Mehrfamilienhaus als Kraftwerk
3E ist eine Abkürzung, die für Eigenerzeugung und Eigenverbrauch von Strom sowie Elektromobilität steht. Erforschung und Entwicklung entsprechender Systeme konzentrierten sich bislang auf Unternehmen und Einfamilienhäuser. Jetzt dient erstmals ein Mehrfamilienhaus in Hamburg als Forschungsprojekt.
Von außen wirkt das Mehrfamilienhaus in Hamburg-Wilhelmsburg wie ein normales Haus. Doch es ist ein kleines Kraftwerk: Ausgestattet mit einer Photovoltaik-Anlage (PV-Anlage) auf dem Dach und einem Blockheizkraftwerk im Keller wird vor Ort Energie und Wärme erzeugt. Eine Solarbatterie im Keller und mobile Batterien in den Elektroautos, die vor der Tür stehen, speichern die nicht direkt verbrauchte Energie. Zusätzlich ist die Garage mit einer Photovoltaikanlage ausgestattet und eine Batterie in der Garage speichert den Sonnenstrom zwischen, sollte gerade kein Elektroauto geladen werden. Das Energie- und IT-Unternehmen LichtBlick vernetzt und optimiert diese Energiesysteme im Haus und in der Garage mit dem SchwarmDirigent, einer IT-Plattform im Energiemarkt.
Wohnmodell der Zukunft
„3E ist die Abkürzung der drei Kernaspekte des Forschungsprojekts: Eigenerzeugung, Eigenverbrauch und Elektromobilität. Dieses Modell ist die Zukunft der Energieversorgung“, so Gero Lücking, Geschäftsführung Energiewirtschaft bei LichtBlick. „Die Bewohner versorgen sich mit der vor Ort erzeugten Energie selbst: Scheint die Sonne liefert die PV-Anlage den Strom, bei Bewölkung springt die Solarbatterie oder das Blockheizkraftwerk ein.“
Zusätzlich ist das 3E-Mehrfamilienhaus in den Strommarkt integriert. Über den SchwarmDirigent kann LichtBlick genau erkennen, ob viel Strom am Markt ist oder Energiebedarf besteht. „Wir können die Anlagen im Haus intelligent steuern, so dass sie auf die Marktsituation reagieren: Erzeugen Sonne und Wind viel Strom, kann dieser direkt im Haus genutzt werden und zudem die Speicher auffüllen oder die Elektroautos laden“, erklärt Lücking. „Wird Energie benötigt, kann das Haus den zwischengespeicherten Strom ins Netz abgeben. Damit liefert das SchwarmHaus einen wichtigen Beitrag zur Energiewende und zur Stabilität der Netze.“
Wohnen und Mobilität
Die Elektroautos vor der Haustür sind ein wichtiger, flexibler Speicher bei diesem Projekt: Die Bewohner des Hauses können über eine Smartphone-App die Fahrten mit dem E-Auto vorab planen. Steht die nächste Fahrt erst in sechs Stunden an, kann LichtBlick in dieser Zeit frei über die an die Ladesäule angeschlossene Batterie verfügen und sie aufladen, wenn gerade die Sonne scheint und ein Stromüberschuss besteht. Das Elektroauto leistet damit nicht nur einen Beitrag zur Netzstabilität, sondern wird gewissermaßen kostenneutral geladen. Ein wichtiger Aspekt, der die Attraktivität von Elektromobilität weiter steigern wird.
Wandel auch in der Wohnungswirtschaft
In dem 3E-Mehrfamilienhaus wohnen derzeit zehn Parteien, die Wohnungseigentümer und nicht Mieter sind. Dennoch kann dieses Modellprojekt in Zukunft auch interessant für die Wohnungswirtschaft sein. „Wir sehen die Entwicklung am Markt, dass Wohngebäude zu Energieerzeugern werden“, so Alexandra von Bredow, Projektmanagerin Wohnung- und Immobilienwirtschaft bei LichtBlick. „Verordnungen, wie die Energieeinsparverordnung zwingen die Wohnungswirtschaft geradezu dazu, Energieeffizienz vor Ort nicht nur durch Dämmung zu erreichen, sondern mit eigenen Erzeugungsanlagen.“ Die Energie müsse zukünftig nicht nur mit Blockheizkraftwerken oder Photovoltaik-Anlagen im Haus erzeugt werden, sondern die Energie muss den Bewohnern auch direkt zur Verfügung gestellt werden. Neben Mieterstrom-Projekten zeigt das SchwarmHaus, wie die Energieversorgung in Zukunft aussehen kann. Die Mieter erhalten nicht nur den Vorort erzeugten Strom, sondern das lokale Energiesystem optimiert mittels der IT-Plattform SchwarmDirigent die Energieflüsse im Haus und stabilisiert zugleich das Stromnetz. So kann das Haus im besten Fall an den Energiemärkten Erlöse erzielen, wovon wiederum die Mieter profitieren.
Gesetzliche Hürden abbauen
Aktuell erschweren gesetzliche Rahmenbedingungen die Umsetzung von Mieterstrom-Projekten. „Zählerkonzepte oder auch Abrechnungsprozesse machen Mieterstromprojekte derzeit nicht wirklich attraktiv für die Wohnungswirtschaft“, erklärt von Bredow. „Zudem müssen Mieter die volle EEG-Umlage zahlen, wodurch die Vorteile bei den Strompreisen verringert werden. Bei Mehrfamilienhäusern, die in Zukunft ein lokales Energiesystem integriert haben, wie das 3E-Mehrfamilienhaus, muss es neue Lösungen geben.“ LichtBlick setzt sich intensiv dafür ein, dass innovative Projekte wie das 3E-Mehrfamilienhaus realisiert werden können und zum Standard bei neuen Wohnungsbauprojekten werden. Das Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit gefördert und läuft über drei Jahre von 2014 bis 2016.
Die Elektroautos vor der Haustür sind ein wichtiger, flexibler Speicher.