Mieter binden mit
Facebook, Twitter & Co.

Das Internet hat die Kommunikation revolutioniert und dafür gesorgt, dass Verbraucher besser informiert sind. Auch Wohnungsbaugesellschaften müssen ihre Arbeitsweise an die veränderten Bedingungen anpassen.

Nachdem in den vergangenen zwei Jahren auch die Immobilienwirtschaft vom Aufsehen um Social Media erfasst wurde, ist die Euphorie verflogen. Das sensationell Neue ist davon, mittlerweile kommt der Nutzen vor dem Aktionismus. Zumal durch die Heterogenität der Immobilienbranche unterschiedliche Erwartungen mit sozialen Netzwerken verknüpft sind: Wünschen sich einige einen reichweitenstarker Vertriebskanal, sehen andere in Facebook und Co. die Möglichkeit, intensivere Kundenbeziehung zu pflegen und manche nutzen sie zur Imagestärkung und Markenbildung. Dass derartige Kanäle angesichts ihres hohen Verbreitungsgrades (Facebook hat beinahe 40 Mio. und Google+ fast 7 Mio. registrierte Nutzer in Deutschland), heute und zukünftig für die Kommunikation von Immobilienunternehmen wichtig sind, daran besteht kein Zweifel. Wie können zum Beispiel Wohnungsgesellschaften Social Media effektiv für die Mieterbindung einsetzen?

Die Wohnungswirtschaft steht vor enormen Herausforderungen: Der demografische Wandel, veränderte Ansprüche an die Wohnqualität, die Modernisierung von Wohnraum, die Mitgestaltung der Energiewende – dies sind nur einige Handlungsfelder der immer komplexer werdenden Bewirtschaftung von Wohnimmobilien. Eine umfassende Mieterkommunikation, die diese Themen transportiert, ist deshalb unerlässlich. Gleichzeitig hat sich das Informationsverhalten verändert. Neben klassischen Medien wie Mietermagazinen, werden zunehmend auch Onlineangebote genutzt, insbesondere von Jüngeren, den „Mietern von Morgen“. Wenn auch zögerlich, so beschreiten Wohnungsunternehmen bereits zeitgemäße Kommunikationswege, um diesen Veränderungen Rechnung zu tragen. So ergab eine im März 2012 unter acht großen Mitgliedern des Verbandes Berlin-Brandenburgischer-Wohnungsunternehmen (BBU e.V.) mit mehr als 400.000 Wohnungen und cirka 700.000 Mieterinnen und Mieter durchgeführte Umfrage, dass der Einsatz von Social Media (Facebook, YouTube, Twitter und Blogs) immerhin für die Hälfte eine Rolle spielt. Und 25 % gaben an, dass soziale Netzwerke wichtig für ihre Kommunikationsstrategie seien.

Zusammengehörigkeitsgefühl
stärkt Identifikation

Dieses dennoch eher ernüchternde Ergebnis sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Wohnungsgesellschaften traditionell langfristige Ziele mit ihrer Kommunikation verfolgen, insbesondere was die Mieterbindung angeht. In diesem Kontext werden auch soziale Netzwerke und Video-Plattformen wie YouTube gesehen, wie das Beispiel der Wohnbau Prenzlau zeigt. Die Ausgangssituation der kommunalen Wohnungsgesellschaft mit cirka 3600 zu betreuenden Wohneinheiten in einer Stadt mit ca. 20.000 Einwohnern war 2010 wenig optimal: Es gab keine Unternehmensstrategie, keine festgeschriebenen Arbeitsprozesse, weder Kommunikations- noch Marketingkonzept. Der neu bestellte Geschäftsführer René Stüpmann ergriff die Chance, durch eine komplette Neuausrichtung, ein kundenorientiertes Unternehmen mit positivem Image zu entwickeln und so die Ertragsmöglichkeiten zu verbessern. Dazu wurde ein breitgefächertes Maßnahmenpaket erarbeitet, das neben der Implementierung kundenfreundlicher Strukturen und geregelter Verantwortlichkeiten, umfangreiche Marketing-Aktivitäten vorsah, wie die Vereinbarung von Kooperationsverträgen mit freien Journalisten und regionalen Medienanbietern, die Einbindung einer Werbeagentur, die Zusammenführung von Marketing und Vermietung sowie die Überarbeitung des Internetauftritts und die Entwicklung einer Social-Media-Strategie.

Die erzielten Erfolge nach drei Jahren können sich sehen lassen: Das für den YouTube-Kanal der Wohnbau Prenzlau von Uckermark TV entwickelte redaktionelle WebTV-Magazinformat „Stadtgespräch TV“ erfreut sich wachsender Beliebtheit, gleiches gilt für den Facebook-Auftritt, über den beinahe 1.000 „Mieter-Fans“ zwei- bis dreimal pro Woche Neuigkeiten aus den Wohnquartieren und dem Unternehmen erfahren. Wesentlich zum Erfolg hat insbesondere das ganzheitliche Kommunikations- und Marketingkonzept beigetragen, das von Thomas Wesche, Leiter Vermietung und Marketing, und seinem jungen Team mit Begeisterung umgesetzt wird – vor allem wegen der durchweg positiven Reaktionen und den konstruktiven Impulsen, die sie von der Mieterschaft erhalten. „Wir möchten nahe an unseren Kunden sein und unsere Mieter als Wohnexperten einbinden. Wir möchten von ihnen erfahren, wo es klemmt, wo etwas gut läuft und wie wir gemeinsam etwas verbessern können.“ , erklärt Geschäftsführer Stüpmann sein Engagement. „Für die jüngere Zielgruppe nutzen wir ganz stark das Internet mit Netzwerken wie Facebook, YouTube und Google+. Für die Älteren gibt es unsere Mieterzeitung und unsere Mieterstammtische.“

Auch unter wirtschaftlichen Aspekten macht sich der Neustart bezahlt: Zum einen ist die Leerstandsquote seit 2010 gesunken und zum anderen hat die – auch durch Social Media – erreichte Identifikation, zu einer Sensibilisierung der Mieter für den Werterhalt der Gebäude beigetragen. Vandalismus sucht man seitdem vergeblich.

Kleine Schritte führen zum Erfolg

Der erste Schritt, soziale Netzwerke zu testen, kann ein für Mieter ohnehin organisiertes Event sein. Mit dieser Überlegung startete Volkswagen Immobilien (VWI), die beinahe 10.000 Wohnungen verwalten, 2011 ihren Exkurs in die Welt von Facebook, in dem sie über ihren jährlichen „VWI Treppenhauslauf“ informierten. Der positive Auftakt bestärkte Grischa Roosen-Runge, mitverantwortlich für Marketing und Kommunikation, die Aktivitäten step-by-step auszubauen.

Mittlerweile folgen fast 1500 Fans den Neuigkeiten über Facebook. Hinzugekommen ist ein YouTube-Kanal, der über regionale Sport-Events und Neuigkeiten aus den Quartieren und dem Unternehmen berichtet. Die unaufdringliche Beiläufigkeit, mit der Mieter über soziale Netzwerke informiert werden, ist einer der Beweggründe für VWI, Facebook zu nutzen. Neben Meldungen von Freunden, erhalten die Nutzer eben auch Infos des Wohnungsanbieters, ganz unkompliziert ohne großen Aufwand. Insbesondere die Ansprache jüngerer Mieter ist dadurch gelungen: 50 % der Neumieter sind mittlerweile unter 30 Jahre alt. 

Der oftmals befürchtete zeitliche und personelle Mehraufwand hält sich mit einer halben Stunde pro Woche in Grenzen, so Roosen-Runge, da soziale Netzwerke zum festen Bestandteil der Unternehmens- und Mieterkommunikation gehörten. Zudem seien die Auszubildenden mit Begeisterung dabei, wenn es um das Erstellen von Videoclips gehe. Insofern eine win-win-Situation für alle Beteiligten – für das Wohnungsunternehmen und für die Mieterschaft.

Redaktionell arbeiten
mit eingebundenen Medienpartnern

Welches enorme Potenzial in der Zusammenführung von Onlinekommunikation, Social Media-Kanälen und Videokommunikation für die Markenbildung und Vermarktung von Wohnraum steckt, zeigt eindrucksvoll das neue Plattenkulturportal „jeder-quadratmeter- du.de“ der WBM Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte mbH. Hier wird die Plattenbau-Wohnung zum multimedialen Kultobjekt. Was so cool daherkommt und vielleicht gerade deshalb für manches Wohnungsunternehmen unerreichbar scheint, beruht auf einer einfachen, jedoch bisher kaum angewendeten Methode: Redaktionelles Arbeiten. „Content Is King“ lautet die Faustformel von Redakteuren und genauso arbeitet.

Steffi Pianka, Leiterin der WBM-Unternehmenskommunikation. Ihr persönliches Faible für die „Platte“ hat dazu geführt, dass sie auf dem neuen Plattenkulturportal jeder-quadratmeter-du den Nachweis erbringt: Die Platte wurde in den letzten jahrzehnten zu unrecht verschmäht. Dieser Wohnypus hat eine spannende, wiederzubelebende urbane Wohnform mit einem riesigen Potential an individuellen Gestaltungsmöglichkeiten.. Und das spürbar neue Interesse an der Platte gibt ihr Recht. Der strategische Ansatz ist: Die Idee der Platte verstehen, das Gestaltungspotential erkennen und der Plattebauwohnung ihre individuelle Note geben. Dabei setzt sie auf Kreativität, die nicht viel Geld kosten muss. Die Umsetzung der Strategie besteht aus der Kombination unterschiedlicher Medienformen zu einem Onlineportal mit Magazincharakter .

Zum Erfolgsrezept gehört u.a. die Einbindung externer Dienstleister, wieunterschiedliche Videofilm-Teams, mit denen zum Beispiel die Formate „ Plattenköpfe“, „Zu Besuch bei“ und „Hausmeister Rolf“ konzipiert wurden. Wichtig ist die ständige Suche nach passenden Kooperationspartnern aus den Bereichen Design, Kunst oder sonstigen Akteuren, die das „Wohnformat Platte“weiterentwickeln. Der Bereich Unternehmenskommunikation fungiert wie eine Agentur. Die Kooperationspartner setzen dann 1:1 die Themen um.

Auf die Frage nach dem doch sicherlich großzügigen Budgetrahmen, gibt Pianka zu bedenken, dass Imagekampagnen wesentlich mehr kosten und sofort wieder verpuffen. Das Portal „jeder-quadratmeter-du.de“ verliert hingegen nicht an Aktualität und kann immer weiter ausgebaut werden. Und ein ganz wesentliches Argument für ihr Onlineportal sind die neuen, zukünftigen Plattenbaubewohner. Diese sind jung, hip und urban geprägt. Mit Anzeigen in Printmedien seien diese jungen Leute kaum zu erreichen.

Zeitgemäße Strukturen aufbauen

Dies sind nur einige Beispiele, die den Wandlungsprozess, in dem sich die Mieterkommunikation befindet, verdeutlichen. Integrierte Kommunikationskonzepte bekommen dabei zunehmend strategische Bedeutung. Wobei die inhaltlichen Übergänge fließender werden. Ein wesentlicher Faktor für eine effektive Nutzung von Social Media ist die fach- und abteilungsübergreifende Zusammenarbeit. Dies gilt für innerbetriebliche Abläufe wie für die Kooperation mit bisher wenig berücksichtigen externen Partnern. Hier stehen die Wohnungsgesellschaften erst am Anfang, Strukturen aufzubauen. Letztlich geht es darum, Mieterträge nachhaltig zu sichern. So gesehen ist die Einbindung von Social Media ein lohnendes Investment.

Neben klassischen Medien wie Mietermagazinen, werden zunehmend auch Onlineangebote genutzt, insbesondere von Jüngeren, den „Mietern von Morgen“.

Der erste Schritt, soziale Netzwerke zu testen, kann ein für Mieter ohnehin organisiertes Event sein.

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