Die Zukunft gehört offenen IT-Systemen
In Zeiten des Megathemas Vernetzung ist die Entwicklung von IT-Ökosystemen eine logische Konsequenz. Deren Architektur muss offen und flexibel gestaltet sein, damit, gerade in der Immobilienwirtschaft, alle Stakeholder auch andocken können.
Das Geschäftsmodell vieler großer IT-Unternehmen um die Jahrtausendwende war denkbar einfach: Der Kunde hat vom Hersteller ein System gekauft, und wenn er dafür zusätzliche Funktionen benötigte, musste er sie von eben jenem Hersteller oder lizenzierten Kooperationspartnern erwerben. Wurden die benötigten Zusatzfunktionen nicht angeboten oder waren sie qualitativ unzureichend, gab es kaum Alternativen.
Zwanzig Jahre später haben sich die Zeiten geändert. Unzählige Startups digitalisieren, integrieren, modernisieren und optimieren branchenübergreifend Prozesse – allein im Sektor Immobilien tun das in Deutschland mehr als 600 sogenannte PropTechs.
Die Digitalisierung hat also einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Er rückt IT-Architekturen immer mehr in die Mitte offener Plattformen und durchlässiger Ökosysteme – was alte Machtverhältnisse umdreht. Insbesondere Anwendungen der Unternehmenssoftware müssen offene Schnittstellen bieten, um gerade in der Immobilienwirtschaft immer mehr Stakeholder in digitale Prozesse einzubeziehen. IT-Architekturen müssen dazu flexibel und nutzerfreundlich gestaltet sein.
Die Arbeitsteilung im Ökosystem hat sich durchgesetzt
Was jetzt auch in der Sphäre von ERP-Systemen ankommt, hatte sich schon früh in der Consumer-Welt abgezeichnet. Statt auf starre „Alles aus einer Hand“-Lösungen zu setzen, öffnete etwa der Computerhersteller Apple die Schnittstellen zu seinem Betriebssystem schon vor 15 Jahren und schuf so eine Plattform, auf der Programmierer eigene, auf bestimmte Nutzer ausgerichtete Anwendungen entwickeln und ihre Lösungen über den App Store des Technologieunternehmens vermarkten können – mit durchschlagendem wirtschaftlichem Erfolg für Apple. Dieses Best-of- breed genannte Konzept setzte sich in der Folgezeit durch – zum Nachteil von Rivalen, die noch teilweise bis heute auf das gegenteilige All-in-one-Prinzip ohne Flexibilität, Innovationsgeschwindigkeit und Gestaltbarkeit einer Ökosystemplattform setzen.
Zwar haben geschlossene IT-Systeme ihre Vorteile. In einer Komplettlösung sind alle Anwendungen voll kompatibel und Schnittstellen, Treiber oder Benutzeroberflächen müssen nicht mehr angepasst werden. Trotzdem gewinnen individuelle Kundenwünsche immer weiter an Gewicht – vor allem in der Entwicklung von ERP-Software. Kundenzentriertheit (Customer Centricity, statt Kundenorientierung) ist daher das neue Mantra: Statt nur in Vertrieb und Verkauf auf Service zu setzen, werden Kundenbedürfnisse von Anfang an einbezogen – und das gelingt nur über offene IT-Systeme. Nur so lässt sich entwickeln, was Kunden wollen, statt auf die Erwartung zu setzen, dass Kunden schon wollen werden, was man entwickelt. Der in der ERP-Sparte noch relativ junge Ansatz setzt bewusst auf Arbeitsteilung. Denn zu individuell sind Kundenbedürfnisse mittlerweile. Damit muss zu viel Know-how an einem Ort gebündelt und zu viele unbekannte Größen identifiziert werden, als dass ein Unternehmen diese Herausforderung allein stemmen könnte.
Eine digitale ERP-Plattform – idealerweise als Cloudlösung
Was bedeutet das konkret für die Immobilienbranche? Ein ERP-System stellt hier die Kernprozesse des Unternehmens dar. Da allerdings nicht jeder die gleichen Kernprozesse benötigt, ist die Software modular aufgebaut und kann um optionale Drittsysteme erweitert werden – etwa um ein Dokumentenmanagement-System mit automatischer Archivierungsfunktion oder ein KI-gestütztes Rechnungswesen-Tool.
Im Zeichen der Customer Centricity müssen all diese optionalen Komponenten flexibel und bedarfsgerecht kombinierbar sein und ihre Integration muss reibungslos gelingen. Nur so können Funktionalitäten und alle Stakeholder des Real-Estate-Sektors – vom Mieter über Serviceanbieter bis zu Partnern und Behörden – auf einer digitalen Plattform zusammengeführt werden, und zwar unter Effizienzgesichtspunkten idealerweise als Cloudlösung. Gerade die Immobilien- und Wohnungswirtschaft, eine besonders stark vernetzte Branche, profitiert von so einem offenen Ökosystem. Denn mit den kommenden Technologiesprüngen in Bereichen wie Smart Home und Smart City wird der Vernetzungsbedarf durch neue Umweltauflagen und digitalisierte Messprozesse mit Echtzeitdatenaustausch nochmals rasant ansteigen.
Wissenstransfer maximieren und Sicherheit
gewährleisten
Vernetzung bedeutet hier allerdings nicht nur, dass immer mehr und immer diversere Stakeholder über eine Plattform interagieren. Auch der möglichst effektive Austausch von Ressourcen und Wissen ist hier gemeint. Die bereits erwähnten 600 deutschen PropTechs entwickeln innovative und effiziente Lösungen – und diese Lösungen müssen einfach und unkompliziert ans ERP-System andocken können. Gerade deshalb ist eine Lösung mit Plattformgedanken so wichtig, da sie dementsprechend erst den gewünschten, maximal offenen, ressourcensparenden und effektiven Wissenstransfer ermöglicht.
Genau an dieser Stelle lauert jedoch ein Fallstrick, denn Offen- und Einfachheit haben einen Preis – Kompatibilität und Sicherheit. Öffnet ein ERP-System seine Schnittstellen, kann sich das nach kurzer Zeit negativ auf die Customer Centricity auswirken: ein Update der ERP-Plattform ohne gleichzeitiges Update der optionalen Software und aus einem vormals reibungslosen Zusammenspiel resultiert nun ein Systemabsturz. Eine ungenügend sicher programmierte optionale Software und plötzlich kursieren im Internet hochsensible Daten – wie sie ja gerade in der Immobilienbranche verarbeitet werden.
Derartige Szenarien, die im Falle eines Datenlecks sogar juristische Konsequenzen nach sich ziehen könnten, lassen sich jedoch vermeiden – allerdings nur, wenn man die Vorteile offener und geschlossener Systeme miteinander vereint, und zwar durch das Prinzip der „Managed API“. Hierbei bietet eine offene ERP-Plattform alle Optionen, um möglichst ungehindert mit ihr interagieren zu können, gleichzeitig gewährleistet eine sich anschließende, enge Zusammenarbeit zwischen PropTech und ERP-Anbieter die Aufrechterhaltung von Kompatibilität und Sicherheit der Programme.
Denkt man also über ein ERP-System nach, sollte man unbedingt auf das Schnittstellenmanagement achten: die Anschaffung einer offenen, aber sich selbst überlassenen Plattform birgt nämlich mindestens so große Risiken wie die Investition in ein starres, geschlossenes System.
ERP-Systeme von Beginn an offen gestalten – denn Erfahrung zählt
Abschließend ist noch ein Faktor zu berücksichtigen, der für die erfolgreiche Entwicklung eines offenen IT-Ökosystems unabdingbar ist – Erfahrung: „Um beim Aufbau eines digitalen Ökosystems erfolgreich zu sein, sind neben fundierter Kenntnis der eigenen Domäne also auch Expertise und Erfahrung in digitalen Ökosystemen und weiteren Disziplinen zwingend notwendig“, analysieren die Forscher des Fraunhofer-Instituts IESE zurecht. Fehler der Vergangenheit können nämlich später kaum rückgängig gemacht werden. So wird die für eine gelungene Customer Centricity äußert wichtige Kompatibilität des ERP-Systems am ehesten gewährleistet, wenn sie im Programmierprozess bereits initial mitgedacht statt später hinzugefügt worden ist. Gleiches gilt hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte – auch hier stellt Erfahrung eine entscheidende Größe dar, um Schwachstellen frühzeitig zu entdecken und zu beheben.
Die Zukunft von IT-Systemen ist also in jedem Fall offen. Sie dürfte indes für jene Ökosystem-Initiatoren besonders offen sein, die bereits ausreichend Expertise mit diesem Prinzip gesammelt haben.