Kann Architektur vor Vandalismus schützen?
Fassaden von Gebäuden mit viel Publikumsverkehr leiden häufig unter Vandalismus und Graffiti. Die mutwillige Zerstörung von Gegenständen und Fassaden an öffentlichen Einrichtungen und Wohngebäuden wirft für Bauherren und Wohnbaugesellschaften die Frage auf, inwieweit sie sich durch Architektur und Fassadengestaltung vor ästhetisch unschönen und materialschädigenden Negativeinflüssen schützen können.
Täglich werden Zerstörungen und Graffitis bei den großen Wohnbaugesellschaften gemeldet. Dort, wo bereits ein Schaden sichtbar ist, folgen in der Regel weitere. Es dauert nicht lange, dann strahlen Wohnblocks nur noch Ungepflegtheit und Verwahrlosung aus. „Wir von der ABG legen sehr großen Wert auf die Wohnumfeldgestaltung“, erklärt Roland Frischkorn, Leiter Öffentlichkeitsarbeit ABG, der Frankfurt Holding Wohnungsbau- und Beteiligungsgesellschaft mbh. Ein Objekt, das schon von außen Hochwertigkeit ausstrahle, genieße schließlich auch bei der Mieterschaft eine höhere Wertschätzung. Wichtig sei es, Schmierereien und Beschädigungen unverzüglich zu beseitigen, um keine Nachahmer auf den Plan zu rufen und zu demonstrieren, dass hier kein Ort für derartige Verschandelungen ist. Auch die direkte Ansprache der Jugendlichen zeigt zumeist eine positive Wirkung und ein Einsehen, dass ein schönes Umfeld zur Wohnzufriedenheit beiträgt. In einem ehemaligen Brennpunkt-Wohnquartier in Frankfurt ließ man die Jugendlichen sogar die Hauseingänge mitgestalten. Diese Aktion schuf Verantwortung und wirkte gegen zukünftigen Vandalismus.
Lebenswerte Wohnkultur durch nachhaltige Architektur
Für den Frankfurter Architekten Stefan Forster ist die Schaffung von Wohnquartieren, die Hochwertigkeit ausstrahlen – auch im sozialen Wohnungsbau – eine gute Prophylaxe gegen Schmierereien und Zerstörung. Die Reaktion der Bewohner beschreibt Forster so: „Unbewusst spüren sie die Armut der Architektur und gehen dementsprechend achtlos mit ihrem Umfeld um. Ungepflegte Architektur hinterlässt eine unschöne Wohnkultur und fördert nicht gerade ein gepflegtes Miteinander der Menschen.“ Der berühmte erste Eindruck also.
Neben der gewählten Form der Architektur spielen auch die verwendeten Materialien und deren Ausstrahlung nach Außen eine Rolle. Die Fassadengestaltung erhält damit eine besondere Bedeutung: Sie soll dauerhaft schön und sauber sein und damit Wertigkeit ausstrahlen.
Robuste Fassade
Die Ausstrahlung einer Fassade kann besonders in stoßgefährdeten Bereichen, z. B. Sockelflächen und Durchfahrten, schnell an Glanz verlieren. Zahlreiche Belastungen, wie Ball spielende Kinder, achtlos angelehnte Fahrräder, Fußtritte oder Umzüge, muss die Fassade hier aushalten können. Probleme stellen vor allem hohe punktuelle Druckbelastungen dar. Hier kann beispielsweise das Anlehnen von Gegenständen (Fahrrädern, Leitern) bei einem WDVS schnell zu Schäden am Oberputz führen. Ganz abgesehen von echten Vandalen, die die mutwillige Zerstörung suchen, die mit schweren oder spitzen Gegenständen werfen oder mit Glasflaschen und Schraubenziehern Eingangsbereiche und Außenwände demolieren und zerkratzen.
Bei massiven Fassaden, wie Beton, Sand- oder Backstein, ist die Druckfestigkeit um ein vielfaches höher als beim WDVS. Hier erfordert es schon die Kraft eines Autoaufpralls, um wirklichen Schaden zu erreichen. Um die mechanischen Widerstandsfähigkeit eines WDVS zu erhöhen, können zusätzliche Wandschutzplatten eingesetzt werden. Eine Druckfestigkeit wie bei der massiven Fassade kann damit jedoch nicht erreicht werden. Sicher ist auch, dass jegliche Zusatzmaßnahmen unter dem dünnen Oberputz diesen nicht vor mechanischen Einwirkungen schützen können.
Feuer als Gefahrenquelle
Einer der gebräuchlichsten Dämmstoffe beim WDVS ist Expandierter Polystyrol-Hartschaum (EPS), besser bekannt auch als Styropor. EPS gilt als schwer bis normal entflammbar. Schwer entflammbar heißt jedoch nicht „nicht brennbar“. Hat eine Styropor-Fassade, durch zündelnde Jugendliche oder brennende Müllcontainer, erst einmal Feuer gefangen, breitet sich die Hitze schnell aus und frisst sich durch die gesamte Fassade. Einer massiven Fassade dagegen kann Feuer nichts anhaben.
Putzfassade beliebtes Ziel von Sprayern
Graffiti ist für Wohnbauunternehmen eines der häufigsten Probleme. Bei verputzten Wänden dringt die Graffiti-Farbe leicht und tief ein. Die Reinigung kann mit stark erhitztem Wasser oder mit lösemittelhaltigen Abbeizpasten erfolgen. Meist sind Schatten die Folge, denn auch die Farbpigmente des Putzes können durch eine Graffiti-Beseitigung beschädigt werden. Anschließend muss ein neuer Anstrich mit Farbe erfolgen. Dieser verursacht zusätzliche Kosten.
„Bei Backsteinwänden kommt es so gut wie nie vor, dass sie Ziel von Sprayern werden,“ stellt Roland Frischkorn von der ABG fest. „Eine ebene, helle Fläche lädt schon viel eher dazu ein.“ Wird die Ziegelfassade doch einmal Opfer von Sprayern, so kann sie mit Wasserdruck und speziellen Abbeizpasten gereinigt werden, ohne dass dabei ihre eigene Farbe beeinträchtigt wird.
Wertige Architektur:
Zwei Beispiele, die Schule machen.
Das Wohn- und Geschäftshaus „Westgarten“ sowie das Wohnbauprojekt in der City West mit 160 Sozialwohnungen zeigen beispielhaft, wie in Frankfurt am Main ganze Stadtviertel durch hochwertige Architektur aufgewertet werden. Hier bekommt Vandalismus erst gar keine Chance, sich auszubreiten.
Westgarten
Der Westhafen, eine ehemalige Hafenanlage mit heruntergekommenen Speicherbauten, war bis vor wenigen Jahren ein Unort mit seinem 124 000 m ² großen Areal. Bereits Mitte der 70er Jahre stellte sich die Frage, was mit dem heruntergekommenen Gebiet geschehen sollte. Mehr als ein Jahrzehnt später rückte das Areal unter dem Leitbild „Wohnen und Arbeiten am Fluss“ wieder ins öffentliche Bewusstsein. Nach einer Reihe von Studien und Investorenwettbewerben entschied sich die Stadt Frankfurt, gemeinsam mit mehreren Finanziers, den Westhafen zu einem nutzungsgemischten Wohn- und Bürogebiet mit einem nachhaltig gestaltetem öffentlichen Raum zu entwickeln.
Das winkelförmige Wohngebäude verknüpft die spektakulären Einzelarchitekturen des ehemaligen Westhafens mit dem sich nördlich anschließenden Gutleutviertel. Das Grundstück beherbergt einen Supermarkt sowie drei weitere, kleinere Läden. Auf dem Dach des Supermarktes liegt die namengebende Grünanlage, wobei die Mieter im ersten Obergeschoss einen privaten Gartenbereich haben. Vier von der Straße erschlossene, ebenso lichte Treppenhäuser führen zu den 70 flexibel geschnittenen Apartments in den Obergeschossen.
Die aufwändig profilierte Klinkerfassade mit großzügigen Glasflächen, Holzfenstern und tiefen Loggien steht in der Tradition klassisch großbürgerlicher Wohn- und Geschäftshäuser.
Wohnanlage Voltastraße in Frankfurt am Main
Die Wohnanlage an der Voltastraße, Resultat eines gewonnenen Gutachterverfahrens im Herbst 2001, erinnert an die großen Wiener Wohnhöfe. Die vier- bis sechsgeschossige Anlage erinnert an die gründerzeitliche Blockrandbebauung. Die reich gegliederten Klinkerfassaden zur Straße hin, die mit den eher zarten Geländern kontrastieren, wecken Assoziationen an die derzeit verschwindende Fabrikarchitektur der Umgebung. Sie reichen direkt an den Bürgersteig. Der Architekt Stefan Forster macht mit der Fassadengestaltung Öffentlichkeit und Privatheit deutlich. Der öffentliche Bereich zur Straße hin, symbolisiert durch die massiven Klinkerflächen Robustheit und Widerstandskraft. Zur „privaten Seite“ der Wohnanlage hin, dem Hof, wurde eine grau verputzte Fassade eingesetzt.
Nicht nur in Bezug auf das Erscheinungsbild, sondern auch in Sachen Nutzerfreundlichkeit versucht das Gebäude Maßstäbe zu setzen. 15 Wohnungen pro Treppenaufgang, drei Mieteinheiten pro Geschoss sorgen für übersichtliche Größe, gut proportionierte Grundrisse für Flexibilität. Details wie stehende Fenster, großzügige Loggien oder Hochparterrewohnungen geben der Anlage eine noble Anmutung, die im geförderten Wohnungsbau selten ist.
Mit den Wohnanlagen Voltastraße und Westgarten wurden lebenswerte Wohnanlagen geschaffen. Die Bewohner fühlen sich dort so wohl, dass bereits etliche Kaufanfragen an die Wohnbaugesellschaften gerichtet worden sind. Die Menschen sind stolz darauf, in einem gepflegten und hochwertigen Umfeld zu wohnen. Das zeigt sich auch am Gebäude. Die sonst in Mietshäusern nicht unüblichen Zerstörungen blieben hier aus.
Der Architekt Stefan Forster wurde mit beiden Wohnanlagen für den Fritz-Höger-Preis für Backsteinarchitektur 2008 nominiert.