THW unter Spannung: Stromversorgung im Notfall
Die Einsatzoptionen des Technischen Hilfswerks (THW) bei Störungen im Bereich Kritischer Infrastrukturen
Kein Licht, kein Netz, keine Heizung – Wenn der Strom ausfällt wird es nicht nur in den eigenen vier Wänden ungemütlich. Viele Lebensbereiche unserer zunehmend digitalisierten und auf technische Systeme gestützten Gesellschaft sind an eine zuverlässige Stromversorgung gebunden. Neben Wasserwerken und Kläranlagen betrifft dies auch weitere Grundbedürfnisse wie Informations- und Kommunikationstechniken oder die logistische Verteilung von Brennstoffen für Fahrzeuge und Heizanlagen. Diese erforderlichen Basisdienste nennt man auch Kritische Infrastrukturen (KritIs). Als ehrenamtliche Einsatzorganisation des Bundes besitzt das Technische Hilfswerk (THW) Fachexpertise im Bereich Katastrophenhilfe und Bevölkerungsschutz. Die Elektroversorgung zählt dabei zu den Kernkompetenzen des THW.
Anfordern von THW-Einsatzkräften
Ist die Energie- und Wasserversorgung eines Gebäudes längerfristig gestört, kann dies dramatische Folgen haben. Kommt es aufgrund von Unwettern, Bränden oder mechanischen Schädigungen an Stromleitungen zu großflächigen Stromausfällen, ist daher schnelles Eingreifen erforderlich. In diesen Fällen kann das Technische Hilfswerk auf Anforderung von öffentlichen Bedarfsträgern wie Polizei oder Feuerwehr Gebäude und öffentliche Einrichtungen übergangsweise mit Notstrom versorgen und weitere notwendige Infrastrukturen wieder Instand setzen. THW-Fachberaterinnen und –Fachberater kennen die gesamten Einsatzoptionen und -möglichkeiten des THW und unterstützen die Anforderer im ersten Schritt bei der Auswahl der benötigten Einheiten.
Um Kritische Infrastrukturen nach Schadenslagen zu sichern, verfügt das THW über spezielle Fachgruppen: Bundesweit gibt es 78 Fachgruppen Elektroversorgung, in denen jeweils mindestens neun Ehrenamtliche mit teilweise langjähriger Erfahrung und einer elektrotechnischen Ausbildung aktiv sind. Bei Einsätzen nutzen die Expertinnen und Experten des THW schallgedämpfte Notstromaggregate und Netzersatzanlagen (NEA) mit einer Leistung von durchschnittlich 200 Kilovoltampere (kVA). Zusätzlich können sie mehrere Netzersatzanlagen dieser Größenordnung miteinander synchronisieren und koppeln. Dadurch erzeugen sie gleichzeitig große Mengen Strom, die bei öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Kläranlagen oder kleineren Knotenpunkten direkt ins Stromnetz eingespeist werden und ein Wohngebiet oder einen Ortsteil vorrübergehend mit Strom versorgen können.
Neue Fachgruppe Notversorgung und Notinstandsetzung
Gerade extreme Wetterereignisse wie Unwetter, Stürme oder Schneemassen führen immer häufiger zu Schäden an Stromleitungen und somit zu großflächigen Stromausfällen. Um sich an neue Anforderungen und Schadenslagen anzupassen, etabliert das THW aktuell die neue Fachgruppe Notversorgung und Notinstandsetzung (Fachgruppe N). Die Einführung der Fachgruppe N bildet dabei einen Teil des neuen THW-Rahmenkonzepts, welches das Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat im Oktober 2016 genehmigte. Darin ist vorgesehen, dass langfristig in jedem der bundesweit 668 Ortsverbände eine solche Fachgruppe integriert wird, um die flächendeckende Notversorgung und Notinstandsetzung bei Großschadenslagen im Bereich kritischer Infrastrukturen auszubauen.
Die Fachgruppe N vereint dabei verschiedene Fachkompetenzen des THW. Werden kritische Infrastrukturen gestört, können die THW-Helferinnen und -Helfer Gebäude und Fahrzeuge mit Kraftstoff versorgen, zentrale Orte und Einrichtungen beleuchten, Pumparbeiten sowie Transportfahrten zu Wasser und zu Land durchführen. Dank einer Netzersatzanlage mit 50 Kilovoltampere (kVA) können die Einsatzkräfte des THW eigenständig oder in Zusammenarbeit mit anderen Fachgruppen Bauwerke oder Kommunikationsnetze vorübergehend mit Notstrom versorgen. Da alle Fachgruppen des THW modular und je nach Schwerpunkt einheitlich aufgebaut und mit technischem Gerät ausgestattet sind, arbeiten Helferinnen und Helfer aus verschiedenen Bundesländern bei großen Einsätzen problemlos zusammen. Damit alle Teams bei Einsätzen schnell und routiniert eingreifen können, nehmen die Ehrenamtlichen regelmäßig an Übungen teil und bilden sich weiter. Dabei kooperiert das THW nicht nur mit anderen Rettungsorganisationen wie der Feuerwehr, sondern bei Übungen im Bereich der Elektroversorgung auch gezielt mit Stromversorgern und Netzbetreibern.
THW-Einsatz bei Blackout in Berlin
Als im Februar 2019 bei Bauarbeiten an einer Brücke in Berlin eine zentrale Stromleitung beschädigt wurde, kam es zu einem der größten und längsten Stromausfälle in der Hauptstadt. Mehrere Stadtteile waren über 31 Stunden lang ohne Strom. Auch Teile des Bahnnetzes waren zeitweise nicht nutzbar. Angefordert durch die Feuerwehr und die Deutsche Bahn waren rund 90 THW-Helferinnen und -Helfer mit Generatoren und Lichtmasten im Einsatz. Im Schichtdienst speisten sie Notstrom ein und sicherten die Stromversorgung mehrerer Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen. Die schnelle Wiederinbetriebnahme des ausgefallenen Bahnnetzes konnten die Einsatzkräfte des THW mit mehreren Generatoren unterstützen. Bei so einem großflächigen Stromausfall verläuft der Einsatz des THW nach klaren Prioritäten: Zuerst wird die Energieversorgung der eigenen Einheiten und Fachgruppen sichergestellt, damit die Helferinnen und Helfer im nächsten Schritt die kritischen Infrastrukturen und sensiblen Einrichtungen wie Krankenhäuser oder Abwasserpumpen sichern und versorgen können. Energie, Wasser, Informationstechnik, Gesundheit und Ernährung – wenn diese grundlegenden Lebensbereiche stabilisiert sind, versorgt das THW bei einem anhaltenden Ausfall der Elektrizität auch Wohngebiete oder wirtschaftliche Betriebe mit Notstrom.
Meike Michelmann genannt Lohmann, Bundesanstalt Technisches Hilfswerk, Referat EA2, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit