Schieferfassade

Denkmalgerecht modernisiert

Die zumeist zweigeschossig ausgeführten Gebäude der Bochumer Wohnsiedlung Erbhof unweit des Stadtparks sind seit 2020 umfangreich instand gesetzt und modernisiert worden. Zu den zentralen Maßnahmen zählte dabei die Sanierung der teilweise mit Schiefer ausgeführten Fassaden.

Die 1995 unter Denkmalschutz gestellte Anlage wurde in drei Bauabschnitten zwischen 1909 und 1921 nach Plänen der Berliner Architekten Paul Mebes und Paul Emmerich errichtet, zwei renommierten Vertretern des Reformwohnungsbaus. Sie setzt sich zusammen aus vier Straßenzügen mit insgesamt 35 Häusern, die als harmonische Blockbebauungen drei größere Grünflächen umschließen und dabei insgesamt 198 Wohnungen mit einer Gesamtwohnfläche von 17.400 Quadratmetern zur Verfügung stellen.

Abwechslungsreiche Gestaltung

Die Anlage wurde seinerzeit für den Beamtenwohnungsverein Bochum erbaut, dem heutigen Gemeinnützigen Wohnungsverein zu Bochum (GWV), um preiswerten, aber dennoch statusgerechten Wohnraum für Beamte und Angestellte zu schaffen. Charakteristisch für die Bebauung ist die abwechslungsreiche Gestaltung in Form von unterschiedlichen städtischen Haustypen, die neben vielfältigen Dachformen auch Schmuckelemente wie Erker, Gauben, Turmbauten oder Risaliten integrieren. „Im Ergebnis ist jedes einzelne Haus und ist jeder einzelne Giebel damit individuell gestaltet“, erklärt Christian Knibbe, Kaufmännischer Vorstand beim GWV Bochum.

Die Fassaden der einzelnen Häuser wurden zumeist als Putzfassaden mit kleineren Ornamenten ausgeführt. Ein markantes Detail sind außerdem die mit Schiefer gedeckten Steilmansarden im zweiten Obergeschoss, die optisch einen fließenden Übergang von Dach und Fassade herstellen. Sämtliche Flächen sind für eine optimierte Langlebigkeit als vorgehängte hinterlüftete Fassade ausgeführt. Parallel dazu sind auch einige Erker, einige Dächer und einige Giebel mit Schiefer gestaltet. Auch hier finden sich an verschiedenen Stellen unterschiedlich ausgeführte Ornamente, die den hohen ästhetischen Anspruch der Bebauung unterstreichen. „Und darüber hinaus profitiert die Anlage natürlich auch von der bevorzugten Lage unweit des Stadtparks“, so Micha Heimbücher, Technischer Vorstand beim GWV Bochum.

Denkmalgerechte Sanierung

Seit Oktober 2020 sind die denkmalgeschützten Gebäude im Wohnquartier Erbhof umfassend instand gesetzt und modernisiert worden: „Mit hohem, handwerklichen Aufwand und in enger Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege der Stadt haben wir unter anderem die Fassaden Haus für Haus saniert und in warmen, erdigen Farbtönen entsprechend eines detaillierten Farbkonzeptes neugestaltet“, erklärt GWV-Bauleiter Mark Most. „Parallel dazu wurden auch die verschiedenen Schieferflächen komplett erneuert.“ Um den hohen gestalterischen Anspruch der Sanierung zu unterstreichen, kamen dabei nach einer vorherigen Bemusterung und dem Einverständnis der Denkmalschutzbehörde Schiefersteine der Marke InterSIN von Rathscheck Schiefer (www.rathscheck.de) zum Einsatz. Das Unternehmen mit Sitz in Mayen in der Eifel zählt zu den führenden Schieferproduzenten weltweit.

Die Ausführung der verschiedenen, insgesamt 700 Quadratmeter großen Schieferflächen erfolgte durch die vor Ort ansässige Simo Dach GmbH & Co KG. In einem ersten Schritt mussten dabei zunächst die vorhandenen Schieferplatten nach über 100-jähriger Nutzung vollständig entfernt werden. „Parallel dazu haben wir die vorhandene Holzunterkonstruktion kontrolliert und die Sparren an einigen Stellen instandgesetzt“, erklärt Dachdeckermeister Simon Brück. „Die darunter liegende Mineralfaserschüttung haben wir dagegen aufgrund des bestehenden Denkmalschutzstatus‘ nicht verändert.“

Anschließend konnten die Dachdecker mit der Neueindeckung der verschiedenen Flächen beginnen. „Bei der Wahl der jeweiligen Deckart hat uns die Denkmalpflege weitgehend freie Hand gelassen“, berichtet Mark Most. „Wichtig war aber, dass wir eine Deckart wählen, die man seinerzeit schon verwendet hat, um so den historischen Charakter der Gebäude zu erhalten.“ Im Ergebnis kamen je nach Detail und je nach Mansardsteigung unterschiedliche Deckarten wie Schuppendeckung, Altdeutsche Deckung oder Wabendeckung zum Einsatz. Eine Besonderheit bildete außerdem die Ausbildung der verschiedenen, teilweise rosettenartig ausgebildeten Ornamente: „Das war schon eine ganz besondere Arbeit, die man so nicht auf jeder Baustelle erlebt.“

Gelungenes Gesamtergebnis

Nach rund dreijähriger Sanierung ist das Projekt mittlerweile weitgehend fertiggestellt: „Die neu gestalteten Schieferfassaden betonen dabei nicht nur die wertige Optik der Siedlung, sondern sie tragen mit ihrer Robustheit auch zur Langlebigkeit der Häuser bei“, erklärt Christian Knibbe. Parallel zur Sanierung der Fassaden wurden dabei auch sämtliche Eingangsbereiche und Treppenhäuser sowie einige Balkonanlagen modernisiert: Sämtliche Maßnahmen sind weitgehend reibungsfrei abgelaufen. „Und auch die Bewohnerinnen und Bewohner wissen das Ergebnis der Sanierung und den hohen Wohnwert der Anlage zu schätzen“, berichtet Sonja Wazner, die verantwortlich ist für das Sozialmanagement und für die Öffentlichkeitsarbeit des GWV und die im vergangenen Jahr auch selbst in eine der Wohnungen im Erbhof gezogen ist.

Komplettiert wird die Siedlung durch einen umfassenden Quartiersansatz, der neben Orten der Begegnung und einem Inklusionsprojekt auch Aspekte wie Carsharing oder den Verleih von E-Lastenrädern umfasst. Ebenso wurden nach der Sanierung neue Nistmöglichkeiten für Mauersegler oder Fledermäuse geschaffen. „Eine Besonderheit ist außerdem die solarbetriebene, als Bücherschrank umfunktionierte Telefonzelle, die als kleine Bibliothek für unser ‚kleines Dorf‘ dient“, berichtet Sonja Wazner. Im kommenden Jahr werden jetzt auch noch die vorhandenen Gärten und Vorgärten der Anlage neu gestaltet. Dabei sind unter anderem auch Regenwasserrückhaltemaßnahmen in Form von Rigolen geplant, um so ein angenehmes Mikroklima vor Ort mit ausreichend Feuchtigkeit für den vorhandenen Baumbestand sicherzustellen.

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