Nachhaltiges Planen und Bauen im Bundesbau
Gebäude der öffentlichen Hand stehen stets im Fokus des öffentlichen Interesses und sind oftmals Gegenstand einer lebhaften Diskussion. Dies betrifft insbesondere die Frage, inwieweit das Gebäude einen messbaren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leistet. Mit der verbindlichen Einführung des Leitfadens Nachhaltiges Bauen und den dazu entwickelten Bewertungsregeln für nachhaltiges Bauen setzt der Bund ein deutliches Signal, ganzheitliches energie- und ressourceneffizientes Bauen als wichtiges Qualitätsmerkmal im Bundesbau zu verankern.
Anwendungsbereich ausgeweitet
Während im März 2011 der Nachweis mit dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen hinsichtlich der Erfüllung der Mindestanforderungen aus dem Leitfaden zunächst noch auf Neubauten von Büro- und Verwaltungsgebäuden des Bundes begrenzt war, deren Investitionsvolumen einschließlich Baunebenkosten 10 Mio. € überschreitet, wurde der Anwendungsbereich des Leitfadens Nachhaltiges Bauen bereits mit Erlass vom 14. Mai 2012 wesentlich ausgedehnt.
So ist der Nachweis über das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) nunmehr unabhängig von der Beschaffungsvariante bei allen großen Neubaumaßnahmen mit Investitionskosten von einer Mio. € (seit 2013 zwei Mio. €) zu führen, die entsprechend der Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau) erstellt werden.
Anfang September hat das Umweltbundesamt die neue Liegenschaft „Haus 2019“ in Berlin-Marienfelde bezogen. Das Verwaltungsgebäude soll als erstes Null-Energie-Haus des Bundes die Anforderungen gemäß Richtlinie 2010/31/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden schon heute erfüllen, die ab dem Jahr 2019 bindend werden. Der Neubau wurde mit höchsten energetischen, gestalterischen und funktionalen Anforderungen geplant. In wie weit der angestrebte Gold-Standard beim Bau des Gebäudes tatsächlich umgesetzt werden konnte, ist Gegenstand der sich nun anschließenden Konformitätsprüfung im BBSR.
Mit Erlass vom 5. Juli 2013 zur Umsetzung des Leitfadens Nachhaltiges Bauen im Bundesbau sind seit dem 1. Oktober 2013 nunmehr auch Komplettmodernisierungen von Büro- und Verwaltungsbauten, Neubauten von Unterrichtsgebäuden sowie die Neuanlage von Außenanlagen auf der Grundlage des Leitfadens mit einem Gesamterfüllungsgrad von mindestens 65 % der Nachhaltigkeitskriterien (Silber-Standard) zu planen. Zusätzlich sind die Anforderungen aus der Energieeinsparverordnung um bis zu 30 % des Jahres-Primärenergiebedarfes zu unterschreiten.
Für den Auslandsbau sind in der Regel besondere regionale und klimatische Rahmenbedingungen zu beachten, die eine angepasste Anwendung des Leitfadens und des Bewertungssystems erfordern. Hier müssen in Abstimmung mit der Konformitätsprüfungsstelle Einzelfall bezogen die relevanten Bewertungskriterien festgelegt und soweit erforderlich sinngemäß angepasst werden.
So wurde für die Sanierung der Deutschen Botschaft in Washington frühzeitig eine spätere Bewertung mit dem Bewertungssystem als Pilotvorhaben in die Gesamtmaßnahme eingestellt, um sowohl in der Anwendung auf eine umfassende Modernisierung wie auch im Hinblick auf die besonderen Anforderungen eines Auslandsbaus weitere Erfahrungen sammeln zu können. Gleichzeitig soll an diesem Beispiel gezeigt werden, dass das Bewertungssystem auch unter den besonderen Randbedingungen als Planungsinstrument geeignet ist und zu aussagekräftigen Bewertungen führt.
Für den Zuwendungsbau ist weiterhin die mit den Zuwendungsgebern Bundesministerium für Bildung und Forschung und Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie abgestimmte Regelung zu beachten, dass der Leitfaden Nachhaltiges Bauen auch bei ausgewählten Neubauvorhaben Dritter, die vom Bund entsprechend der Richtlinien für die Durchführung von Zuwendungsbaumaßnahmen gefördert werden, Einzelfall bezogen anzuwenden ist.
Neue Module des Bewertungssystems
Das Modul „Bestand/Komplettmaßnahmen“ beschreibt die nachhaltige Fortentwicklung bestehender Gebäude im Zuge von Umbau- oder Erweiterungsmaßnahmen sowie um-
fangreicheren Modernisierungen. Die Kriteriensteckbriefe ermöglichen analog zum Neubausystem eine Bewertung des Planungs- und Bauprozesses während der Maßnahme. Grundsätzlich sind bei Baumaßnahmen im Bestand die gleichen Anforderungen im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung zu stellen. Es gilt jedoch dabei den zahlreichen bestandsspezifischen Besonderheiten gerecht zu werden. Einige Nachhaltigkeitsaspekte sind im Kontext der bestehenden Bausubstanz unter anderen Gesichtspunkten zu betrachten. Hierzu gehören zum Beispiel die Prozesse bezüglich der Weiternutzung vorhandener Bauteile und -konstruktionen bei gleichzeitiger Verbesserung der energetischen Qualität und Erfüllung künftiger Nutzeranforderungen. Die weitergenutzte Altsubstanz ist in angemessener Weise zu erfassen und hinsichtlich ihrer Restnutzungsdauer im Rahmen der Ökobilanzierung und der Lebenszykluskostenbetrachtung zu bewerten.
Das Modul „Nutzen und Betreiben“ dient der Erfassung und Bewertung der konkreten Objektqualität unter Nutzungsbedingungen sowie der Qualität der Nutzungs- und Betriebsprozesse. Es steht somit im direkten Zusammenhang mit dem Teil C „Empfehlungen für nachhaltiges Nutzen und Betreiben von Gebäuden“ des Leitfadens Nachhaltiges Bauen.
Die einzelnen Kriterien ermöglichen auch eine Ist-Analyse eines bislang noch nicht unter Nachhaltigkeitsaspekten betrachteten Bestandsgebäudes, sodass u. U. in Abhängigkeit der Analyseergebnisse entsprechende Modernisierungsmaßnahmen abgeleitet werden können. Die Ist-Analyse von Einzelgebäuden kann gleichzeitig als eine Informationsquelle für die Portfolioanalyse von Gebäudebeständen herangezogen werden.
Mit dem Modul „Unterrichtsgebäude“ steht ein auf Basis des Systems für Büro-und Verwaltungsgebäude (Neubau) für Neubau von Schul- und Unterrichtsgebäude abgeleiteter Kriterienkatalog vor Verfügung. Grundlage der Adaption war die Analyse der Besonderheiten von Unterrichtsgebäuden.
Eine Erstanwendung des Bewertungssystems erfolgte 2013 am Beispiel der Plusenergie-Grundschule Niederheide in Hohen Neuendorf bei Berlin. Die Planung der Grundschule wurde im Rahmen der Initiative „Energieeffiziente Schulen, EnEff:Schule“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie gefördert. Die abschließende Zertifizierung durch das Büro sol•id•ar erfolgte rückwirkend, als das Gebäude bereits zwei Jahre in Betrieb war. Die intensive Planungsbegleitung unter frühzeitiger Einbeziehung der Nachhaltigkeitsaspekte sowie die energetische Optimierung führten zu dem hervorragenden Bewertungsergebnis mit der Note 1,5 und einem Zertifikat in Gold.
Laufende BNB-Entwicklungen
Mit den Empfehlungen zur „Systematik für Nachhaltigkeitsanforderungen in Planungswettbewerben (SNAP)“ steht nunmehr der Fachöffentlichkeit ein Verfahren zur Verfügung, Nachhaltigkeitsaspekte sinnvoll in die etablierte und bewährte Kultur von Wettbewerbsverfahren zu integrieren. Es werden für sämtliche Phasen von Planungswettbewerben (Vorbereitung, Auslobung, Vorprüfung, Preisgerichtssitzung, Nachbereitung) konkrete Empfehlungen formuliert. Mit der SNAP-Methodik steht ein flexibles System unterschiedlicher Empfehlungen bereit, aus denen die Verfahrensbeteiligten je nach Art und Zielstellung des Wettbewerbsverfahrens nach eigenem Ermessen auswählen können.
Im Herbst 2011 wurde die Entwicklung eines Bewertungssystems für den Neubau von „Forschungs- und Laborbauten“ begonnen. Mit Unterstützung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe der Deutschen Gesellschaft Nachhaltiges Bauen e.V. (DGNB) und des Bundes wurde der Vorschlag für das Steckbriefsystem entwickelt, der im Anschluss an fünf Laborprojekte aus dem Zuwendungsbereich auf Anwendungsreife überprüft wurde. Die Einführung soll planmäßig im II. Quartal 2014 erfolgen. Voraussichtlich Ende 2014 können auch Überbetriebliche Ausbildungsstätten mit einer BNB-Systemvariante überprüft und bewertet werden.
Arbeitsschwerpunkte 2014
Neben der Konsolidierung und Harmonisierung der bereits eingeführten Systemvarianten und Bewertungsmodule stehen Maßnahmen zur Verbesserung der Nutzerfreundlichkeit im Vordergrund. Dazu gehört insbesondere die Vernetzung der vorhandenen Instrumente zur Ökobilanzierung und Baustoffauswahl, die zur Planung und Nachweisführung benötigt werden. Aus der Anwendung der verschiedenen Systemvarianten in der Planungsbegleitung und Bewertung ist der Bedarf ersichtlich geworden, allen beteiligten Akteuren ein unterstützendes Instrument an die Hand zu geben, welches eine effiziente und ressourcenschonende Anwendung des BNB ermöglicht.
Die Verwendung eines EDV-gestützten Bewertungs- und Dokumentationsinstruments „eBNB“ während des Planungs- und Bauprozesses soll die Integration der BNB-Nachweisführung und -dokumentation in den vorhandenen Informationsfluss der Bauverwaltung und der Aufbau einer Datenbank bewerteter Projekte sicherstellen. Diese bildet die Grundlage für die Pflege und Fortschreibung des BNB sowie die wissenschaftliche Auswertung der Projekte und die Generierung von Kennwerten für den Planungs- und Bauprozess.
Der Leitfaden Nachhaltiges Bauen kann über das Referat Bürgerservice (E-Mail: ) im BMVBS kostenfrei bezogen werden. Ergänzend dazu liegt der Leitfaden auf dem Informationsportal Nachhaltiges Bauen (www.nachhaltigesbauen.de) mit weiterführenden Infos zum download bereit.
OAR Frank Cremer (BMVBS, Referat B 13), Dipl.-Ing. Andreas Rietz, Architekt (BBSR, Referat II 5)