Sanierungs-Sozial-Begleitung

Bewohner für die Sanierung begeistern

Bei der (energetischen) Sanierung großer Wohnanlagen ist es wichtig, die Bewohner einzubinden und sie zu Befürwortern zu machen oder sogar für die Baumaßnahme zu begeistern. Einige baden-württembergische Unternehmen wollen diese soziale Komponente fest im Sanierungsprozess verankern. Grundlage dafür ist eine Studie, die von der Akademie für soziales Wohnen der Evangelischen Hochschule Freiburg und des Instituts angewandte Sozialforschung AGP durchgeführt wurde.

Die energetische Sanierung insbesondere des Mehrgeschosswohnbaus ist in fast allen Fällen absolut sinnvoll und notwendig – aus ökologischen wie aus ökonomischen Gründen, zu Gunsten der Mieter, der Vermieter und der Gesellschaft. In diesem Beitrag geht es allerdings nicht um das Für und Wider einer Sanierung, sondern darum, wie die Bewohner (Mieter wie Eigentümer) idealerweise vor, während und nach der Maßnahme informiert und betreut werden sollten, wenn die Entscheidung für eine Sanierung gefallen ist.

Lärm und Schmutz, erhöhtes Einbruchrisiko (z.B. über das Gerüst), Zugangsbehinderungen, höhere Unfallgefahr, temporärer Parkplatzmangel – solche Probleme gehen mit den Bauarbeiten einher. Je größer die Wohnanlage, desto deutlicher sind diese zu spüren. Während der Bauphase ist die Lebensqualität also vermindert. Daher sollte es das Ziel sein, dass möglichst alle Bewohner dem Bauvorhaben zustimmen und während der Arbeiten ein kooperatives Umfeld besteht. Das gilt im Grunde generell für größere Baumaßnahmen im Bestand – ob mit oder ohne energetischer Komponente.

Vier Problemprofile

Bei der Sozial-Begleitung im Rahmen einer Sanierung stehen vier Personengruppen besonders im Fokus:

– Senioren: Für ältere Menschen hat die eigene Wohnung als Rückzugsraum eine besonders hohe Bedeutung, außerdem haben Senioren ein höheres Sicherheitsbedürfnis. Sie wünschen sich stärker als andere Ruhe, Sauberkeit, Ordnung und Sicherheit. Weil sie sich mehr als andere Gruppen in den eigenen vier Wänden aufhalten (nach der Arbeitsphase!), sind sie von Bauarbeiten besonders betroffen. Zudem ist der Anteil an Menschen mit Erkrankungen in dieser Gruppe höher als im Durchschnitt. Leidet gar jemand an Demenz, ist besondere Vorsicht geboten, denn für diese Menschen können Störungen in ihrem Tagesablauf gefährlicher sein als für gesunde. Die Belange älterer Menschen Ernst zu nehmen und zu berücksichtigen, wird zudem immer wichtiger, da diese Gruppe kontinuierlich wächst (demographischer Wandel).

– Junge Familien: Viele Familien betreuen ihre Kinder in den ersten Lebensjahren daheim – zunächst ganztags, später überwiegend an den Nachmittagen. Auch diese Gruppe ist also tagsüber überdurchschnittlich lange zu Hause. Je jünger die Kinder sind, desto länger sind die Aufenthaltszeiten in der Wohnung (auch während einer Baumaßnahme). Lärm ist hier der größte Störfaktor. Er behindert Schlafphasen, denn das Hörorgan von Säuglingen und Kleinkindern ist sehr empfindlich.

– Behinderte Menschen: Für diese Personen sind vor allem die durch Baustellen bedingten Barrieren ein Problem. Auch diese Gruppe befindet sich häufiger oder sogar ständig zu Hause und ist stärker durch den Lärm belastet als der Durchschnitt.

– Migranten: Diese Gruppe ist äußerst inhomogen. Deshalb stellt sich die Frage, ob sie überhaupt als Gruppe in den Blick genommen werden kann. Prinzipiell kann es bei dieser Gruppe Verständigungsschwierigkeiten geben, zumindest sind sie wahrscheinlicher. Allerdings besteht auch die Gefahr, Schwierigkeiten mit jeweiligen kulturellen Besonderheiten erklären zu wollen. Gerade in diesen voreiligen Zu­­schreibungen liegt Konfliktpotential. Eine Besonderheit ergibt sich aus den Wohnsituationen von Familien mit Migrationshintergrund: Sie beanspruchen in der Regel weniger Wohnfläche pro Kopf als die deutsche Wohnbevölkerung – oder, noch klarer formuliert: Migranten wohnen häufig mit mehr Personen in einer Wohnung, als es üblich ist. Daraus ergeben sich besondere Wohnbedürfnisse, die bei einer Sanierung berücksichtigt werden sollten.

Diese Einteilung in vier Gruppen ist selbstverständlich nur recht grob – die konkrete Umsetzung orientiert sich in der Praxis am Einzelfall.

Soziale Wohnbegleitung

Damit die erhöhte Belastung der genannten Personengruppen während der Sanierung nicht zu Verzögerungen oder gar einem Stopp der Baumaßnahme führt, sollte sich die Wohnungswirtschaft diesen Kreisen sehr zuwenden. Mit Beratung lässt sich die Akzeptanz von (energetischen) Sanierungsmaßnahmen steigern. Das zahlt sich letztlich durch einen reibungslosen Bauablauf wieder aus.

Für eine „offene Sanierungs-Sozial-Begleitung“ sollten Mittel des Bundes (etwa über die KfW), der Länder und auch der Kommunen bereitgestellt werden, damit dieses Instrument ein fester Bestandteil bei einer energetischen Sanierung wird. Die Evangelische Hochschule (EH) Freiburg kümmert sich sehr um das Thema Wohnen und zählt in diesem Forschungsgebiet zu den führenden Institutionen. In einer Studie haben die zur Hochschule gehörende Akademie für soziales Wohnen und das Institut für angewandte Sozialforschung AGP auch gleich den richtigen Rahmen für eine förderwürdige soziale Sanierungs-Begleitung geschaffen – mit ei­­nem erprobten Weiterbildungskonzept.

Mit den klaren und eindeutigen Ergebnissen der Studie und der daraus entwickelten Weiterbildung liefern die Wohnungswirtschaft und die Wissenschaft als Initiatoren der Politik ein ideales Instrument, das schnell und effektiv eingesetzt werden kann. Die Grundidee basiert auf drei Bausteinen:

– Info-Veranstaltung für die Gesamtbewohner

– regelmäßige Sprechstunden (14-tägig)

– Individual-Betreuung (wo erforderlich).

Aus diesen Bausteinen leiten sich die einzelnen Leistungen ab, die für die Bewohner an­­geboten werden sollten.

– Information über die anstehende Sanierung, je nach Bewohnerschaft mehrsprachig.

– Einzelberatung, z.B. zu Punkten wie alternative Unterbringung

– Vermittlung für/in Betreuungs-/Aufenthaltsalternativen

– Förderung von Kooperationen mit sozialen Diensten, Vereinen etc.

– Förderung der Kommunikation, vor allem während der Bauphase zwischen Bewohnern untereinander und zwischen Bewohnern und Bauarbeitern.

– Sicherheitskonzept zum Schutz der Kinder einerseits, zum Schutz vor Einbruch andererseits und zum dritten, um das Sicherheitsbedürfnis der (älteren) Bewohner subjektiv und objektiv zu berücksichtigen.

Für diese Begleitung kommt nur geschultes Personal in Frage. Vor diesem Hintergrund hat die Evangelische Hochschule Freiburg ein Seminar entwickelt. Die 4-tägigen Kurse richten sich an Fachleute der Wohnungswirtschaft und der Sozialen Berufe und enden mit dem Abschluss: „Sanierungs-Sozial-Begleiter/in“. Erste Seminare wurden bereits durchgeführt. Weitere Informationen gibt es bei AGP Sozialforschung, Diplom-Soziologin  Birgit  Schuhmacher, Bugginger Straße 38, 79114 Freiburg,

www.agp-freiburg.de

Quelle„Sanierungs-Sozial-Begleitung, Expertise zur sozialen Wohnbegleitung bei energetischer Sanierung. Durchgeführt durch das Institut AGP Sozialforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg im Auftrag der Akademie für Soziales Wohnen an der Evangelischen Hochschule Freiburg.
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