Medienversorgung: Fallstricke vermeiden
Um den ins Stocken geratenen Breitbandausbau in Deutschland zu beschleunigen, verabschiedete der Bundesrat am 23. September 2016 das Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze. Für die Wohnungswirtschaft ergeben sich daraus wesentliche Neuregelungen sowie strategische Auswirkungen.
Der rasche Auf- und Ausbau von Breitband-Infrastrukturen ist von entscheidender Bedeutung, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern. Mehr denn je ist ein schnelles Internet auch ein wesentlicher Standortfaktor im Wettbewerb von Kommunen und Gemeinden. Dies gilt sowohl für die Ansiedlung von Unternehmen als auch in Bezug auf die Attraktivität als Wohn-, Arbeits- und Lebensumfeld. Noch gibt es allerdings Nachholbedarf. Großes Problem trotz vorhandener finanzieller Mittel: Bisher wurde zumeist weder projektübergreifend noch kontinuierlich geplant. Mit dem Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze „DigiNetzG“ soll diesem Missstand nun Abhilfe geleistet werden.
Die Bundesregierung hatte verkündet, bis 2018 alle deutschen Haushalte mit einer Bandbreite von mindestens 50 Mbit pro Sekunde versorgen zu können. Mit der Freigabe des sogenannten Vectoring-Anschlusses der Telekom mit bis zu 100 Mbit pro Sekunde durch die Bundesnetzagentur wird dieses „Minimalziel“ aller Voraussicht nach auch erreicht und teilweise sogar überschritten. Bedenkt man aber, dass es heute Kabelnetzbetreiber gibt, die standardmäßig Bandbreiten von bis zu 400 Mbit pro Sekunde anbieten, ist diese Zielvorgabe sicher nicht mehr zeitgemäß.
„Wohnungsstich“ ergänzt „Hausstich“
Ziel des DigiNetzG ist es, durch effizientere Verfahren und mehr Transparenz vor allem in strukturschwachen Gebieten die Kosten für den Breitbandausbau zu senken und gleichzeitig den Aufwand zu reduzieren. Auch die hohen Kosten im Tiefbau sollen reguliert werden. Nach § 76 des Telekommunikationsgesetzes war bisher eine Duldungspflicht des Grundstückseigentümers bei Anschluss an „öffentliche TK-Netze der nächsten Generation“ die rechtliche Grundlage – der sogenannte Hausstich. Mit der Einführung des Wohnungsstichs wird der Hausstich nun ergänzt. Die Neuregelung sieht einen Anschluss von Objekten an „öffentliche digitale Hochgeschwindigkeitsnetze“, laut Definition Netze mit Übertragungsraten von mindestens 50 Mbit pro Sekunde, vor. Netzbetreiber dürfen ihr Netz künftig also ohne gesonderte Einwilligung des Eigentümers „in den Räumen des Teilnehmers abschließen“. Voraussetzung für einen Wohnungsstich ist zunächst die Zustimmung des im jeweiligen Gebäude ansässigen Endkunden. Außerdem gilt dieser Grundsatz nur bei Nichtvorhandensein hochgeschwindigkeitsfähiger, gebäudeinterner Infrastrukturen.
Daneben garantiert die Regelung einen neuen Mitnutzungsanspruch für sogenannte passive Netzinfrastrukturen. Dieser soll vor allem zum Tragen kommen, wenn Baumaßnahmen nicht oder nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand durchgeführt werden können. Im Gesetz heißt es: „Netzbetreiber haben künftig Ansprüche auf Mitnutzung vorhandener, passiver Netzinfrastrukturen und erhalten verbesserten Zugang zu Informationen über die tatsächliche Versorgungslage.“ Zu den passiven Netzinfrastrukturen zählen Leer- und Leitungsrohre, Kabelkanäle, Einstiegsschächte, Verteilerkästen, Gebäude und Gebäudeeingänge, Antennenanlagen sowie Trägerstrukturen wie Türme, Masten und Pfähle. Laut DigiNetzG sollen in Zukunft beim Neubau oder bei der Sanierung von Autobahnen, Straßen, Geh- und Fahrradwegen zugleich Leerrohre für Glasfasernetze mit verlegt werden.
Um Netzbetreibern einen verbesserten Zugang zu Informationen über die tatsächliche Versorgungslage sowie vorhandene Netzinfrastrukturen zu ermöglichen, übernimmt die Bundesnetzagentur die Aufgaben einer zentralen Informationsstelle. In ihrer zusätzlichen Funktion als Streitbeilegungsstelle sollen auftretende Streitfragen ebenso rasch wie verbindlich geklärt werden.
Rechte der Gebäudeeigentümer schützen
Es gibt durchaus auch kritische Stimmen zum Wohnungsstich: Der Wohnungsstich sei nur in konkreten Einzelfällen möglich und führe dadurch zu einem „Flickenteppich“ in der Infrastruktur der Medienversorgung. Problematisch wird es, wenn die Infrastruktur von einzelnen Wohnungen Schritt für Schritt von der Mehrzahl der Wohnungen abweicht. Das kann zu einem „Entsolidarisierungseffekt“ führen, da nicht für jeden Mieter in einem Gebäude gewährleistet werden kann, dass Investitionen zur Errichtung hochgeschwindigkeitsfähiger Infrastrukturen zum gleichen Preis möglich sind. Dem etwaigen Vorteil eines einzelnen Mieters steht gegenüber, dass Investitionen zur Verbesserung der Infrastruktur für alle Mieter in einem Gebäude dadurch weniger planbar und gegebenenfalls sogar teurer werden.
Daher muss es für Gebäudeeigentümer, im Interesse der Gesamtmieterschaft, die Möglichkeit geben, einen Wohnungsstich abzulehnen. Nur dadurch kann es Investitionssicherheit für die Errichtung hochgeschwindigkeitsfähiger Infrastrukturen für alle Mieter in einem Gebäude geben. Außerdem ist es essenziell, den Gesetzentwurf um den Abschluss eines Vertrages zwischen Gebäudeeigentümer und Netzbetreiber zu ergänzen. Die Wohnungsstiche dürfen eine vom Gebäudeeigentümer verfolgte Planung und Realisierung einer einheitlichen, leistungsfähigen Infrastruktur für alle Wohnungen auf keinen Fall gefährden. Die Konsensfindung hat höchste Priorität.
Auch die Prinzipien der Technologieoffenheit und der Wettbewerbsneutralität dürfen im Zuge der gesetzlichen Neuerungen nicht verletzt werden. Vielmehr sind für eine schnelle, effiziente und für alle Mieter nützliche Breitbandanbindung nur Gesamtinvestitionen in einem Gebäude sinnvoll, die Wohnungsunternehmen beziehungsweise Gebäudeeigentümer frühzeitig und umfassend einbinden.
Diese sind wiederum darauf angewiesen, mit ihrem Know-how am Puls der Zeit zu bleiben, um souverän am Markt agieren und Kunden kompetent beraten zu können. Es gilt abzuwarten, ob das das neue Gesetz nun tatsächlich Abhilfe schafft. Was allerdings ein Faktum ist: Fallstricke müssen unbedingt vermieden werden.
Laut DigiNetzG sollen in Zukunft beim Neubau oder bei der Sanierung von Autobahnen, Straßen, Geh- und Fahrradwegen zugleich Leerrohre für Glasfasernetze mit verlegt werden.
Die Wohnungsstiche dürfen eine vom Gebäudeeigentümer verfolgte
Planung und Realisierung einer einheitlichen Infrastruktur für alle
Wohnungen auf keinen Fall gefährden.