, denn es geht darum, dass es ja verfügbare Handwerker und qualifizierte Ingenieure geben muss, um die Maßnahmen durchzuführen.