„Wir brauchen einen Schulterschluss für die Glasfaser“
Interview mit Jean-Pascal Roux, Senior Vice President des Bereichs „Wohnungswirtschaft und Breitbandausbau Geschäftskunden“ der Telekom. Zuvor arbeitete Roux unter anderem bei Tele Columbus und PrimaCom.
Glasfaser soll der neue Standard für die digitale Grundversorgung sein. Warum erst jetzt? Andere Länder sind längst weiter.
Jean-Pascal Roux: Glasfaser ist weltweit der Standard, aber wir haben gute Chancen, jetzt aufzuholen. Wir fangen ja nicht bei null an, sondern haben unser Netz in den letzten Jahren bereits mit Glasfaser erneuert; vielerorts stehen wir praktisch schon vor der Haustür. Jetzt brauchen wir den Schulterschluss mit der Wohnungswirtschaft, um unsere Anschlüsse in den Wohnungen zu modernisieren.
Erwarten Sie Widerstände der Wohnungswirtschaft oder Mieterverbänden? Die Verlegung bis in die Wohnung ist aufwändig, außerdem liegt dort ja oft schon ein Kabel-TV-Anschluss.
Jean-Pascal Roux: Kennen Sie ein Haus ohne Telekom-Anschluss? Er ist Teil der essenziellen Gebäude-Infrastruktur und die ist halt jetzt nicht mehr aus Kupfer, sondern aus Glas. Die Fasern sind viel dünner noch als ein Haar, das erleichtert die Verlegung. Die Telekom genießt höchstes Vertrauen bei den Menschen. Die Tatsache, dass unsere Netze anbieteroffen und frei von Zwangsgebühren sind, überzeugt auch Mieter- und Verbraucherschützer.
Die Wohnungswirtschaft beklagt die Abschaffung der Nebenkostenumlage von Kabel-TV-Gebühren, für die sich die Telekom eingesetzt hat.
Jean-Pascal Roux: Die Nebenkostenumlage stammt aus der Ära Helmut Kohl; sie sollte den Bau von Fernsehkabelnetzen beschleunigen. Inzwischen endet das Kupferzeitalter und der Gesetzgeber möchte den Bau von Glasfaseranschlüssen beschleunigen. Andere Zeiten, andere netzpolitische Ziele. Es bringt nichts, über Netze und Gesetze von gestern zu streiten. Corona hat gezeigt, dass Politik und Wirtschaft mit aller Kraft Deutschland auf die digitale Überholspur bringen müssen. Blicken wir nach vorn.
Was sagen Sie Vermietern und Verwaltern, die eine Glasfaser-Modernisierung mit Blick auf ältere Mieter lieber abwarten würden?
Jean-Pascal Roux: Die alte Dame, die ausschließlich ZDF guckt, gibt es doch längst nicht mehr; die meisten Seniorinnnen und Senioren surfen im Netz und haben moderne Smart-TVs. Die Telefonnummer und die vertrauten TV-Programme bleiben ohnehin, zudem sorgt die Telekom für eine Mieterkommunikation und einen sauberen Wechsel von Kupfer auf Glas am Tag X. Spätestens beim Mieterwechsel kommt die Frage nach dem Glasfaseranschluss.
Hat Corona der Telekom auf die Sprünge geholfen?
Jean-Pascal Roux: Corona hat in der Wirtschaft, Politik und Gesellschaft das Bewusstsein geschärft, dass wir dringend ein Update für Deutschland brauchen – und das steht und fällt mit dem Glasfaseranschluss. Die Telekom hat schon vor Corona den Ausbau mit Glasfaser weit vorangetrieben. Jetzt hoffen wir, dass wir für das letzte Stück in die Wohnungen eine Aufbruchstimmung nutzen können. Jeder spürt: Es muss endlich etwas geschehen, wir können uns keinen Aufschub leisten.
Wie will die Telekom das gigantische Pensum überhaupt bewältigen?
Jean-Pascal Roux: Die Telekom ist groß und stark, aber den Anschluss für alle schaffen auch wir nicht im Alleingang. Wir öffnen uns deshalb zunehmend neuen Partnern, gerade auf regionaler und lokaler Ebene. Wir entwickeln ganz neue Kooperationsformen, sogar mit Wettbewerbern. Das geschieht nicht über Nacht, aber es geschieht. Insofern bedeutet der Aufbruch ins Glasfaserzeitalter auch für die Telekom einen Kulturwandel.