Maßarbeit
Nachverdichtung, mehr Wohnkomfort und ein (nahezu) barrierefreier Zugang: Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Wohngebäudesanierung im Berliner Norden, in deren Rahmen auch ein Aufzug nachgerüstet wurde.
So recht weiß die freundliche ältere Dame nicht, wie ihr geschieht, als Herr Abeln, ihr Vermieter, an der Wohnungstür klingelt und sie um Einlass bittet. Ein Winken, und der Rest des kleinen Trosses zieht vom Treppenhaus durch die lichtdurchflutete Penthousewohnung gen Terrasse. „Ich räume grad auf“, entschuldigt sich die Dame noch, deren Schweizer Akzent sie eindeutig als Zugereiste ausweist. Doch für derlei Dinge haben die Herren gerade kein Gehör. Schließlich gilt es, schöne Bilder zu bekommen – vom Eigentümer, der zugleich Architekt ist und sein Haus mit einem Aufzug barrierefrei ausgebaut hat, gemeinsam mit den Fachleuten des Aufzugsunternehmens, die das Projekt 2016 abwickelten.
Tückischer Untergrund
Der Einbau des Aufzugs ist glattgegangen, die Anlage arbeitet zuverlässig und ist in ihrem dezenten Grauton der erklärte Liebling des Hausherrn. Den passenden Farbton zu finden, war dabei die geringste Schwierigkeit für Theodor Abeln, der das Haus im gutbürgerlichen Berliner Hermsdorf kurz nach der Jahrtausendwende kaufte und stückweise sanierte.
Hier draußen, wo Gründerzeitvillen an baumbestandenen Pflasterstraßen gediegene Idylle verbreiten, ist der Untergrund oft tückisch. Als bleibende Erinnerung an vergangene Eiszeiten durchziehen Torflinsen den Untergrund: unterirdische Moore, die unter Druck gerne nachgeben. 2011 war das Gebäude an einer Ecke so weit abgesackt, dass eine Spezialfirma vom Keller aus 40 Betonpfähle bis zu 15 m tief in den Untergrund trieb. Die weiteren Schritte waren dagegen eher die sprichwörtlichen Peanuts: Ein Gasbrennwertkessel ersetzte die Ölheizung, neue Fenster und eine Dämmfassade brachten die Wärmewerte auf ein zeitgemäßes Niveau. Aufwendiger war da schon der Neubau zweier Penthousewohnungen. Dafür ließ Abeln das bis dahin dreigeschossige Gebäude um ein Staffelgeschoss aufstocken.
Schiefer Schacht
Blieb der Aufzug. Der Architekt informierte sich und entschied sich für einen ProSpace, ein Spezialprodukt für den nachträglichen Einbau. „Es gibt keine Alternative auf dem Markt, die in dieser räumlichen Situation eine ähnlich große Kabine bietet“, stellt er nüchtern fest. Die räumliche Situation ist das Treppenhaus, dessen Auge kaum mehr als 100 cm breit ist. Und schief dazu. „Ein Fehler der Rohbauer und so alt wie das Haus, das 1973 fertiggestellt wurde“, sagt Abeln.
Entsprechend feinfühlig musste Bert Schröder, Montagemeister bei KONE, ausmessen. „Das ist Millimeterarbeit“, sagt er. „Wo kämen wir denn hin, wenn das Schachtgerüst, das zum Aufzug immer mitgeliefert wird, nachher oben irgendwo aneckt.“ Tatsächlich passte die Anlage ins Treppenhaus wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge. Und geräumig ist sie auch. „80 cm Kabinenbreite bei einer Schachtbreite von nur 1 m“, sagt Eigentümer Abeln.
Die Anlage wächst
Im Zusammenspiel mit einer Kabinentiefe von 150 cm und 80 cm Türbreite ergibt das eine faktisch barrierefreie Anlage. „Nach Euronorm müsste die Kabine noch größer ausfallen, aber in der Praxis können Rollstuhlfahrer die Anlage ohne fremde Hilfe nutzen“, sagt Frank Stritzl, Verkäufer beim Aufzugunternehmen. Und das ist gut so. Denn die Mieter der 18 Wohnungen sind eher älter. Für Abeln bedeutet der Aufzug „eine Qualitäts- und Wertsteigerung fürs Haus“. Das sehen auch die Mieter so, die bereits den Einbau wohlwollend begleiteten. Kein Klagen, kein Meckern über Staub und Dreck. Denn der Schacht mit Metallstreben, Paneelen und Glaselementen musste nur zusammengesteckt werden.
Endlich barrierefrei
Aufwendiger war die Vorbereitung der Bodenplatte im Keller. Ohne Eintiefung zugunsten des Schachtgerüstes hätte es eine kleine Rampe gebraucht, um die knapp 10 cm zur untersten Haltestelle zu überwinden. Eleganter war die Lösung, die der Architekt und Eigentümer wählte: Die 12 cm starke Bodenplatte samt 4 cm Estrich wurde herausgeschnitten, eine neue Stahlbetonsohle gegossen, auf die anschließend der Schacht gesetzt wurde. „Darüber werden auch die ganzen Lasten abgeleitet“, sagt der Montagemeister. Die Podeste, die den Aufzugschacht und das Treppenhaus Etage für Etage verbinden, dienen also nicht der Statik, sondern nur der Anbindung der Haltestellen. „Jetzt müssen nur noch die Treppenstufen am Hauseingang verschwinden“, sagt Abeln. „Dann geht es ohne Hindernis von der Straße bis in die Wohnungen glatt durch.“
Der Aufzug bedeutet eine Qualitäts- und Wertsteigerung fürs Haus.
Die Podeste, die Aufzugschacht und Treppenhaus Etage für Etage verbinden, dienen der Anbindung der Haltestellen.