Wärmedämmung mit „Bodyguard“
In München hat die GEWOFAG in zwei mehrgeschossigen Neubauten über 370 Wohnungen geschaffen. Bei der Wandkonstruktion entschieden sich die Planer für ein robustes Dickputzsystem mit einem Putzaufbau von über 20 Millimetern Schichtdicke.
Nach dem städtebaulichen Entwurf des Züricher Büros von Ballmoos Krucker Architekten und der Hochbau-Planung der MAIER.NEUBERGER.ARCHITEKTEN GmbH entstand an der Carl-Wery-Straße im Münchener Stadtteil Neuperlach zwischen Dezember 2015 und Januar 2020 im Auftrag der GEWOFAG ein Gebäudeensemble mit insgesamt 377 neuen 1- bis 4-Zimmerwohnungen, einer Kinderkrippe mit vier Gruppen und einem Bewohnertreff. Der nördliche, erste Bauabschnitt mit 158 Wohnungen wurde bereits im Frühjahr 2019 fertiggestellt. Ende 2019 folgte dann der zweite, südlich gelegene Bauabschnitt mit 219 Wohnungen.
Geförderter Wohnraum für Neuperlach
Mit einer Bruttogrundfläche von rund 34.000 Quadratmetern und einer Investitionssumme von 100 Mio. Euro handelt es sich bei den beiden geschwungenen Gebäuden mit zwei bis acht Stockwerken um ein echtes Großprojekt. Eine besondere Herausforderung war die Integration verschiedener Fördermodelle. Bei dem Projekt an der Carl-Wery-Straße handelt es sich um eines von vier Pilotprojekten der Stadt München. 82 Wohnungen werden einkommensorientiert gefördert, 50 laufen unter der München-Modell-Miete und 38 weitere unter dem kommunalen Wohnungsbauprogramm KomPro/B.
Über die Hälfte der Einheiten wird als so genannte KMB-Wohnungen vermietet. Bei diesem „konzeptionellen Mietwohnungsbau“ gelten für potenzielle Mieter keine Einkommensgrenzen, der Mietpreis ist an den Münchner Mietspiegel gekoppelt. Gleichzeitig verpflichtet sich die GEWOFAG, mit rund 37.000 Wohnungen Münchens größte Vermieterin, die Miete für diese Wohnungen 60 Jahre lang nur im Rahmen der Anpassung an den Verbraucherpreisindex zu erhöhen.
Verkehrstechnisch günstig gelegen
Auch das Mobilitätskonzept basiert auf einem Pilotprojekt und bietet Mietern unter anderem die Möglichkeit Autos, Fahrräder und MVV-Tickets auszuleihen. U- und S-Bahnhof Neuperlach-Süd befinden sich in unmittelbarer Nähe. Außerdem stehen eine Tiefgarage mit über 270 Stellplätzen sowie über 600 Fahrradstellplätze zur Verfügung. Direkt am Eingang nach Neuperlach gelegen, hat die Wohnanlage auch repräsentativen Charakter. „Die Gebäude sind eine Art Eingangstor, sind sie doch das erste, was man, aus südlicher Richtung kommend, nach der Fahrt über freie Feldflächen von Neuperlach sieht“, beschreibt Sebastian Rickert, der bei MAIER.NEUBERGER.ARCHITEKTEN für das Bauvorhaben zuständig war.
Die städtebauliche Lage war jedoch auch eine Herausforderung. So stellte beispielsweise die durch die angrenzende Einfallstraße auftretende Schallimmission hohe Anforderungen an Gebäude- und Wohnungsorganisation. Und auch die Planung eines so großen Wohnbauprojekts gemäß verschiedener Förderstandards verlangte nach Lösungen mit Augenmaß und Fingerspitzengefühl.
Polygone Gebäudeform und abgetreppte Geschosse
Der städtebauliche Entwurf von Ballmoos Krucker Architekten sah von vornherein eine besondere Gebäudeform vor, die an die Großformate in Neuperlach anknüpft. Die rund anmutenden Formen im Bebauungsplan wurden von den mit dem Hochbau beauftragten Architekten als Polygon ausgearbeitet. Wie ein gefalteter Vorhang springen einzelne gerade Fassadenabschnitte im Wechsel nach innen und nach außen, so dass sie einen Bogen nachzeichnen. „Hier galt es abzuwägen“, erklärt Sebastian Rickert. „Neben den Auswirkungen auf den Innenraum, zum Beispiel hinsichtlich einer möglichen Möblierung, wäre eine runde Außenwand in der Herstellung technisch sehr aufwendig. Das Polygon stellt die beste Annäherung an die runde Form dar, ohne dass wir die Nachteile in Kauf nehmen mussten.“
Aufgrund des wachsenden Wohnraumbedarfs wurde die maximale Geschossanzahl auf acht erhöht. Gleichzeitig wurde die Gebäudehöhe an den Grundstücksgrenzen der Nachbarbebauung angepasst, so dass sich durch abgetreppte Geschosse nun eine interessante Silhouette ergibt. „Eine Herausforderung bestand darin, dass kaum eine Situation doppelt vorkommt, was die Planung insgesamt deutlich aufwändiger gestaltete, als bei gefördertem Wohnungsbau in dieser Größenordnung üblich“, sagt Sebastian Rickert.
Allen Ansprüchen gerecht geworden
Generell mussten auch in Neuperlach, wie bei allen Planungen dieser Größenordnung, verschiedene Ansprüche miteinander vereint werden, wobei jeder der Aspekte Wirtschaftlichkeit, Energieeffizienz, Gestaltung, Lebensqualität und bezahlbarer Wohnraum ausreichend gewichtet werden musste. Zudem war Barrierefreiheit als Grundlage für eine Wohnbauförderung gemäß DIN 18040 unabdingbar, so dass Aufzug und schwellenfreie Wohnsituationen bei der Planung ebenso berücksichtigt wurden, wie eine Mindestbreite in Fluren, Küchen und Nasszellen. „Die Herausforderung bestand darin, die richtige Schnittmenge der teilweise widersprüchlichen Zielsetzungen zu finden und trotzdem ein charakteristisches Gebäude zu planen“, sagt Sebastian Rickert.
Die Gebäude wurden auf dem Energiestandard des KfW-Effizienzhaus 70 geplant. Bei der Dimensionierung der Fenster spielten neben dem energetischen Aspekt auch Belichtung und Möblierbarkeit eine Rolle. Um eine möglichst energieeffiziente Bauweise zu realisieren, wurde die Außenseite zur Straße glatt ausgebildet. Zur Innenseite gaben die Architekten übereinander liegenden Loggien den Vorzug vor energetisch effizienteren Balkonen, um für eine privatere Atmosphäre zu sorgen. „Große Gebäude wie dieses Bauvorhaben sind aufgrund des günstigen Verhältnisses von Oberfläche zu Volumen grundsätzlich deutlich effizienter als kleinere Typologien“, erläutert Sebastian Rickert.
Robustes und langlebiges Dickputzsystem
Bei der Fassadenkonstruktion wünschte sich der Bauherr eine robuste, wirtschaftliche und wartungsarme Fassade, die den Besonderheiten der Gebäudeform und -größe gerecht wird. Da eine monolithische Bauweise in Mauerwerk bei der vorhandenen Gebäudehöhe statisch nicht mehr sinnvoll gewesen wäre, musste eine adäquate Alternative gefunden werden. Die Wahl fiel auf das weber.therm Dickputzsystem des Baustoffherstellers Saint-Gobain Weber. Das vollmineralische System basiert auf einer 16 cm starken Mineralwolle-Dämmplatte, einem super-dickschichtigen Grundputz und einer dickschichtigen Armierungsschicht, in die ein Gewebe eingebettet wird. Als Oberflächenfinish folgte ein mineralischer Oberputz. Dieses massive, vollmineralische Putzsystem knüpft an klassische Bauweisen an, lediglich auf einer zeitgemäßen Dämmschicht, statt auf monolithischem Mauerwerk.
Durch die Verbindung von Schlagfestigkeit und einem hohen Brand- und Schallschutz eignet sich das dickschichtige Wärmedämm-Verbundsystem optimal für große Wohnungsbauten. Es ist zudem besonders wartungsarm und anwendungssicher. Der super-dickschichtige Aufbau sorgt für effizienten Wärmeschutz und hält die Fassade dauerhaft trocken und algenfrei. Gleichzeitig sorgt die robuste, über 20 mm dicke, mineralische Putzschale für erhöhten Schutz gegen Vandalismus, Schlagregen und Spechtlöcher. Zum Vergleich: Übliche dünnschichtige WDVS-Putzsysteme kommen auf etwa 5 - 6 Millimeter Gesamtdicke.
Akzente setzen durch Putz und Klinker
Die Wahl der Oberfläche war insbesondere hinsichtlich der großen, zur Straße weisenden Fassadenflächen relevant. Struktur erhalten diese durch einen groben Putz, der in Besenstrichtechnik ausgeführt wurde. „Dies gibt den Flächen entgegen einem glatten Putz eine weitere Wahrnehmungstiefe und ist in der Ausführung toleranter“, sagt Sebastian Rickert. „Der Besenstrich läuft quer zu den Fassadenstreifen, die wir wie einen geknickten Vorhang verstehen, und sorgt dafür, dass die Höhe der Gebäude nicht noch mehr betont wird. Die feinen horizontalen Linien des Putzes kann man außerdem als eine Art Stoffstruktur lesen.“
Bei dem eingesetzten Putz handelte es sich um den mineralischen Edelputz weber.star 224 AquaBalance. Die AquaBalance-Putztechnologie mit natürlichem Algenschutz bietet eine wirkungsvolle, physikalische Alternative zu biozid eingestellten Fassadenputzen. Auf der hydrophilen, also wasserliebenden, Putzoberfläche werden stehende Tropfen durch eine Art Löschblatteffekt gespreizt und somit ihre Verdunstungsfläche erhöht. Gleichzeitig verfügen die Putze über eine ausgeprägte Kapillaraktivität, wodurch das Wasser von der obersten Lage gezogen und erst während der nächsten Trockenphase wieder abgegeben wird. Algen und Pilzen wird auf natürliche Weise das Wasser und damit die Lebensgrundlage entzogen.
Beim Sockel entschied man sich für eine Ausführung mit Riemchen. Diese Konstruktion ist nicht nur besonders robust und somit ideal für Eingänge, Durchgänge und den Übergang zum Erdreich geeignet, sie hat auch eine gestalterische Funktion. Der Sockel gibt dem bis zu acht Geschosse hohen Gebäude eine Basis und zeichnet gleichzeitig eine Silhouette in einem kleineren Maßstab. „Wenn man durch die Höfe geht, kann man sich mit dem Auge an dem Sockel festhalten“, sagt Sebastian Rickert. „An den Durchgängen und Eingängen springt er nach oben. Er differenziert, betont und schafft Orientierung.“
Die Gebäude wurden auf dem Energiestandard des KfW-Effizienzhaus 70 geplant.
Bei der Fassadenkonstruktion wünschte sich der Bauherr eine robuste, wirtschaftliche und wartungsarme Fassade.