Akzeptanz ist gewachsen
Erfahrungsbericht zur Gebäudezertifizierung nach dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen des Bundes (BNB)
Seit über zehn Jahren hat die Nachhaltigkeitsberatung und -bewertung Einzug in das öffentliche Bauen gehalten. Neben dem Bund, der das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) verbindlich für seine Baumaßnahmen eingeführt hat, wenden die meisten Bundesländer und einige Kommunen das BNB freiwillig auf ausgewählte Bauvorhaben an.
Für die meisten sind zum Projektbeginn der Prozess und die Randbedingungen, aber vor allem der Aufwand und der Nutzen, wenig bekannt. Zur Unterstützung der am Bau Beteiligten, vor allem des Bauherrn, hat sich das Leistungsbild „Nachhaltigkeitsberatung“, das ohne oder mit BNB-Zertifizierung zur Anwendung kommen kann, entwickelt. Das Interesse wächst zunehmend. Anfänglich vorhandene Skepsis bezüglich der Einhaltung von Kosten und Terminen lassen sich in der Regel nach kurzer Zeit ausräumen und erweisen sich als unbegründet. Ein Unterstützer des Nachhaltigen Bauens und konkret der BNB-Anwendung (nicht nur für Leuchtturmprojekte) ist das Steinbeis-Transfer-Institut Bau- und Immobilienwirtschaft (STI-BIW) an der privaten Steinbeis-Hochschule, das sich auf Nachhaltiges Bauen spezialisiert hat.
Im April 2010 führte der Bund das BNB für den Bundesbau ein. Im September 2011 wurde das STI-BIW als BNB-Systembetreiber vom Bundesbauministerium anerkannt. In dieser Funktion qualifiziert es mit einem Team aus Nachhaltigkeitsexperten Architekten und Ingenieure mit mindestens acht Jahren Berufserfahrung, die als Bauherren, Objektplaner, Fachplaner, Generalunternehmer und Projektsteuerer im Neubau und der Modernisierung von Nichtwohngebäuden tätig sind, zu „Sachverständigen für Nachhaltiges Bauen (SHB)“. Das Leistungsbild der Sachverständigen umfasst die Koordination der Nachhaltigkeitszertifizierung und die Erstellung oder Prüfung der BNB-Nachweise.
Die Anerkennung umfasst auch die Konformitätsprüfung von BNB-Projekten. Bisher wurden fünf Projekte nach BNB zertifiziert (2 x Gold, 3 x Silber). Weitere 29 Projekte sind in Bearbeitung.
Darüber hinaus unterstützt das Institut zusammen mit Sachverständigen die Weiterentwicklung des BNB im Rahmen von Forschungsprojekten des BBSR und entwickelt Tools, die zur Optimierung des Bewertungsprozesses zur Verfügung stehen.
Bei den BNB-Projekten (siehe https://www.sti-immo.de/bnb/projekte/) handelt es sich um Kitas (3), Schulen (10), Hochschulen (3), Büro- und Verwaltungsgebäude (12) sowie Laborgebäude (6). Von den insgesamt 34 Projekten sind zwei Bauvorhaben „Komplettmodernisierungen“. Bezüglich der Auftraggeber sind es 18 kommunale Bauvorhaben sowie 13 Landesbau- und drei Bundesbauvorhaben. Die aktivsten Kommunen sind Dresden und Greifswald. Die Gebäudeflächen liegen zwischen 850 und 55.000 m² BGF.
Auch bei der Bundeswehr, die sich bisher zur sinngemäßen BNB-Anwendung verpflichtet hat, entstand 2016 eine Initiative zur wirkungsvolleren Integration des Nachhaltigen Bauens bei Neubauvorhaben wie z. B. Unterkunftsgebäuden, die in den kommenden Jahren zahlreich entstehen werden. Seit Juli erfolgt die Pilotierung der vom STI-BIW entwickelten BNB-Systemvariante für Unterkunftsgebäude der Bundeswehr.
Ein wesentliches Erfolgskriterium des Nachhaltigen Bauens ist der richtige Projektstart. Je früher Nachhaltigkeitsziele aufgestellt werden, umso besser können sie von allen Planungsdisziplinen aufgenommen und synergetische Lösungsvarianten entwickelt und bewertet werden.
Bis ca. 2013 startete die BNB-Koordination häufig erst in der Vorentwurfsplanung oder Entwurfsplanung. Danach wurden die BNB-Koordinatoren bereits in der HOAI-Leistungsphase 1 vor dem Planungswettbewerb bzw. der Vorentwurfsplanung vertraglich gebunden und bei der Aufstellung der Leistungsbeschreibung für die Objekt- und Fachplanung zur Festlegung notwendiger Nachweisleistungen mit einbezogen.
Die Basis für Nachhaltigkeitsziele und Nachweisleistungen bildet die Bedarfsermittlung. Je detaillierter die Nutzungsanforderungen beschrieben und mittels Parametern konkretisiert werden, umso näher können Planungsvarianten an der Bedarfserfüllung liegen. Immer dann, wenn zu Beginn der Entwurfsplanung erneut Grundsatzfragen zur Bauweise, dem Komfortniveau, der Energieversorgung u. a. Themen diskutiert werden, ist das ein Zeichen einer nicht ausreichenden Bedarfsermittlung oder einer Vorentwurfsplanung mit zu wenigen Variantenbetrachtungen für die strategischen Bauteile. Daher ist es von großem Vorteil, wenn auch der Bauherr den Prozess und die Themen einer Nachhaltigkeitszertifizierung gut kennt. Der Bund hat dafür ca. 500 Nachhaltigkeitskoordinatoren in den Bundes- und Landesbauverwaltungen ausgebildet. Das erleichtert die Zielfindung und vermeidet eine unangemessene Übererfüllung des Nutzungsbedarfes.
Ein wichtiger Meilenstein war die Etablierung eines durchgängigen Lebenszyklusansatzes in der Planung. Das BNB unterstützt diesen Ansatz durch vergleichende Berechnungen von Umweltwirkungen und Lebenszykluskosten. Die Daten sind umfassender und die Berechnungstools anwendungsgerechter geworden, doch werden die Potenziale noch nicht voll ausgeschöpft. Grund dafür sind häufig – trotz Variantenbetrachtungen – die Entscheidungsprämissen.
Die Entscheidung für Low-Tech führt meistens zu einer besseren BNB-Bewertung. Damit behaglichkeitsfördernde Maßnahmen in High-Tech-Konzepten keine zu hohen Lebenszykluskosten verursachen, müssen bereits in der Vorentwurfsplanung komplexe Variantenbetrachtungen des interdisziplinären Planungsteams aus Architekt, Tragwerksplaner, Bauphysiker und TGA-Planer durchgeführt werden. Dazu bedarf es der steuernden Einflussnahme des BNB-Koordinators, der die Variantenbetrachtungen systematisiert und einfordert. Bestimmte Bauweisen (leichte Bauweise mit großem Fensterflächenanteil) sind problematisch und nur mit hohem Energieeinsatz heilbar. Solche Entwürfe gilt es zu verhindern. Passive Maßnahmen in Verbindung mit Photovoltaik, Schotter- und Eisspeicher werden noch zu selten geplant. Gerade bei Schulen ist der Termindruck sehr hoch, so dass innovative Ansätze nicht oft untersucht werden.
Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass die Akzeptanz des BNB als Qualitätssicherungsinstrument bei den meisten Bauherren, Architekten und Fachplanern gewachsen ist und die Erlangung des Gütesiegels nur die Bestätigung des gemeinsamen und richtigen Tuns darstellt. Sehr positiv gestaltet sich die Umsetzung der Anforderung an schadstoffarme Bauprodukte. Auf Seiten der Bauherren ist trotz des Aufwandes bei der Ausschreibung und Prüfung der einzubauenden Produkte ein großes Bewusstsein für das Thema entstanden. Die bauausführenden Firmen mussten den Prozess von der Kalkulation bis zur Produktbestellung und Anlieferung auf die Baustelle durchgängig gestalten, so dass nur das eingebaut wird, was zuvor deklariert und geprüft wurde. Bei den BNB-Koordinatoren hat sich die Ergänzung der Leistungsverzeichnisse um positionsbezogene Bauproduktanforderungen bewährt. Damit ist auch eine Vollständigkeitsprüfung möglich.
Die Innenraumluftmessungen zeigen gute Ergebnisse. Ausreißer (TVOC > 1.000 ppm) kommen selten vor und wurden bzgl. der Ursachen vertiefend untersucht. In allen Fällen waren Restarbeiten und Reinigungen in angrenzenden Räumen die Ursache.
Zu Beginn der BNB-Anwendung (2011) wurden thermische Gebäudesimulationen als Nachweis-Ballast gesehen. Heute sind sie vor allem für die Optimierung des sommerlichen Wärmeschutzes unverzichtbar. Gerade für die Fassadenplanung und als Schnittstelle zwischen Architektur und Gebäudetechnik liefern sie entscheidungsrelevante Aussagen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich die Rolle des BNB-Koordinators vom „zusätzlichen Fachplaner“ zum „Qualitätsberater des Bauherrn“ entwickelt. Zur weiteren Ausprägung dieser Rolle bedarf es das Leistungsbild des BNB-Koordinators noch präziser und transparenter zu kommunizieren, damit Bauherrn den Aufwand leicht abschätzen und vor allem die Nutzenpotenziale erkennen können.
Steinbeis-Transfer-Institut Bau und Immobilienwirtschaft, Institutsleiter und Leiter der BNB-Konformitätsprüfungsstelle