Wohnform mit Zukunft

Generationenübergreifendes Wohnen in intelligenten Gebäuden: Die Bewohner sollen sich im Lebensalltag gegenseitig unterstützen.

Mit Blick auf den demografischen Wandel startete in Kaiserslautern ein in dieser Form bislang einzigartiges Wohnprojekt: „Assisted Living“ setzt auf das generationenübergreifende Zusammenleben in einer Hausgemeinschaft, unterstützt durch moderne Technik. Die Bau AG Kaiserslautern hat diese zukunftsweisende Wohnform mit wissenschaftlicher Unterstützung der Technischen Universität Kaiserslautern realisiert, gefördert wird das Projekt vom Finanzministerium Rheinland-Pfalz.

 

Funktionierende Hausgemeinschaft

„Assisted Living“ steht für ein gemeinschaftliches und generationenübergreifendes Wohnen: Die Bewohner sollen gemeinsame Aktivitäten entwickeln und sich im Lebensalltag gegenseitig unterstützen. Eine funktionierende Hausgemeinschaft, in die alle Altersgruppen mit einbezogen sind, so lautet die Zielvorgabe für diese Wohn- und Lebensform, die vom Lehrstuhl für Stadtsoziologie der Technischen Universität Kaiserslautern betreut und begleitet wird.

Der Beginn ist vielversprechend: Seit Ende 2007 sind die 20 Wohneinheiten belegt, der jüngste Bewohner war zu dem Zeitpunkt acht, der älteste 84 Jahre alt. Bereits vor dem Bezug hatte die Bau AG, das kommunale Wohnungsunternehmen der Stadt, Kennenlerntreffs organisiert, die regen Zuspruch fanden. Inzwischen finden sich viele Mieter re­­gelmäßig im Gemeinschaftstreff ein – zum Teil unter der Regie von Prof. Anette Spellerberg, die das Projekt soziologisch weiterentwickelt, teilweise aber auch einfach zum Kaffeeklatsch und zu Video- oder Fußballabenden.

Das Gebäude wurde so entworfen, dass es das Wohnkonzept unterstützt. Die auf der Rückseite des Hauses liegenden Laubengänge beispielsweise dienen als Kommunikationswege, sie sind zugleich Zugang zu den Wohnungen als auch offene Balkone. In die Anlage wurde zudem ein Einfamilienhaus integriert, mit separatem Eingang, um auch eine Familie mit Kindern in das Konzept einzubeziehen. Ein voll möbliertes Gästeapartment und eine als Gemeinschaftstreff ausgestattete Wohnung stehen allen Bewohnern zur Verfügung.↓

Möglichst lange Selbstbestimmung für die älteren Bewohner

Gerade für die älteren Hausbewohner – die die Mehrzahl der Mieter stellen – sind die sozialen Kontakte wichtig. Mit „Assisted Living“ sind sie in der Lage, so lange wie möglich in ihrer angestammten Umgebung zu leben. Die weitgehende Selbstbestimmung erhöht nicht nur die Lebensqualität der Bewohner, sondern das generationenübergreifende Wohnen entlastet auch das öffentliche Gesundheitssystem in erheblichem Maße: weil die Bewohner länger selbstständig und damit auch kostengünstig im Wohnverbund leben. Unverzichtbar hierbei ist die moderne Elektrotechnik. Sie erhöht nicht nur den Wohnkomfort, sondern auch die Sicherheit sowohl älterer, als auch jüngerer Menschen erheblich.

Unterstützung erhalten alle Bewohner von „Assisted Living“ durch PAUL, den Persönlichen Assistenten für Unterstütztes Leben. PAUL ist ein handlicher und internetfähiger Tablett-PC mit Touch-Display, dessen Module und Verknüpfungen von der Firma CIBEK aus Limburgerhof unter der Leitung von Bernd Klein konzipiert und realisiert wurden. Die spezielle Benutzeroberfläche samt Icons hat Prof. Lothar Litz vom Lehrstuhl Automatisierungstechnik der TU Kaiserslautern entworfen. Wichtig dabei: Die Bedienung erfolgt ausschließlich über das Berühren des Bildschirms, auf Maus oder Tastatur wurde vollständig verzichtet.

 

Intelligente Haustechnik

PAUL ist die Steuerzentrale und der intelligente Kern der gesamten Haustechnik, mit ihm lassen sich zahlreiche Funktionen bedienen und so Erleichterungen im Alltag realisieren, wie Rollläden auf- und abfahren, Licht und Elektrogeräte schalten, die Wohnungstür kontrollieren und bei Bedarf öffnen, den Status der Fenster überprüfen. Es lassen sich aber auch Multimediafunktionen nutzen (Radio, TV, Internet und Telefon) und Sprech- und Sichtverbindungen zu Besuchern an der Haustür herstellen. Wenn nötig, kann die Steuerzentrale auch an die regelmäßige Einnahme der Medikamente erinnern.

Unterstützt wird PAUL vom  KNX/EIB System, das ebenfalls von CIBEK programmiert und realisiert wurde. Jede der Wohnungen verfügt über etwa 30 Sensoren und Aktoren, die in das KNX/EIB System eingebunden sind. Sie können zentral angesteuert werden, aber auch lokal über einzelne Schalter. Die Deckenleuchten in den einzelnen Fluren werden über Bewegungsmelder geschaltet, um den Bewohnern das lästige Schaltersuchen in der Dunkelheit zu ersparen.

Das Gehirn hinter dem modernen elektronischen Nervensystem ist der Gira HomeServer 3, bei dem alle Informationen zusammenlaufen. Zugriff auf den HomeServer haben alle Projektbeteiligten – also die BAU AG, die TU Kaiserslautern und CIBEK. Der HomeServer erlaubt es CIBEK, Anpassungen vorzunehmen, ohne immer vor Ort sein zu müssen. So lassen sich von außen Programmierungen vornehmen, Bedien- und Steuermöglichkeiten optimieren oder anpassen, Änderungen und Updates vornehmen. Selbst auf PAUL kann Bernd Klein zugreifen, wenn dort Softwareänderungen nötig sind. Weil das KNX/EIB System offen ist, lässt es Veränderungen und Erweiterungen von Funktionen zu, die gerade bei höherem Alter oder bei Behinderungen sinnvoll werden.

„Die zukunftsorientierte Wohntechnik begleitet die Bewohner dezent in ihren eigenen Wänden. Sie bietet in allen Altersstufen zahlreiche Erleichterungen und kann mit steigendem Alter mehr und mehr in Anspruch ge­­nommen werden“, so Jutta Knieriemen, die Vorstandsassistentin der BAU AG Kaiserslautern. Und genau hier spielt PAUL sein ganzes Potenzial aus, denn über ihn lässt sich nicht nur die Haustechnik steuern, der kleine Assistent ist auch in der Lage, Sensordaten hinsichtlich verschiedener Kriterien auszuwerten und Notfallsituationen automatisch als solche zu erkennen.

Dazu sammelt PAUL Daten der verschiedenen Sensoren und Aktoren in jeder Wohnung und erstellt daraus individuelle Nutzungsprofile der Bewohner. Über eine Aktivitäts- bzw. Inaktivitätserkennung werden beispielsweise Daten zum Strom- und Wasserverbrauch registriert. Vor allem aber erkennt er Abweichungen vom Nutzerprofil – wenn Strom und Wasser über einen längeren Zeitraum nicht fließen. Für das System ist dies ein Indiz dafür, dass möglicherweise etwas nicht stimmt, dass ein Bewohner Hilfe benötigt. In dieser Situation wird ein Signal an den Gira HomeServer 3 gesendet, der seinerseits definierte Adressen anruft – den Nachbarn, andere Bewohner, Verwandte oder eine medizinische Notfallzentrale. Dieses System lässt sich individuell programmieren und mit Eskalationsstufen versehen. So wird eine Hintergrundüberwachung gewährleistet, ohne die Bewohner zu gängeln oder ständig aktiv zu kontrollieren – auch das ist ein wichtiges Stück Lebensqualität im fortgeschrittenen Alter.

Erdacht wurde das Prinzip der Aktivitäts- bzw. Inaktivitätserkennung von Prof. Litz vom Lehrstuhl Automatisierungstechnik der TU Kaiserslautern, technisch umgesetzt und realisiert wurde es von CIBEK. „Gemeinsam mit Assisted Living entwickeln wir ein Wohnkonzept, das auch in Zukunft finanzierbar sein wird“, so Geschäftsführer Bernd Klein, „auch als praktische Alternative zu klassischen Seniorenheimen.“ Die Aktivitäts-/Inaktivitätserkennung ist zudem eine sinnvolle Ergänzung eines Notrufsystems, bei dem immer aktiv Hilfe angefordert werden muss. CIBEK hat in den vergangenen Jahren nicht nur intensiv Erfahrungen mit Technik für Senio­ren gesammelt, sondern auch bei der Entwicklung von Wohnkonzepten mit Baugesellschaften und Universitäten.

Als großen Vorteil von „Assisted Living“ wertet Bernd Klein, dass die dort eingesetzte Technik unter realen Lebensbedingungen getestet und ständig weiterentwickelt wird, und zwar nicht nur von Ingenieuren, sondern auch von den ins Projekt eingebundenen Wissenschaftlern. Sie können beispielsweise die Akzeptanz der Technik und deren Auswirkungen auf das alltägliche Leben über längere Zeiträume untersuchen und bewerten. Deshalb wird das Projekt auch vom Finanzministerium Rheinland-Pfalz finanziell gefördert. Denn die in Kaiserslautern gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen sollen letztlich dem gesamten Bundesland zugute kommen – andere Projekte können und sollen von der Konzeption dieser Wohnanlage profitieren.


Das generationenübergreifende Wohnen entlastet auch das

öffentliche Gesundheitssystem in erheblichem Maße.

Das Gebäude wurde so entworfen, dass es das Wohnkonzept unterstützt.

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