Urteile
Bebauungsplan der Innenentwicklung, Maßgeblichkeit der tatsächlichen Verhältnisse
VwGO §§ 47, 137
BauGB §§ 1, 2, 2a, § 3 Abs. 2, §§ 13a, 214, 215
SUP-Richtlinie Art. 3 Abs. 5 Satz 1, Anhang II Nr. 1 Spiegelstrich 3
1. Für die Anwendbarkeit des beschleunigten Verfahrens nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB kommt es maßgeblich auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf den planungsrechtlichen Status der zu überplanenden Flächen an.
2. Wird in den textlichen Festsetzungen eines Bebauungsplans auf nicht öffentlich zugängliche technische Vorschriften verwiesen, genügt auch ein Hinweis in der ortsüblichen Bekanntmachung des Bebauungsplans, dass die in Bezug genommene technische Vorschrift bei der Verwaltungsstelle, bei der der Bebauungsplan eingesehen werden kann, zur Einsicht bereitgehalten wird.
BVerwG Urteil vom 25. Juni 2020 - 4 CN 5.18 - (VGH Mannheim)
Zum Sachverhalt:
Gegenstand des Verfahrens ist die im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB beschlossene 3. Änderung eines Bebauungsplans.
Der aus dem Jahr 1983 stammende Bebauungsplan umfasst ein insgesamt 6,1 ha großes Gebiet. Er setzt für den nördlichen Teil des Plangebiets ein Dorfgebiet und im Übrigen ein allgemeines Wohngebiet fest. Die Planung wurde im Wesentlichen nicht umgesetzt.
Die Antragsteller sind Eigentümer des im Geltungsbereich des Bebauungsplans gelegenen unbebauten Grundstücks .... . Der Antragsteller zu 2 ist außerdem Eigentümer des ebenfalls im Geltungsbereich des Bebauungsplans gelegenen, mit Wohnhäusern sowie ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäuden bebauten Grundstücks ..., für das der Bebauungsplan ein Dorfgebiet festsetzt.
Mit der 3. Änderung wird der Bebauungsplan auf einer Fläche von 4,2 ha geändert. Der Plan setzt für seinen gesamten Geltungsbereich ein allgemeines Wohngebiet fest und regelt die innere Erschließung neu.
Der VGH hat den Normenkontrollantrag der Antragsteller gegen die neu bekannt gemachte 3. Änderung zurückgewiesen. Der zulässige Normenkontrollantrag sei unbegründet. Die Bekanntmachung sei nunmehr ordnungsgemäß erfolgt. Die Wahl des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB sei nicht zu beanstanden, denn bei der 3. Änderung handele es sich um einen Bebauungsplan der Innenentwicklung. Auch in materieller Hinsicht begegne die 3. Änderung keinen Bedenken, insbesondere liege kein Abwägungsfehler vor.
Bebauungsplan der Innenentwicklung, beschleunigtes Verfahren, Wiedernutzbarmachung von Flächen
BauGB § 1a Abs. 2, § 13a Abs. 1 und 4
SUP-RL Art. 3 Abs. 5 Satz 1, Anhang II Nr. 1 Spiegelstrich 3
1. Die Wiedernutzbarmachung einer Fläche als Maßnahme der Innenentwicklung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB ist erst ausgeschlossen, wenn eine ehemals dem Siedlungsbereich angehörende, baulich in Anspruch genommene Fläche diese Zugehörigkeit wieder verloren hat. 2. Ob eine tatsächlich vorbelastete Brachfläche weiterhin dem Siedlungsbereich angehört, bestimmt die Verkehrsauffassung.
BVerwG Urt. v. 27. August 2020 - 4 CN 4.19 - (OVG Berlin-Brandenburg)
Zum Sachverhalt:
[1] I. Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit des Bebauungsplans „Ortszentrum Gl.“ - Teil A - 2. Änderung aus dem Jahr 2015 (im Folgenden: Änderungs-Bebauungsplan), den die Antragsgegnerin im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB aufgestellt hat.
[2] Das Plangebiet liegt nördlich des zum alten Ortskern gehörenden bebauten Bereichs um die Straße „K.“ und südlich des Betriebsgeländes der Antragstellerin. Im Osten wird es durch den Gl.see begrenzt. Die Fläche war in der Vergangenheit als Ziegeleigelände, später als Übungsgelände der Zivilverteidigung bzw. als Stützpunkt für den Katastrophenschutz genutzt; 2001 wurden die meisten Gebäude zurückgebaut und das Areal großflächig entsiegelt.
[3] Im Jahr 2005 überplante die Antragsgegnerin u.a. das Plangebiet mit dem Bebauungsplan „Ortszentrum Gl.“, Teil A (im Folgenden: Ursprungsbebauungsplan). Dieser etwa 7,8 ha umfassende Plan setzte im Wesentlichen allgemeine Wohngebiete mit einer das Plangebiet von Norden nach Süden bogenförmig querenden Erschließungsstraße fest und überplante auch das Betriebsgelände der Antragstellerin. Seine Festsetzungen wurden nicht verwirklicht.
Vorkaufsrecht, Kaufvertrag als fristauslösendes Ereignis für Ausübung des Vorkaufsrechts
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
BauGB §§ 24 ff., § 28 Abs. 2 Satz 1 und 2
Die Zwei-Monatsfrist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB beginnt erst mit Eintritt des Vorkaufsfalles, also mit Rechtswirksamkeit des Kaufvertrages zu laufen.
BVerwG Beschluss vom 28. Auguste 2020 - 4 B 3.20 - (OVG Bautzen)
Aus den Gründen:
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg; sie ist jedenfalls unbegründet.
Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Dies setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. BVerwG Beschl. v. 2.10.1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90, 91, v. 14.10. 2019 - 4 B 27.19 - ZfBR 2020, 173 Rn. 4 und v. 12.5.2020 - 4 BN 3.20 - juris Rn. 3). ....
Die Beschwerde wirft sinngemäß die Frage auf, ob die Zwei-Monatsfrist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB für die Ausübung des gemeindlichen Vorkaufsrechts bereits mit der Mitteilung des Inhalts des Kaufvertrages an die Gemeinde zu laufen beginnt oder ob darüber hinaus erforderlich ist, dass der Kaufvertrag wirksam ist.
Das OVG ist davon ausgegangen, dass die Zwei-Monatsfrist des § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der Mitteilung über das Zustandekommen eines wirksamen Kaufvertrages beginne. Ein wirksamer Kaufvertrag liege vor, wenn alle nach zivil- oder öffentlich-rechtlichen Vorschriften erforderlichen Genehmigungen erteilt worden seien. Das sei hier erst mit der Bekanntgabe des Bescheids vom 19.3.2012 über die sanierungsrechtliche Genehmigung der Fall gewesen, sodass das Vorkaufsrecht von der Beklagten rechtzeitig ausgeübt worden sei.
Ausgleichsbetrag, Qualitäts- und Wertermittlungsstichtag für sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung
BauGB §§ 153, 154 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2
ImmoWertV § 4 Abs. 1 Satz 1
Zu einer nach dem Qualitätsstichtag mit den Zielen und Zwecken der Sanierung übereinstimmende qualitative Entwicklung des Sanierungsgebietes und zu Bodenwertsteigerungen, die auf Mittel anderer öffentlicher Auftraggeber nach § 164a Abs. 1 Satz 2 BauGB zurückzuführen sind, unter Berücksichtigung von steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7h EStG sowie Investitionszulagen nach § 3a Investitionszulagengesetz.
BVerwG Beschl. v. 24. Juli 2020 - 4 B 11.19 - (OVG Berlin-Brandenburg)
Aus den Gründen:
1. Die Beschwerde hält die Fragen für grundsätzlich bedeutsam, ob eine nach dem Qualitätsstichtag mit den Zielen und Zwecken der Sanierung übereinstimmende qualitative Entwicklung des Sanierungsgebietes nicht sanierungsbedingt i.S.v. § 154 Abs. 1 und 2 BauGB sein kann, sowie ob Sachverhalte, die weder am Qualitätsstichtag bzw. vor Beginn der Sanierungsmaßnahme bekannt noch vorhersehbar gewesen sind, in den sanierungsunbeeinflussten Anfangswert nach §§ 153 Abs. 1, 154 Abs. 1 und 2 BauGB eingerechnet werden.
Diese Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne Weiteres beantworten lassen .... .
Nach § 154 Abs. 1 Satz 1 BauGB hat der Eigentümer eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zur Finanzierung der Sanierung an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag in Geld zu entrichten, der der durch die Sanierung bedingten Erhöhung des Bodenwerts seines Grundstücks entspricht. Die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks besteht gemäß § 154 Abs. 2 BauGB aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (Endwert). Aus diesem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass allein diejenige Erhöhung des Bodenwertes abzuschöpfen ist, die kausal auf die Sanierung zurückzuführen ist (BVerwG Beschl. v. 15.3. - 4 B 66.17 - ZfBR 2018, 478 Rn. 10).
Anfangs- und Endwert sind auf denselben Zeitpunkt zu ermitteln (BVerwG Urt. v. 27.11.2014 - 4 C 31.13 - NVwZ 2015, 531 Rn. 6). Von diesem Wertermittlungsstichtag ist der Qualitätsstichtag zu unterscheiden. Er bezeichnet den Zeitpunkt, auf den sich der für die Wertermittlung maßgebliche Grundstückszustand bezieht (vgl. § 4 Abs. 1 Satz 1 ImmoWertV). Der Qualitätsstichtag für den Anfangswert ist grundsätzlich durch den Zeitpunkt des beginnenden Sanierungseinflusses bestimmt und damit dem Wertermittlungsstichtag vorgelagert (BVerwG Beschl. v. 15.3.2018 - 4 B 66.17 - ZfBR 2018, 478 Rn. 11 f.; Kleiber/Fieseler in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Februar 2020, § 154 Rn. 96 und Rn. 131 ff.; Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 9. Aufl. 2020, VI Rn. 318 ff. und 556).
Lärmbewertung, Biergartennutzungen in allgemeinem Wohngebiet mit bis zu 300 Sitzplätzen
TA Lärm Nr. 6.7
BauNVO § 4 Abs. 2
Zur Frage, ob der jeweilige Schutzcharakter der sich gegenüberliegenden Gebiete im Rahmen der Nr. 6.7 TA Lärm im Regelfall um zwei Stufen auseinanderliegen muss, um die Zwischenwertbildung vornehmen zu dürfen.
BVerwG Beschl. v. 8.7.2020 - 4 B 44.19 - (OVG Münster)
Aus den Gründen:
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, die ihr die Beigeladene beimisst.
4 a) Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob der jeweilige Schutzcharakter der sich gegenüberliegenden Gebiete im Rahmen der Nr. 6.7 TA Lärm im Regelfall um zwei Stufen auseinanderliegen muss, um die Zwischenwertbildung vornehmen zu dürfen.
Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, denn sie ist nicht entscheidungserheblich. Für sanierungsbedingte Bodenwerterhöhung ist zwar davon ausgegangen, dass eine Zwischenwertbildung daran scheitere, dass für die Anwendung der Nr. 6.7 TA Lärm die sich gegenseitig beeinträchtigenden Gebiete entsprechend dem Schutzcharakter gemäß der Immissionsrichtwert-Skala der Nr. 6.1 TA Lärm im Regelfall um mindestens zwei Stufen auseinanderliegen müssten, was hier nicht der Fall sei. Selbständig tragend hat es jedoch weiter angenommen, eine Zwischenwertbildung bezogen auf die vom Lärm der A.straße und der ihr gegenüberliegenden Bebauung abgeschirmte rückwärtige Seite des Gebäudes A.straße ... erscheine auch in der Sache nicht gerechtfertigt. Ist die vorinstanzliche Entscheidung - wie hier - auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so kann die Revision nur zugelassen werden, wenn hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Revisionszulassungsgrund aufgezeigt wird und vorliegt (stRspr, vgl. etwa BVerwG Beschl. v. 9.12.1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 S. 4). Denn ist nur bezüglich einer Begründung ein Zulassungsgrund gegeben, kann diese Begründung hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert (stRspr, vgl. etwa BVerwG Beschl. v. 21.8.2018 - 4 BN 44.17 - Buchholz 406.11 § 215 BauGB Nr. 21 Rn. 3).
Bebauungsplan - Entwurf, Offenlage, inhaltliche Richtigkeit der Angaben
BauGB § 2 Abs. 3 Satz 2
Zu Anforderungen an die Richtigkeit der Bestandteile der Offenlage.
BVerwG Beschluss vom 14. September 2020 - 4 BN 10.20 - (VGH München)
Aus den Gründen:
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
a) Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob die Bekanntmachung der Offenlage nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht nur dann unzulänglich ist, wenn sie gebotene Bestandteile nicht enthält, sondern auch dann, wenn sie bereits - ob notwendig oder nicht - über Inhalte des aktuellen Planentwurfs Mitteilungen enthält, die inhaltlich falsch sind?
Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Es kann offenbleiben, ob sie sich in dem angestrebten Revisionsverfahren überhaupt stellen würde. Der VGH hat nämlich mit bindender Wirkung für den Senat (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass in der Bekanntmachung die wesentlichen Planungsziele richtig umschrieben worden seien, während er von einer von den Antragstellern unterstellten abschließenden Wiedergabe des Inhalts des Bebauungsplans in der Bekanntmachung nicht ausgegangen ist. Sie ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig. Denn in der Rechtsprechung des Senats ist anerkannt, dass die öffentliche Bekanntmachung grundsätzlich keine Zusätze oder Einschränkungen enthalten darf, die geeignet sein könnten, auch nur einzelne an der Bauleitplanung interessierte Bürger von der Erhebung von Stellungnahmen abzuhalten (BVerwG Beschluss vom 27. Mai 2013 - 4 BN 28.13 - ZfBR 2013, 580 Rn. 7). Einen hierüber hinausgehenden fallübergreifenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf. Ob die Anstoßwirkung verfehlt wird, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, mit denen sich der VGH auseinandergesetzt hat.