Gastkommentar

BBB-Exklusiv: „Schlafenden Riesen wecken“

Walter Schmidt, Vorsitzender der Geschäftsführung von ista International, zur Europäischen  Energieeffizienzrichtlinie EED

Europa zeigt die Richtung und Deutschland sollte darauf achten, die Weichen intelligent zu stellen: Anfang Juni 2014 müssen die Mitgliedsstaaten der Union die Europäische Energieeffizienzrichtlinie (EED) in jeweiliges nationales Recht umgesetzt haben. Diese Richtlinie gibt verbindliche Zielvorgaben für den effizienten Umgang mit Energie, besonders im Gebäudebereich. Sie sieht unter anderem vor, dass Verbraucher europaweit individuell und regelmäßig über ihren Energieverbrauch informiert werden müssen. Das ist ein sehr vernünftiger Ansatz, denn nur wer weiß, was er verbraucht, kann Energie einsparen! Die EED bietet also die gesetzgeberische Grundlage, damit Menschen von Finnland bis Italien und von Portugal bis Polen ab sofort effizienter Energie einsparen können.

So ist die Richtlinie auch in ganz Europa ein vieldiskutiertes Thema, in Deutschland vernachlässigt die öffentliche Wahrnehmung sie aber bisher weitgehend. Warum eigentlich? Der Grund ist ganz einfach: Hierzulande liegt der Fokus noch immer stark auf der Debatte um das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und dem Strombereich – der Leidensdruck ist dabei besonders hoch. Doch die EED mit dem expliziten Fokus Energieeffizienz ist gerade bei uns eine regelrechte Steilvorlage, um die Energiewende entscheidend voranzubringen. Denn in bundesdeutschen Haushalten entfallen 85 % des Primärenergieverbrauchs auf Raumwärme und Warmwasser – im Gegensatz zum Strom mit 15 %. Die Energiewende besitzt also im Wärmebereich in Gebäuden ein enormes Potenzial, das längst nicht ausgeschöpft ist. Folge für Wohnungswirtschaft und Mieter: Sie können zu wichtigen Akteuren der Energiewende werden und gleichzeitig profitieren.

Denn ergänzend zu Maßnahmen wie etwa der Dämmung der Gebäudehülle sind niedriginvestive und innovative Lösungen gefragt, um Energie einzusparen. Gesteigerte Transparenz – zum Beispiel durch monatliche Verbrauchsinformationen – schärft zusätzlich das Energiebewusstsein in den Haushalten und führt so zu einem sparsameren Verbrauchsverhalten. Ein Beispiel aus der Praxis: Alle Daten von Heizkostenverteilern, Wärme- und Wasserzählern in den Gebäuden werden verschlüsselt per Funk über das Mobilfunknetz übertragen, der Mieter muss zur Ablesung nicht mehr in der Wohnung sein. Anschließend können die Werte online an einem Web-Portal eingesehen werden. Über eine solche niedriginvestive Maßnahme lassen sich durchschnittlich bis zu 15 % Energie einsparen. Für Mieter zahlt sich das mit rund 100 € pro Jahr aus. Vermieter haben weniger Verwaltungsaufwand, da keine Terminabsprachen zu treffen sind, Schätzungen bei Leerständen und in Wohnungen ohne Zugang entfallen.

Ein weiterer Aspekt wird im Zusammenhang mit der EED bisher wenig bis gar nicht beachtet. Auch Energieversorger können einen erheblichen Nutzen aus der europäischen Richtlinie ziehen. Denn die EU-Mitgliedsstaaten müssen ab 2014 ihren Energieverbrauch um jährlich 1,5 % senken. Dazu sollen die Mitgliedsstaaten ein Energieeffizienzverpflichtungssystem für Energieversorger einführen. Alternativ können gleichwertige strategische Maßnahmen angerechnet werden: die monatliche Verbrauchsinformation ist eine solche strategische Maßnahme auf das 1,5 % Einsparziel.

Es ist begrüßenswert, dass die Bundesregierung Energieeffizienz und deren Steigerung im Wärmemarkt als eine der Prioritäten in dieser Legislaturperiode ansieht. Auch Sigmar Gabriel sprach vor kurzem davon, dass man den „schlafenden Riesen Energieeffizienz“ wecken müsse. Das sehe ich ganz genau so! Ich setze nun fest darauf, dass im Zusammenhang mit der EED-Umsetzung die Aufmerksamkeit für das Thema Energieeffizienz im Gebäudebereich weiter steigt und die richtigen Schritte eingeleitet werden. Denn die Europäische Energieeffizienzrichtlinie ist eine historische energiepolitische Chance, die wir nicht vergeben dürfen – das gilt für Deutschland und ganz Europa.

Gesteigerte Transparenz – zum Beispiel durch monatliche Verbrauchsinformationen – schärft zusätzlich das Energiebewusstsein in den Haushalten und führt so zu einem sparsameren Verhalten.

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