Optischer SAT-Empfang: Neue Wege in der Medienversorgung
Bei der Sanierung von Bestandsbauten wird häufig ein zeitgemäßes Fernseh- und Multimediaangebot vergessen. Dabei bieten neue Hausverteilnetze und der Umstieg auf einen optischen SAT-Empfang von Fernsehsignalen gleich mehrere Vorteile.
„Aus unserer Erfahrung heraus macht es Sinn, bei umfassenden energetischen Modernisierungen oder beim barrierearmen Umbau von Bestandswohnungen auch die Multimedia-Versorgung auf den Prüfstand zu stellen. Eine Investition in die multimediale Zukunft, die bereits heute mit bedacht werden sollte“, berichtet Dr. Ernst Böhm, Gesellschafter des Baudienstleisters B&O, mit Blick auf die Chancen, die eine integrierte Modernisierungsstrategie bietet. Entscheidend dabei ist, die Netze auf Bandbreiten von mindestens 100 Megabit/Sekunde aufzurüsten, um die neuen TV-Formate HD+ und Ultra-HD in einwandfreier Qualität transportieren zu können. Einmal angefasst, sollten die aktuell aufgerüsteten Hausverteilnetze dann mindestens für zehn Jahre alle heutigen und zukünftigen technologischen Anforderungen erfüllen können. Wenn sich also Mieter und Eigentümer über ein völlig unzureichendes Programmangebot bei schlechter Signalqualität beschweren, Gestattungsverträge mit Kabelnetzbetreibern in den nächsten zwei bis drei Jahren auslaufen oder bedingt durch ein neues BGH-Urteil, das WEG-Gemeinschaften den Status von Verbrauchern zubilligt, vorzeitig beendet werden können, ist es Zeit für Wohnungsunternehmen und Verwalter, Multimedia neu zu denken.
Beispiel 1970er Jahre-Hochhäuser
Die State-of-the-Art-Lösung optischer SAT-Empfang mit Glasfaserhausverteilnetzen ist nicht auf bestimmte Typenbauten oder Baualtersklassen beschränkt. In Leonberg z. B. wurden insgesamt 444 Wohnungen – verteilt auf zwei Wohnungseigentümergemeinschaften – eines 1970er Jahre-Hochhausensembles umgerüstet. Davor existierte eine völlig veraltete Satellitenkopfstation mit einem Koaxialnetz in Baumstruktur, das ohne Leerrohre in die Wände einbetoniert wurde. „Einstrahlungen in die alte Netzstruktur führten zu Ausfällen“, sagt Volker Heß, Verwalter eines Teilbestandes. Siegfried Grossmann, der sich für die A&R Hausverwaltung um weitere 180 Wohnungen kümmert, ergänzt: „Immer mehr Bewohner mit neueren und leistungsstarken Großbildschirmen hatten sich über die schlechte Signalqualität beklagt. Eine Sanierung des alten Netzes war nicht möglich. Also suchte Heß gemeinsam mit dem Verwaltungsbeirat nach Alternativen.
Die BIG Medien aus Mönchengladbach – 2014 von der Berliner Tele Columbus-Gruppe gekauft – entwickelte eine pragmatische Lösung: Das alte Koax-Netz wurde nicht angerührt. Stattdessen wurden in die Telefon-Leerrohre vieradrige Glasfaserleitungen eingezogen, alle Wohnblöcke beider WEG-Gemeinschaften durch Glasfasererdleitungen miteinander verbunden und durch eine optische SAT-Anlage mit vier Satellitenpositionen versorgt. „Neben dem bereits mehr als 500 Sender umfassenden Basispaket der ASTRA-SAT-Position 19,2 Grad Ost für 6,96 Euro im Monat können sich die Bewohner fast jeden Sender der Welt dazu buchen.
Fibre to the home
Die Verteiltechnik der 3 mm dünnen Glasfaserkabelstränge wurde im Treppenhaus auf jeder Etage in einen freien Versorgungsraum installiert. Von dort wurden die vier Glasfasern bis in eine fertig terminierte Glasfaser-Anschlussdose in jede Wohnung gelegt. Eine Faser leitet das Standard-ASTRA-Signal weiter, während die anderen drei Fasern frei und individuell mit Telefonie, Internet oder anderen interaktiven Multimediadiensten belegt werden können. Da es noch keine Empfangsgeräte gibt, die direkt die optischen TV-Signale verarbeiten können, sind in den Wohnungen optische Wandler eingebaut, die die Lichtwellen in digitale Signale rückwandeln. Silke Steinhart, regionale Vertriebsleitung der Tele Columbus AG: „Die wohnungsinterne Koaxialverkabelung stellt vermutlich noch für die nächsten fünf Jahre eine Übergangslösung dar. Erst wenn die Industrie Fernsehempfangsgeräte und Computer mit optischen Eingängen ausstattet, kann auch auf die letzten Meter des klassischen Koax verzichtet werden.“
„Entscheidend ist der offene freie Programmzugang vom Satelliten in die Hausnetze. Die Hausnetze, die keinen Exklusivitätsklauseln unterliegen, lassen den Bewohnern zudem die freie Wahl, welche Anbieter sie beispielsweise für Internet, Telefonie, Smart Home, Smart Metering, Hausnotruf etc. wählen“, erklärt Silke Steinhart. Damit die Leitungsvorteile, die das Glasfasernetz bietet, auch bei Telefonie und Internet zum Tragen kommen, wurde mit der WiSoTEL aus Backnang ein Provider gewonnen, der das Hausverteilnetz an seinen Glasfaserbackbone auf der Netzebene 3 angebunden hat. Die maximale Internet-Flat mit 200 Megabit je Sekunde kombiniert mit einer Festnetz-Flat für Telefonie kostet 59,95 im Monat. Es steht den Bewohnern frei, welchen Provider sie nutzen wollen. Sie können also nach wie vor auf DSL-Verbindungen via Telefonkabel setzen.
Beispiel Viergeschosser
Maintal in Hessen, vier Wohngebäude mit insgesamt 224 Wohnungen: Die WEG-Gemeinschaft und Verwalter Dirk Burrack aus Maintal standen vor der Herausforderung, die Medienversorgung auf neue Beine zu stellen. Der Grund: die bisherige Signalqualität ließ stark zu wünschen übrig, für die vielen ausländischen Mieter fehlten die passenden Fremdsprachenprogramme und man wollte einer weiteren „Verschüsselung“ der Fassade oder der Balkone vorbeugen.
Man verwarf die Idee einer eigenen Satellitenkopfstation, weil die Eigentümer keine eigene Empfangsanlage betreiben wollten. Dagegen überzeugte das Konzept des Installationsbetriebes RIDACOM aus dem unterfränkischen Johannesberg:
Während innerhalb der Gebäude ein Leerrohrsystem genutzt werden konnte, das zuvor im Rahmen einer Fassadensanierung integriert wurde, mussten die Freiflächen zwischen den Gebäuden aufgegraben und die neuen Leerrohre für die Kabel durch die Kellerwände verlegt werden. Das Team um RIDACOM-Geschäftsführer Thomas Knies installierte drei Schüsseln, wovon eine mit einem Doppel-LNB*) ausgestattet wurde. Neben ASTRA werden weitere drei Orbitalpositionen angesteuert.
Technischer Hintergrund
Die verwendeten Quattro-LNBs des optischen SAT-Empfangs erlauben über externe Multischalter den Anschluss fast beliebig vieler Endgeräte. Der 24adrige Lichtwellenleiter entspricht in seiner Durchleitungskapazität 24 Koaxialkabeln. Aufgrund der physikalisch fast verlustfrei transportierten Lichtsignale entfallen die bei größeren Strecken sonst unvermeidlichen Verstärker, ebenso die Erdung. Beim optischen Satellitenempfang wird die Zwischenfrequenz für die vertikalen und horizontalen Signale im oberen und unteren Bereich übereinander gelagert. Über das Glasfaserkabel gelangt sie in das optische Empfangsgerät. Hier wird die Frequenz wieder mit Hilfe eines optischen Wandlers in vier Signale auseinander dividiert und in der einfachsten Ausführungsvariante über die an den Dosen liegenden Koaxialkabel direkt an die Teilnehmeranschlüsse in den Wohnungen geleitet. Ein LNB, der die Signale von der Schüssel auffängt und bündelt, kann bis zu 32 Multischalter versorgen. Die Multischalter werden – in diesem Fall in eigenen Schränken – zwischen dem optischen Konverter und den Receivern der Mieter installiert. Jeder Multischalter kann theoretisch 128 Anschlüsse bedienen. Dadurch ist es möglich, mit nur einem LNB nachweislich mehrere tausend Teilnehmeranschlüsse zu versorgen. Ohne Glasfaser-Technik wäre diese Leistung mit herkömmlichen Koaxialkabeln nicht umsetzbar. Denn: Ein Glasfaserkabel ersetzt die Verlegung von vier Koaxialkabeln je Satellitenposition und LNB.
Niedrigere Kosten – mehr Leistung
In der Regel sind im Vergleich zu einem BK-Netz eines Kabelfernsehproviders Kosteneinsparungen von 30 bis 60 % möglich. Der Grund: Die Satellitensignale von ASTRA und Co. stehen grundsätzlich kostenlos zur Verfügung – ohne einen dazwischengeschalteten Provider. Die Wartung der SAT-Anlage selbst sowie die Urheberrechtsgebühren für die VG Media und die GEMA werden in der Regel mit wenigen Euro abgegolten und können in der Regel über die Betriebskosten abgerechnet werden. Die entsprechenden Verträge laufen zwischen zehn und zwölf Jahren. Danach gehen die Netze inkl. Schüsseln und Schaltkästen in das Eigentum des Wohnungsunternehmens oder der WEG-Gemeinschaft über. Viele Installateure bieten darüber hinaus auch innovative Finanzierungsmodelle an. Neben der Vollfinanzierung sind auch Baukostenzuschüsse in unterschiedlicher Höhe denkbar, die die monatlichen Gebühren entsprechend senken. Weitere Informationen dazu gibt es auf dem speziellen Portal für Verwalter und Wohnungseigentümer unter www.astra.de/wowi.
Aktuell aufgerüstete Hausverteilnetze sollten mindestens für zehn Jahre alle heutigen und zukünftigen technologischen Anforderungen erfüllen können.
Hausnetze, die keinen Exklusivitätsklauseln unterliegen, lassen den Mietern freie Wahl, welche Anbieter sie beispielsweise für Internet, Telefonie etc. wählen.