Wohnen nach dem „Düsseldorfer Modell“

Wohnraum ist in Deutschland knapp. Vor allem in den Großstädten wird sich diese Situation weiter verschärfen – nicht zuletzt wegen des Zuzugs von einer Millionen Flüchtlingen. Die Landeshauptstadt Düsseldorf geht mit pragmatischen Strategien zur Bewältigung dieser Herausforderungen voran.

Bis Mitte 2014 hatte Düsseldorf etwa 1.500 Flüchtlinge unterzubringen. Dies erfolgte in Bestandsgebäuden der Stadt oder indem Häuser angemietet wurden. Ab Mitte 2014 mussten signifikant mehr Flüchtlinge versorgt werden, was Sammelunterkünfte nötig machte. Zunächst wurden hierfür sämtliche vorhandenen Bestandsgebäude der Stadt genutzt und Wohnflächen durch Umbaumaßnahmen geschaffen.

Zeitlich befristete Anmietungen und gegebenenfalls kurzfristige Renovierungen gab es darüber hinaus bei kirchlichen Trägern und Sozialverbänden. Auf dem freien Markt wurden leer stehende Bürogebäude angemietet und zu Unterkünften mit unterschiedlichen Belegungsdichten umgestaltet. Die Vertragslaufzeiten erstrecken sich in der Regel über fünf bis zehn Jahre – abhängig von der Lage und den Vorgaben des jeweiligen Bebauungsgebiets.

Im April 2015 ging dann auch eine neue, einfache Miet-Containeranlage für zwei Jahre in Betrieb, die den Bedarf an zusätzlichen Wohnflächen – samt Gemeinschaftsküchen und sanitären Anlagen – für Flüchtlinge kurzfristig deckte. Sie besteht aus fünf Containerblöcken, in denen je 40 Personen Platz finden. Außerdem sind ein Verwaltungstrakt und ein Pförtnergebäude vorhanden.

Weitere Überlegungen für mittelfristige Lösungen führten anschließend dazu, Grundstücksflächen von wenigstens 4.000 m² zu suchen. Sie sollten für mindestens fünf Jahre genutzt werden und je etwa 200 Menschen ein Dach über dem Kopf bieten. Wichtig waren hier flexible Möglichkeiten zur Belegung, also eine Mischung für Alleinreisende und Familien zu schaffen. Außerdem sollte ein gestalteter Außenraum vorhanden sein: Eine angemessen große gemeinschaftlich genutzte Grünanlage mit Spielmöglichkeiten für Kinder.


Wohncontainer werden so gebaut, dass Wohngemeinschaften entstehen

Die dafür notwendigen Grundstücke sollten sich möglichst im Eigentum der Stadt Düsseldorf befinden und idealerweise gleichmäßig im Stadtgebiet verteilt sein, um einer Ghetto-Bildung vorzubeugen. Die Stadt identifizierte mehrere Grundstücke, die grundsätzlich für eine solche Sammelunterkunft geeignet waren – ohne in diesem ersten Schritt sämtliche lokalen Details zu erheben.

Die dort zu errichtenden Einheiten sollen sich aus maximal 20 Personen je Eingang zusammensetzen. Sie sind eine Mischung aus Sammelunterkunft für Alleinreisende und einer Familienunterkunft. Die einzelnen Gebäude gruppieren sich um einen Innenhof und können bei Bedarf zweigeschossig ausgeführt werden. Zudem gibt es eine zentrale Anlaufstelle für Verwaltung, Sozialdienst sowie Aufenthaltsräume, zum Beispiel für Schulungen. Um die Belegung kontrollieren zu können, sollte das Gelände umzäunt sein und über einen Pförtnerdienst verfügen, der rund um die Uhr besetzt ist.

Neben den üblichen baulichen Anforderungen – wie denen der Energieeinsparverordnung, des Brand- und Schallschutzes – galt es, die Gebäude an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten anzupassen. Dazu mussten zum Teil neue bauliche Standards für eine gefällige und fachgerechte Außen- und Innenraumgestaltung gefunden werden. Die Wohneinheiten sind behindertengerecht, ihre Ausstattung ebenso einfach wie praktikabel: Fest installierte sanitäre Einrichtungen; Gemeinschaftsküchen mit Küchenblöcken, in die Herdplatten mit Zeitschaltuhren sowie Spülen eingebaut sind; Waschmaschinen und Trockner.

Nach diesen Vorüberlegungen zu der prinzipiellen Zielsetzung startete die Stadt nun in einem zweiten Schritt ihre dazugehörige Öffentlichkeitsarbeit. Sie begann mit Bauvoranfragen auf Basis von Systemskizzen, wie sie die Abbildung auf dieser Seite zeigen. In allen betroffenen Stadtbezirken wurden Bürgerforen veranstaltet, um die dortigen Bewohner in die Konzeption einzubeziehen. Ihre Anliegen flossen so in die weiteren Planungen ein. Später konnten sie die fertiggestellten Areale bei der Eröffnung besichtigen.

Damit die Stadt auch vergaberechtlich auf der sicheren Seite war, zog sie einen Wirtschaftsprüfer hinzu. Er bewertete die Wirtschaftlichkeit bei der Vergabe. Dies umfasste auch die Frage, ob die entstehenden Anlagen gekauft oder gemietet werden sollten. Bei den ersten Anlagen entschied sich die Stadt zur Anmietung für fünf Jahre – angepasst an die gesetzlichen Erleichterungen zur Bebauung von Grundstücken. Weitere Entwicklungen können so abgewartet werden, ohne die Flexibilität zu verlieren und Kosten für Entsorgung oder Lagerung nach fünf Jahren vorsehen zu müssen.

In der Praxis gab es unterschiedliche Vorgehensweisen: Zuerst erfolgte eine „freihändige Vergabe“ für vier Modulanlagen. Jeweilige Basis dafür war ein Anmietangebot. Um dem Ganzen aber in der Folge eine Systematik und Vergleichbarkeit zu geben, wurden im weiteren Verlauf ein Leistungskatalog mit den gewünschten Anforderungen und Standards der Stadt formuliert. Ein europaweites Ausschreibungsverfahren brachte entsprechende Angebote mehrere Anbieter. Die Unterlagen wurden ausgewertet und die Aufträge vergeben. Hier setzten sich drei Anbieter durch, die sämtliche gewünschten Rahmenbedingungen erfüllten. Für eine zügige Realisierung war der Zeitrahmen für die Vergaben auf etwa vier Wochen begrenzt. Hierfür waren Dringlichkeitsbeschlüsse zur abschließenden Beauftragung notwendig.

Die Leistungen für Modulanlagen des „Düsseldorfer Modells“ umfassten je nach Grundstückgegebenheiten:

- Ein- oder zweigeschossige Modulbauten für insgesamt 160 bis 200 Personen;
- Verwaltungs- und Pförtnereinrichtungen;
- Herrichten der Grundstücke sowie deren Erschließungen;
- Einfriedungen;
- Gestaltung der Außenanlagen und Wegführungen;
- Einrichten der Zimmer, Gemeinschaftsräume sowie Büro-, Pförtner- und Versammlungsräume;
- Betriebliche Betreuung der Anlagen während des gesamten Mietzeitraums;
- Schäden, beispielsweise durch Vandalismus, werden durch die Stadt getragen. die dazugehörige Abwicklung erfolgt über den Vermieter.

In punkto Kosten lagen alle Angebote in vergleichbaren Rahmen. Das heißt, die Kosten je Wohnplatz und Jahr betragen jeweils rund 6.900 €. Für ähnliche Unterbringungsmöglichkeiten in Hotels wäre mit etwa 13.400 € zu rechnen gewesen, für Bestandsgebäude mit Umbau mindestens 3.600 € – bei erster, grober Schätzung des Aufwands. Das Herrichten der Grundstücke sorgte für unterschiedliche Kosten der einzelnen Areale. Sie bilden jetzt aber einen Vergleichsmaßstab und somit eine verbindliche Größe zur weiteren Planung. Das „Düsseldorfer Modell“ konnte so im vierten Quartal 2015 und Anfang Januar 2016 rund 3.000 Menschen eine solide Unterkunft geben.

Mittlerweile sind zehn Modulanlagen mit etwa 1.900 Menschen in Betrieb. Für 2016 hat die Stadt Düsseldorf weitere sechs Modulanlagen für bis zu 400 Personen beschlossen. Alle Anlagen werden gekauft und sind zur Nachnutzung vorgesehen. Die Bauqualitäten haben sich aus dem reinen Stahlrahmbau auf Holzrahmenbauweise mit dem Ziel der möglichen Demontierbarkeit und Nachnutzung nach fünf Jahren erweitert.

Die Raumgestaltungen konnten so konzipiert werden, dass das „Düsseldorfer Modell“ weiterhin für die Sammelunterbringung Bestand hat, aber mit geringem Aufwand zu Wohneinheiten unterschiedlicher Größe umgebaut werden kann. Ausstattungen und Bauweise wurden mit den ersten Erfahrungen zu Reparaturen und Nutzungsrahmenbedingungen abgeglichen, so dass eine nachhaltige Bauweise möglichst zu weniger Reparaturen und Instandsetzungen führen und die Grundsubstanz der Gebäude in der Folgenutzung weiter verwertet werden kann.

Die Unterbringung von Flüchtlingen in Düsseldorf stellt nach wie vor eine große Herausforderung dar. Sie wird auf unterschiedliche Weise umgesetzt. Neben den Modulbauten (Stahl, Holz) und der Nachhaltigkeit zur Umnutzung werden zunehmend auch bestehende Bürogebäude umgenutzt und umgebaut. Ziel ist es, eine flächendeckende, dezentrale Unterbringung zu ermöglichen. Nächster Schritt sind dann Überlegungen zur Stärkung des sozialen Wohnungsbaus, um die Menschen mit Anerkennungsstatus in die Eigenständigkeit zu führen.


Modulbau weitergedacht: Chancen für Städte und Kommunen

Der Düsseldorfer Wohnungsmarkt hat – ebenso wie der in anderen prosperierenden Großstädten Deutschlands – nach wie vor ein ausgewogenes Wohnraumangebot in allen Preissegmenten sicherzustellen. Ziel eines entsprechenden Handlungskonzepts ist eine gemeinwohlorientierte Wohnbauentwicklung. Sie muss das benötigte Raumangebot schaffen, ohne dabei die Qualität des Städtebaus und der Architektur zu vernachlässigen. Modulbauten können hier eine vielversprechende Lösung sein, zumal sie gut planbar sind: Nach einmaliger Festlegung der Rahmenbedingungen sorgen diese für eine hohe Transparenz bei den Kosten und für Sicherheit bei der Ausführung. Außerdem ermöglichen abgestimmte Konzepte kurze Vorlaufzeiten und zuverlässig abschätzbare Genehmigungsverfahren.

Menschen in Not können damit relativ zügig Zugang zu praktikablem Wohnraum bekommen. Düsseldorf hat mit seinem Modell positive Erfahrungen gemacht. Die Stadt sieht darin eine Chance, Quartiere zu entwickeln und gleichzeitig den Flüchtlingszustrom durch die Schaffung/Integration neuer Siedlungen sozialverträglich und flexibel zu meistern. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auch auf den sozialen Wohnungsbau übertragen. Im Sinne einer nachhaltigen Nutzung von Gebäuden kann er eine Art des möglichen zukünftigen Gebrauchs der nun errichteten Quartiere sein.

Menschen in Not können relativ zügig Zugang zu praktikablem Wohnraum bekommen.

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