Strom vom Dach direkt in die Steckdose

Der Plattenbau als Ökostrom-Kraftwerk: In Berlin beziehen die Bewohner des Gelben Viertels ihren Strom über Deutschlands größte zusammenhängende Solaranlage auf Häuserdächern. Sie gehören damit zu den wenigen Mietern, die von der Energiewende profitieren.

Mit Mieterstrom bzw. ZuhauseStrom, wie das Produkt vom Energie- und IT-Unternehmen LichtBlick heißt, kann vor Ort erzeugter Strom aus PV-Anlagen oder Blockheizkraftwerken (BHKW) den Mietern günstig angeboten werden.

Ende 2014 waren in Deutschland ca. 1,4 Mio. PV-Anlagen installiert. Viele davon auch auf Mehrfamilienhäusern bzw. Gebäuden von Wohnungsgesellschaften. Im Gegensatz zu Immobilienbesitzern kamen Mieter bislang nicht in den Genuss, den Strom vom Dach auch direkt zu nutzen und damit von den finanziellen Vorteilen der Energiewende zu profitieren. Mit Mieterstrom wird diese Gerechtigkeitslücke nun geschlossen.

Attraktivität steigern

Der Strompreis ist ein Dauerthema für Mieter, denn er macht inzwischen einen bedeutenden Teil der Nebenkosten aus. Vermieter punkten hier mit attraktiven Lösungen: Mit ZuhauseStrom von LichtBlick ermöglicht die STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH den Bewohnern im Gelben Viertel ein günstiges und zugleich ökologisches Stromprodukt.

Da der von den Photovoltaikanlagen auf dem Dach produzierte Strom nicht durch die Stromnetze geleitet werden muss, sondern vor Ort verbraucht wird, entfallen für die Mieter die Netznutzungsgebühren. Das senkt die Strompreise – und steigert die Attraktivität der Wohnungen.

Der Strompreis ist mit einem Arbeitspreis von 24,75 Cent brutto pro kWh günstiger als der Preis beim Grundversorger. „Das Interesse unserer Mieter war von Anfang an sehr groß“, so Ingo Malter, Geschäftsführer der STADT UND LAND. „Viele Bewohner haben sich schnell für den Bezug entschieden – denn sie bekommen Ökostrom günstiger angeboten als von anderen Wettbewerbern.“ Zudem werde der CO2-Ausstoß dauerhaft reduziert.

So groß wie sechs Fußballfelder

Das Pilotprojekt zum ZuhauseStrom ist in Berlin-Hellersdorf mit rund 3.000 Mietparteien gestartet. Auf 50 Mietshäusern sind 8.000 PV-Module auf einer Dachfläche installiert worden, die so groß ist wie sechs Fußballfelder. Die Solaranlage hat eine Gesamtleistung von 1.900 kWp. Damit werden pro Jahr rund 1,6 Mio. kWh Ökostrom produziert.

Doch ZuhauseStrom kann bereits in kleineren Dimensionen starten. So rentieren sich Projekte schon mit acht bis zehn Wohneinheiten. „Wenn Wohnungsbaugesellschaften zu­­­nächst testen möchten, ob das Angebot für ihre Anlagen überhaupt in Frage kommt,  können wir mit einigen Wohneinheiten starten und das Projekt im zweiten Schritt auf alle Mietshäuser ausweiten“, sagt LichtBlick-Projektmanagerin Alexandra von Bredow.

Von der Kundenakquise bis zur Abrechnung

Mit dem entwickelten Energiemanagementsystem SchwarmDirigent übernimmt das Unternehmen die komplette Abwicklung – von der Kundenakquise bis zur Abrechnung. Über das System kann dabei genau abgebildet werden, wie viel Strom die Bewohner vom Dach beziehen und wie viel Ökostrom das Unternehmen liefern muss. Auf den Mieter-Rechnungen werden die einzelnen Posten transparent und nachvollziehbar aufgelistet. Mehr als 1.000 Bewohner profitieren in erlin-Hellersdorf inzwischen vom günstigen Strom.

Neue Heizung? – Mit Mieterstrom doppelt profitieren

Mieterstrom lässt sich nicht nur mit PV-Anlagen auf dem Dach umsetzen, sondern auch mit Blockheizkraftwerken (BHKW) im Keller. Aufgrund der Energie-Effizient-Verordnung (EnEV) müssen viele Wohnungseigentümer bzw. Wohnungsbaugesellschaften ihre Heizungen austauschen.

Die Verordnung sieht vor, dass neue Heizungen eingebaut werden müssen, wenn die bestehende Heizung älter als 30 Jahre ist. In diesem Fall lohnt sich gleich der Einsatz eines BHKW. Diese kleinen Kraftwerke erzeugen nicht nur Wärme, sondern gleichzeitig auch Strom. Dieser Strom kann als Mieter- bzw. ZuhauseStrom den Bewohnern zur Verfügung gestellt werden.

„Viele Maßnahmen der EnEV bringen meist nur kleine Einsparvorteile“, so von Bredow. „Mit einer Heizungsanlage, die nicht nur die Heiz-, sondern auch die Stromkosten senkt, erhöhen Eigentümer deutlich die Attraktivität und den Wert ihrer Immobilie.“ Der Mieterstrom mit Blockheizkraftwerken ist vergleichbar günstig wie der mit PV-Anlagen.

Hürden der Politik

LichtBlick lässt Mieter dank ZuhauseStrom in den Genuss der Vorteile der Energiewende kommen – den dezentral, vor Ort erzeugten Strom kostengünstig selbst nutzen. Die Politik legt dieser Idee jedoch einige Hürden im Weg. Mit der im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Reform des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) erschwert die Gesetzgebung die Gleichstellung von Mietern und Eigentümern beim Strom-Eigenverbrauch. So müssen Mieter beispielsweise die volle EEG-Umlage zahlen, wenn sie den vor Ort erzeugten Strom nutzen – Immobilienbesitzer sind bis zu einer Bagatellgrenze von 10 kWp Anlagenleistung davon befreit. Hier gilt es neue Rahmenbedingungen zu schaffen.

„Es geht uns nicht um Fördergelder oder andere finanzielle Unterstützung“, so von Bredow. „Doch neben der EEG-Umlage gibt es einige regulatorische Bedingungen, die die Realisierung von Mieterstrom-Projekten er­­schweren.“

Diese gelte es abzubauen, „damit die erneuerbaren Energien wirklich allen Verbrauchern in Deutschland zur Verfügung stehen.“ Eine mögliche Lösung, um ZuhauseStrom beziehungsweise Mieterstrom-Projekte leichter voranzubringen, wäre die Einführung des Grünstrom-Markt-Modells. Das Modell sieht die direkte Lieferung von Ökostrom an den Kunden vor. Der Stromversorger kauft eine Mindestmenge an Ökostrom direkt beim Anlagenbetreiber ein. Dafür bekommt dieser vom Stromversorger die durchschnittliche Vergütung, die er auch im Marktprämienmodell erhalten würde.

Neue ZuhauseStrom-Projekte

Doch LichtBlick wartet nicht bis sich die regulatorischen Rahmenbedingungen geändert haben. Gemeinsam mit den Interessenten entwickelt das Unternehmen individuelle Lösungen für einzelne Projekte. Aktuell sind rund 20 weitere ZuhauseStrom-Projekte in der Planung bzw. stehen kurz vor der Umsetzung. „Wir haben momentan mehr Anfragen von Kunden, die ein Blockheizkraftwerk im Keller haben und den Strom ihren Bewohnern zur Verfügung stellen wollen.“ Aber gleich, ob PV-Anlage oder BHKW – laut von Bredow „sehen wir, dass ZuhauseStrom bzw. Mieterstrom für die Wohnungswirtschaft ein sehr interessantes An­­gebot ist“.

Der Strompreis ist ein Dauerthema für Mieter, denn er macht inzwischen einen Großteil der Nebenkosten aus.

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